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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Ausstellung des norddeutschen Gesamtvereins
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0225

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445

Nekrologe.

446

mann („Esthländisches Strcmdbild") und Josef
Brandt, dessen „Wettfahrt mit ciner podolischen
Judenpvst" eine ungemeine Fülle von Leben und Be-
wegung und eine große Virtuosität der Malerei ent-
faltete. Ähnlich dem Letztercn der gewandte Maler
schäbiger nnd struppiger Pferde, Adolf Schreyer, dessen
„WalachischesFuhrwerk", weit entfernt von einem Wett-
lauf, sich nur mit grvßter Anstrengung der Zugtiere
durch den tiefen Schlamm des Weges fortbewegt. Gleich
rühmliche Erwähnung in diesem Fache verdienen wegen
ihres Kolorits und ihrer lebcnsvollen Schilderung die
„Tanzenden Zigeuner" von Paul Bvhni in München,
und wegen ihrer gelungcnen Charakteristik die beiden
heiteren Gestalten von Stryowski in Danzig, die
uns das „Flößerleben an der Weichsel" schildern.

Unglcich syärlicher als in diesen Fächern, denen
wir noch einige trefsliche Marinen von dem verstorbenen
Melbye und von Hünten, sowie einige Haustier-
bilder von Mali und Gebler in München und von
Aug. Schenk in Paris anreihen könnten, war die
Ausbeute im eigentlichen Genre; von den gern gesehe-
nen Düsseldorfern vermißten wir namentlich Lasch,
Hiddemann, Geertz, Bokelmann und Salentin. Reichen
Ersatz aber boten uns dasür Fagerlin in Diisseldorf
und Grützner in München, deren neueste Schöpfungen
zu den Perlen der Ausstellung gehörten. Der erstere,
der bekanntlich das Leben der nordischen Strandbe-
tvohner in der Weisc wie Rudolf Jordan zu schil-
dern liebt, brachte zwei im Hauptmotiv einander
ähnliche Bilder: „Leise Anfrage". und „Schwierige
Werbung", in denen es sich um die zarte Liebe
cines kräftigen Schifferburschen zu einem hllbschen
Mädel handelt. Auf dem ersten scheint die gefragte
Geliebte keine ablehnende Anwort geben zu wollen;
auf dem zweiten, wo die Liebenden bereits einig
sind, soll aber erst die Einwilligung des höchlich
crstaunten Alten eingeholt werden; auf beiden ist auch
das Jnterieur in allen Einzelheiten von vollendcter
Behandlung. Zwar weniger glänzend im Kvlorit, aber
höchstuaturwahr und vor allem meisterhaft charakteri-
sirt in den verschiedenen Gestalten ist Grützners „Kon-
zert im Kloster", ein von Mönchen ausgeführtes Streich-
quartett, dem sechs andere Mönche mehr oder weniger
aufmerksam zuhören, während einige von ihnen sich
zugleich den Klosterwein trefflich schmecken lassen. Jede
Gestalt ist voll aus dem Leben gegriffen, keine der
anderen ähnlich, weder im Gesicht, noch im Ausdruck
der Teilnahme an der Sache.

Unter den wenigen ins Gebiet der Historie ein-
schlagenden Bildcrn nenncn wir als das einzige inter-
essante „Der erste Drnckbogen" von dcm hier bisher
unbekannten, vermutlichnoch jugendlichen Leo Reiffen-
stein in Wien. Es zeigt drei Gestalten in Lebensgröße:

den behaglich im Lehnstnhl sitzenden reichgckleideten Fnst,
der mit gespanntem, berechnenden Blick dcn ersten Bogen
betrachtet; seitwärts hinter ihm steht der dürftiger ge-
kleidete, ziemlich gleichgiltig dreinschauende Gutenberg,
und hinter Fusts Stnhl eine unschöne, fast unange-
nehmc weibliche Gestalt, wahrscheinlich Fusts Tochtcr,
die nachmalige Gattin Schöffers. So trefflich manche
Einzelheiten des Bildes gemalt sind, so ist die Durch-
führung des Ganzcn doch nicht der Art, daß wir das
Bild für würdig erachtet hätten, vom hiesigen Vercin
der Kunstfreunde erworben zu werden.

Jnfolge der erfreulichen Bereicherungen der Aus-
stellung nnd der dadurch hcrvvrgerusencn, fast an-
steckend gewordenen Kauslust war das Endresultat ein
so glänzendcs, wie es schwerlich jemals auf einer ge-
wöhnlichen Vereinsausstellung erzielt worden ist. Von
den im Katalog vcrzeichneten 934 Bildern (unter denen
etwa ein Zehntel nicht erschienen war) wurden bis
zum letzten Tage der Ausstellung 95 (82 Privatan-
käufe, 13 zur Verlosung) für die Gesamtsumme von
106120 Mark verkauft, so daß durch die nach Schlnß
der Ausstellung noch schwebenden Unterhandlungen wohl
die Zahl von 100 Bildern und die Verkaufssumme
von 120 000 Mark erreicht werden wird.

Nekrologe.

Fricdrich Drake ch. Am 6. April starb in Berlin,
wie schon gemeldet, der Bildhauer Friedrich Drake,
wclcher innerhalb der Berliner Plastik die Prinzipien
Rauchs und seine monumentale Ausdrucksweise am
strengsten und erfolgreichsten vertreten hat. Er war
ein engerer Landsgenosse seines Meisters. Am 23. Juni
1805 in Pyrmont als der Sohn eines Drechslers gebo-
ren, trat er in seinem fünfzehnten Jahre in die Werk-
statt eines Mechanikers in Kafsel ein, wo sein Talent
in kleinen Schnitzwerken aus Holz und Elfenbein,
namentlich in Porträtbüsten, zum Durchbruch kam.
Auf den Rat des Bildhauers Ruhl begab er sich end-
lich im Jahre 1826 mit- nur geringen Mitteln nach
Berlin, wo er bei Rauch anklopfte, der den Landsmann
auch freundlich empfing und ihn unter der Bedingung
in sein Atelier aufnabm, daß er drei Jahre lang auf
eigene Kosten leben mllsse. Mit bewunderungswür-
diger Ausdauer und nnter den härtesten Entbehrungen
schlug er sich eine Zeitlang durch, bis Rauch von
feiner Lage erfuhr und ihm freie Wohnung gab. Sieben
Jahre lang half er an den Modellen des Meisters,
bis er sich endlich im Jahre 1833 mit einem Werke
eigcner Ersindung, einer Siegesgöttin, die einem ster-
benden Krieger die Palme bietet, hervorwagte. Es
folgte einRelief, dessen Motiv Goethe's fünfter römischer
Elegie entnommen war:

Oftmals hab' ich bereits in ihren Armen gedichtet
Und des Hexameters Maß leise mit fingsrnder Hand

Jhr auf den Rücken gezählt-*)

und in welchem sich zuerst die zweite Seite seines Ta-

Vergl. Zeitschr. f. b. Kunst XII, S. 159.
 
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