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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Förster, Bernhard: Aus Gelnhausen
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0281

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557

Äunstlitteratur.

558

dieser Aufgabe uud vielleicht die intereffanteste auf
nordischem Bodeu. Merkwürdig ist eine t ^—2 iu
starke Wand, welche sich zwischen den Westturm, den
ältesten Bautcil, und das Schiff schiebt. Herr„Beckcr
hält sie mit gutem Grunde für cin Überbleibsel aus
der früheren, von Bonifacius gegründeten Kirche. Der
schönste Teil Gelnhansens bleibt indessen noch immer
die Kaiserpfalz auf der Kinziginsel; ihre Ruinen
sind in gutem Stande, und dem drohenden Versalle
der über dem Portal gelegenen Palastkapelle wird eben
durch Errichtung zweier starker Strebepseiler Halt ge-
geboten. B. Förster.

Aunstiitteratur.

Über den Ursprung und die Bedeutung der Doppel-
chöre. Von vr. Heinrich Holtzinger. (Beiträge
zur Kunstgeschichte, Heft V.) Leipzig, E. A. See-
mann. 1881. 8.

Jn dieser verdienstlichen kleinen Schrift wird die
Frage nach dem Ursprung und der Bedeutung der
doppelten Choranlagen in mittelalterlichen Kirchen
ciner erneutcn, auf Einzelbetrachtung dcr Denkmäler
beruhenden Untersuchung unterzogen. Der Verfaffer
teilt die in Betracht kommenden Bauten in vier Grup-
pen. Die erste derselben nmfaßt eine Anzahl von
christlichen Kirchen der ältesten Zeit in Afrika (Ägypten
und Algier); sie stehen außerhalb der Entwickelung der
abendländischen Kirchenbaukunst und haben nur inso-
fern ein Jnteresse, als sie zeigen, „wie naheliegend die
Erbauung von Westchören war, wo es sich um Ver-
herrlichung eines besonders verehrten Grabes handelte"
(Quast, Zeitschr. f. christl. Archäol. I, 227 ^). — Bei
der zweiten und dritten Gruppe der von Holtzinger
in Betracht gezogenen Denkmäler, nümlich bei den
abendländischen Kirchen mit Dvppelchören aus dem
8. bis 11. nnd aus dem 11. bis 14. Jahrhundert,
läßt sich im großen und ganzen eine zusammen-
hängendc Entwickelung nachweisen. Wenn auch nicht
sämtliche Doppelchöre auf einen und denselben Zweck
zurückgeführt werden können, so ist doch so viel klar,
daß man zu einer dem östlichen Chor an Bedeutung
nahekommenden Anlage am Westenve der Kirche durch
das Bedürfnis eines Altars geführt wurde, welcher
für einen besonders verehrten Heiligen bestimmt war,
daher dem Altare des im Osten gelegenen Schutz-
patrons der Kirche möglichst analog angeordnet und
über die gewöhnlichen Nebenaltäre erhoben werden
mußte. Jm weiteren Verlauf der Dinge wurde dann
der westliche Chor auch als Grabstätte benutzt, häufig,
wenn auch nicht durchgängig, mit einer Krypta ver-
sehen, und im letzten Stadium der Entwickelung diente

er lediglich dem künstlerischen Zweck erhöhter Pracht-
entfaltung. Das erste, mit Sicherheit bestimmbare
Beispiel für die Anlage eines zweiten Chores im
Abendlande bietet uns die freilich nur aus Beschreibungen
bekannte Kirche der Benediktinerabtei Centula in der
Diöcese Amiens, an welche zunächst die aus dem viel-
besprochenen alten Banriß ersichtliche Klvsterkirche von
St. Gallen und die Kirche des Klosters zu Fulda,
dann der alte Dom von Köln, drei Kirchen auf der
Jnsel Reichenau und der Dom von Bremen sich an-
reihen. Alle dicse Anlagen sallen in die Zeit vom
8. bis 11. Jahrhundert. Jn der zweiten, bis ins
14. Jahrhundert reichenden Periode sind es besonders
die großcn deutschen Kathedralen, zunächst die romani-
schen Dome der Rheinlande, zu Trier, Mainz und
Worms, dann die von Bamberg, Augsburg, Eich-
städt u. s. w., in denen die Doppelchörigkeit, verbunden
mit der Anlage von zwei Querschiffen, zu einer impo-
santen Gestaltung des Jnnern sührte. Der deutschc
Übergangsstil nahm das Motiv an; erst durch die
„streng und klar ausgesprochenen Dispositionen" der
Gotik wurde der doppelte Chor beseitigt. — Als be-
sondere vierte Gruppe behandelt der Verfasser schließ-
lich die Doppelchöre in Nonnenklöstern (Effen, Gern-
rode, Hersfeld u. a.). Hier ist wcniger die Apsis als
der Emporeneinbau das wesentliche; der westliche Chor
wurde in diesen Fällen durch das Bedürfnis hervor-
gerufen, in dem innerhalb der Klausur gelegenen Teil
der Kirche für die Nonnen einen speziellen Chorgottes-
dienst zu ermöglichen.

Jn der Einleitung polemisirt der Verfaffer gegen
Schnaase, welchem die obige Erklärung der westlichen
Apsis aus dem Kultusbedürfnis nicht genügte, und der
die doppelchörige Anlage sich auch künstlerisch denten,
sie „als eine Verbindung des Rundbaues mit dem
Basilikentypus" betrachtcn wollte (III, 554 d. 2. Aufl.).
Man kann hierüber streiten. Aber das Argument, welches
Holtzinger gegen diese Auffaffung vorbringt, ist wenig
zutreffend. „Denken wir uns — sagt er — das
Langhaus entfernt und den Westchor an den Ostchor
gerückt, so dürfte in keinem einzigen Falle ein harmoni-
sches Kuppelgebäude entstehen, vielmehr wird bald der
Ostchor den Westchor, bald dieser den ersteren an
Scheitelhöhe mehr oder minder überragen" u. s. w.
Es liegt auf der Hand, daß Schnaase's Gedanke nur
die in der Phantasie der Architekten mitwirkende Ten-
denz ausdrücken sollte und nicht in dieser praktisch-
realistischen Weise aufzufaffen ist. Auch hat Schnaase
es nicht unterlaffen, auf Aachen, „die Centralstelle
künstlerischer Bildung" jener Zeit, hinzuweisen und so
die von ihm hervorgehobene centralisirende Tendenz in
den doppelchörigen Anlagen auch geschichtlich zu be-
gründen. C. v. L.
 
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