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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Ein Bahnbrecher der Renaissance in Schlesien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0169

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333

Ein Bahnbrecher der Renaissance in Schlesien.

334

Nikolaikirche. Die Urknndcn nennen ihn bei dieser
Gelegenheit „Schüler des Meisters Benedix, Königlicher
Majestät zu Böhmen obersten Werkmeister des Schlosses
zu Prag". Dies ist kein anderer, als der Erbauer
des berühmten Wladislawsaales auf dem Hradschin,
Benesch von Laun, oder wie die Görlitzer Urkünden
ihn nennen: Benedict Ryed von Piesting in Nieder-
österreich. Wie sehr der Schüler stch damals noch an
seinen Meister anlehnte, ergiebt der Umstand, daß er
für diesen Bau sich Rat bei demselbeu holte. Daß
im Kulturleben, wie in politischer Beziehung, Schlesien
und die Lausitz damals von Böhmen abhängig waren,
haben wir schon gesehen. Wir erfahren auch, daß
schon 1489 „des Königs Baumeister" nach Görlitz be-
rufen wurde, da die Rechnungsbücher dort einen Posten
von 1 Schock 21 Groschen Zehrung für ihn enthalten.
Auch 1497 tresfen wir ihn wieder dort zur Schlich-
tung eines Streites, der wegcn der Lehrzeit ver Ge-
sellen ausgebrochen war. Unter solchen Verhältnissen
muß es natürlich erscheinen, daß Wendel Roßkopf, dessen
Geburtsjahr um 1480 fallen mag, sich als junger
Mann zu dem weitberühmteu böhniischen Baumeister
in die Lehre begab.

Wolltc man nnn aber ohne weiteres, wie es
auch vr. Wernicke thut, annehmen, daß Wendel von
seinem Meister Benedict die Behandlung der Renaissance-
fvrmen gelernt habe, so würde man sich täuschen. Meister
Benedict ist, wie die Betrachtung seiner böhmischen
Bauten dargethan hat, durchaus nicht der Bahnbrecher
des neuen Stils, fllr den man ihn wohl gehalten hat.
Er fußt vielmehr noch ganz auf der mittelalterlichen
Überlieferung, die er in kühnen Konstruktionen, wie
eben im Wladislawsaalc, und mit ausgesprochener Vor-
liebe für die komplizirtesten spätgotischen Gewölbean-
lagen, verschlungene Netz- und Sterngewölbe mannig-
sachster Art, zur Geltung bringt. Vvn dcr Renaissance
hat er nur dunkle schwache Vorstellungen und wagt
daher in seinen Bauten nur hier und da einen be-
fcheidenen Anklang an den neuen Stil. Wenn Wendel
Roßkopf sich in der Folge als genau vertraut mit der
italienischen Bauweise bewährt, so muß er diese Kennt-
nis anderswo erworben haben.

Suchen wir seinen Lebensgang zu verfolgen, so
haben wir nur zu bedauern, daß vor dem Jahre 1518
die Überlieferungen von ihm schweigen. 2m Jahre
1520 erwirbt er in Görlitz das Bürgerrecht, wobei
es indes bedeutsam erscheint, daß man ihm die übliche
Einzahlung von drei Schock Groschen erließ, „weniger
aus Rücksicht auf seine Vermögensverhältnisse, als um
sich ihn verpflichtet zu haben". Er muß also damals
schon ein Künstler von Ruf gewesen sein. Wahrschein- i
lich um sich in der Gunst der einflußreichen städtischen
Kreise zu befestigen, hatte der junge Meister die Witwe

des 1514 verstorbenen Stadtbaumeisters Albrecht Stieg-
litzer, Frau Margaretha, geheiratet, welche ihni ein
übrigens verschuldetes Haus an der Rvsengasse im
Neißeviertel und zwei Kinder, Hans und Ursula, zu-
brachte. Die äußeren Verhältnisse des Meisters gestalte-
ten sich bald so günstig, daß er das von seinem Vor-
gänger ererbte Grundstück schuldenfrei machen konnte;.
ja als in der Folge sein herangewachsener Stiefsohn
ihn wegen des väterlichen Erbteils wiederholt aüging,
vermochte er den ungestümen Dränger am Vorabende
des Pfingstfestes 1533 „mehr ans gutcm Willen als
von Rechtswegen" ein für allemal mit 130 Mark ab-
zufinden. Daß Wendel Roßkopf damals schon auch
außerhalb Görlitz Anspruch auf Autorität erheben
durfte, geht aus einem ins Jahr 1520 fallenden Handel
hervor, der ihn mit einem Schweidnitzer Meister, Peter
Zinn, dem Erbauer des Turmes der dortigen Haupt-
pfarrkirche, in Differenzen brachte, die indes gütlich bei-
gelegt wurden. Noch klarer erkennen wir aber seine
Bedeutung durch die Thatsache, daß Herzog Friedrich ll.
von Liegnitz ihn um dieselbe Zeit zur Erbauung des
Schlosses auf deni Gröditzberg berief. Jn den weit-
gesprengten und reich kombinirten Netzgewölben der
dortigen Bauten erkennen wir den Schüler des Prager
Schloßbaumeisters; aber in dem Renaissanceportal des
Saales, welches er neben der Jahrzahl 1522 in ge-
rechtem Stolze mit seinem Namen schmücken durfte,*)
zeigt sich ein entschiedener Fortschritt in bestimmter
Aufnahme des neuen Stiles. Allerdings ist derselbe
noch etwas schwankend und unklar gehandhabt, die
Meißelführung noch ziemlich derb, aber die Tendenz
ist unverkennbar, der „wälschen" Bauweise sich zuzu-
wenden. Und was dieser Schritt damals zu bedeuten
hatte, das bezeugt die nachdrückliche Art, wie der Archi-
tekt an diesem Werke so zu sagen seine Visitenkarte
abgiebt.

Fragen wir nun, wo Meister Wendel die Re-
naissanceformen kennen gelernt hat, so liegt es wohl
nahe, zuerst an Breslau zu denken. Finden wir doch
dort schon seit 1488 Arbeiten in dem neuen Stile, der
bis 1518 in einer Reihe von Denkmalen austritt, und
zwar in einer Behandlungsweise, welche eher einen
Deutschen als einen Jtaliener vermuten läßt. Es muß
damals dort also Künstler gegeben haben, die sich mit
dem Renaissancestil vertraut gemacht hatten. Bei ihtten
wird der Görlitzer Meister sich weiter entwickelt haben.
Aber wir werden finden, daß er rastlos fortstrebt und
nicht bei dem Gewonnenen stehen zu bleiben gewillt

ch Wir finden mehrfach, daß die deutschen Baumeister
damals, wenn sie den neuen Stil anwenden, dies mit einem
gewissen Selbstgefühl thun. So nennt sich 1S28 Hans Stein-
müller an dem merkwürdigen Renaissanceportal des Zeug-
hauses auf der Burg Breuberg im Odenwalde.
 
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