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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Ein Bahnbrecher der Renaissance in Schlesien
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0170

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335

Kunstütteratur und Kunsthandel.

336

ist; denn in wenigen Jahren erlangt er eine Sicher-
heit und zugleich eine Feinheit in Anwendnng der neuen
Bauweise, daß wir ihn zu den durchgebildetsten und
sortgeschrittensten der damaligen deutschen Architekten
zählen miissen. Er macht cine Entwickelung durch, wie
wir sie gleichzeitig beim älteren Helbein, entschiedener
noch bei Peter Vischer findcn.

Der Ruf Meister Wendels mnß um diese Zcit
immer weiter gedrungen sein, denn von 1525 etwa bis
1530 wirkt er in BreSlau als Stadt- und Brücken-
baumeister, ohne darum seiner Stellung in der Heiinat
enthvben zu sein. Aber auch mit Herzog Friedrich II.
von Liegnitz finden wir ihn mehrfach wieder in Ver-
bindung, wie er denn 1528 abermals aus den Grö-
ditzberg entboten wird, um sich allda in Sachen, die
er wisse, fleißig umzusehen, wie es in einem Briefe
vom 14. August desselben Jahres heißt. Also waren
die Bauten dort noch nicht ganz vollendet. Das Jahr
vorher (1527) erbittet sich der Herzog den Meister nach
Liegnitz, wo sich's danials geradc nm den Neuban des
Schlosses handelte, und der Gvrlitzer Magistrat will-
fährt dem Fürsten, obwohl besagter Meister „gemeiner
Stadt und unsern Bürgern fast (sehr viel) Arbeit und
Gebäu aufzurichten angenommen", weshalb sie dringend
ersuchen, ihn „desto eher zu fvrdern, damit er gemeine
Stadt und unsere Bürger mit ihren Gebäuden auch
versorgen niöge".

So erhalten wir denn Einblick in eine außer-
ordentlich reiche Thätigkeit, deren Zeugnisse sich noch
jetzt nachweisen lassen. Denn in Breslau dürfen wir
wohl das Rathausportal von 1528 und das gleich-
zeitige Portal am Hause „zur Krone" ihm zuschreiben;
noch sicherer aber hat man ihn als Erbauer aller jener
Bürgerhäuser in Görlitz anzusehen, welche der Stadt
eine in ganz Deutschland einzige Stellung für dic
Entwickelung der Renaissance verschaffen. Jn diesen
zahlreichen Werken, deren stilistische Übereinstimmung
den Forscher überrascht, und die ich deshalb schon
früher als Schöpfungen derselben künstlerischen Werk-
statt bezeichnete, tritt eine immer höher und freier sich
entwickelnde Behandlung des neuen Stiles hervor.
War Meister Wendel auf dem Gröditzberg noch ziem-
lich befangen in Anwendung der italienischen Formen,
so muß er inzwischen Gelegenheit gefunden haben, eine
tiefere Kenntnis der Renaissance sich anzueignen. Alle
jene durch ihre feine Gliederung, namentlich durch cine
Vorliebe für Pilasterstellungen bemerkenswerten Wohn-
häuser in Görlitz, welche nach dem Brande von 1525
entstanden sind, dürfen wir dem vielbeschäftigten Stadt-
baumeister zuschreiben.

Aber das Hauptwerk seines Lebens nnd die voll-
kommenste Lcistung seiner Kunst ist und bleibt der
Ausbau des Rathauses. Schon scit 1519 hatte

Meister Wendel am Rathausturm gearbeitet, wo er die
Schöpsung seines Vorgängers im Amt und in der Ehe
abzuschließen hatte. Hier folgt er noch ausschließlich
der gotischen Formsprache. Aber im Anfang der dreißiger
Jahre fllgte er dem Rathaus jene Teile hinzu, welche
dem Bau einen Ehrenplatz unter den Monumeiitcn
unserer Frührenaissance sichern. Der kleine reizende
Hof mit seiner hübschen Bvgengalerie auf Pfeilern und
der eleganten Pilasterordnung datirt von 1534; die
herrliche Freitreppe draußen mit dem eleganten Portal,
dem Fenster über demselben und dem seittich angeordneten
Balkon, ein Ganzes von unübertroffenem Reiz, ist mit
der Jahrzahl 1537 bezeichnet. Vollendeteres hat unsere
Frührenaissance nicht geschaffen.

Wann Meister Wendel gestorben ist, wissen wir
nicht genau; 1556 wird er als verstorben bezeichnet,
da in jenem Jahre von seinen Erben die 9iede ist.
Sein Nachfolger im Amt war sein gleichnamiger Sohn,
den man bis 1576 antrisft. Wir dürfen Lie in Görlitz
zwischen 1556 und 1576 errichteten öffentlichen und
privaten Bauten in den meisten Fällen wohl ihm zu-
schreiben. Jn Auffassung Rnd Formgebung schließen
sie sich den Bauten des älteren Meisters an, jedoch mit
den Umwandlungen, welche die fvrtschreitende Ent-
wickelung der Zeit mit sich brachte."

Aunstlitteratur und Aunsthandel.

Die Holzarchitektur Hildesheims bildet den Gegen-
stand einer Publikation, mit welcher der Architekt Karl Lachner
gegenwärtig beschäftigt ist. Bekanntlich wird in keiner Stadt
Deutschlands die Physiognomie der Straßen so sehr von den
Fachwerkbauten des 15-, 16. und 17. Jahrhunderts bestimmt,
wie es in Hilcesheim der Fall ist; auch findet sich kaum
anderswo ein solcher Reichtum an ornamentalen Motiven, die
mit Schnitzmesser und Stemmeisen hervorgebracht sind. Wenn
nun auch die der Renaissance Hildesheims gewidmeten Hefte
in Ortwein-Scheffers' „Deutscher Renaissance" schon eine
stattliche Reihe der merkwürdigsten Fachwerkhäussr nebst zu-
gehörigen Details in Aufnahmen von E. Schreiterer und
G. Heuser gebracht haben, so ist doch immerhin noch eine
solche Fülle von interessantem Stoffe vorhanden, daß das
Unternehmen Lachners seine volle Berechtigung hat. Das
erste Heft desselben lVerlag von Borgmeyer in Hildesheim)
hat den Ratsbauhof zum Gegenstande und enthält außer
einem ausführlichen historischen und ikonographischen Texte
drei Tafeln mit autographischen Darstellungen. Wir werden
auf den Jnhalt zurückkommen, sobald das auf acht bis zehn
solcher Hefte, deren jedes ein einzelnes Bauwerk behandeln
soll, angelegte Werk zu Ende geführt sein wird.

x. Die Pilasterfüllungen dcr Ccrtosa bei Pavia lautet
der Titel einer Mappe mit'20 Photographien in groß Quart,
welche im Verlage von Th. Schüller in Leipzig erschienen ist.
Diese Sammlung photographischer Aufnahmen, nach der
Natur, ergänzt in 'sehr zweckdienlicher Weise das früher in dem-
selben Verlage erschienene Werk, welches zwanzig General-
und Spezialansichten des berühmten Bauwerkes enthält, er-
süllt somit den von uns bei Besprechung des letzteren ge-
äußerten Wunsch. Die Blätter bieten übrigens mehr als
der Titel besagt, da sie auch Stücke von Friesen enlhalten,
sowie eine Anzahl der Füllungen in Flachrelief und eine
Reihe der in Nischen postirten Heiligenfiguren, mit denen
die Fassade bekanntlich übersäet ist.
 
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