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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 18.1883

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https://doi.org/10.11588/diglit.5806#0006

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7

Kunstlitteratur.

8

wissenschaftliche Jnteresse anzuregen, daß die Pnblika-
tion von den Freunden des vaterländischen Kunstalter-
tums mit ungeteilter Freude begrüßt werden wird.
Wir verkennen durchaus nicht den Wert der älteren
Monographie von F. Peters, die als Festprogramm
zu Winckelmanns Geburtstag 1869 in Bonn erschienen
ist. Allein die Marxsche Schrift enthält doch manche
Bereicherung, die Aufnahmen sind räumlich größer und
inhaltlich mannigfaltiger, die tektonischen Momente sind
stärker betont und die Abmessungen bis ins Einzelne
durchgeführt.

Jn der Feststellnng von Ähnlichkeitcn nnd Ver-
schiedenheiten mit benachbarten Architekturen zieht der
Verfasser mit gewissenhafter Gründlichkeit eine Parallele
zwischen Jben und der einige Meilen davon auf rhein-
bayerischem Gebiete gelegenen Kirche zu Offenbach am
Glan und weist insbesondere auf die übereinstimmende
Formensprache in der Bildung der Gewölberippen und
des Fenstermaßwcrks hin. Mit vollem Recht. Allein
sollte dem kundigen Autor entgangen sein, daß gleich
beziehungsvolle und noch schlagendere Analogien an
einem ebenfalls nur wenige Meilen von Jben ent-
sernten Baudenkmal der preußischen Rheinprovinz vor-
kommen, an der Kirche zu Hirzenach bei St. Goar?

Mit anerkennenswerter Sorgfalt ist in der histo-
rischen Darlegung das Quellenmaterial zusammenge-
tragen und verarbeitet. Gleichzeitig ist das Legendarische
und Dichterische über Jben, namentlich insofern Simrock
den Ort in seinem Amelungenlied dem Helden Rudlieb
zum Stammsitz giebt, auf seinen wahren Wert zurück-
geführt. Die Annahme der Errichtung der Burgkapelle
durch die Tempelherren, in deren Besitz Hof Jben eine
Zeitlang sich besunden, wird auf Grund der ausge-
bildeten frühgvtischen Formen und der Beziehungen
dieses Ritterordens zu Frankreich als wahrscheinlich
hingestellt. Doch behandelt der Berfasser mit Vorsicht
die Frage der Möglichkeit eines unmittelbaren französi-
schen Einflusses und ist eher geneigt, an einen aus der
Trierer Bauschule hervorgegangenen deutschen Meistek
zu denken. Die Geschichte des Jbener Besitzverhält-
nisses wird mit diplomatischer Genauigkeit bis zum
Beginn des 19. Jahrhunderts herabgeführt, von da an
aber etwas dürftig bedacht. Ungern vermissen wir
namentlich die allerneuesten Schicksale des Bauwerks,
welche einen interessanten Beitrag zu dem Kapitel der
Denkmälererhaltung in sich schließen. Suchen wir
unsererseits diese Lücke auszufüllen!

Die schmuckreiche Jbener Kapelle stand vor wenigen
Jahren in Gefahr, Stein um Stein niedergelegt, in
Wagenladungen nach Braunfels an der Lahn gebracht
und dort neu aufgerichtet zu werden. Kein Geringerer
als der jüngst zu Hannover verstorbene Architekt Bau-
rat Oppeler war es, welcher diesen Ubersiedelungsplan

ersonnen und den Fürsten von Solms-Braunfels für
die Ausfiihrung gewonnen hatte. Schon waren die
Verkaufsunterhandlungen mit dem damaligen Besitzer
der Kapelle, Landwirt Körber, in stillem Zuge, als
der Professor der Kunstgeschichte an der Technischen
Hochschule in Darmstadt, Hofrat Or. Schäfer, von dem
Vorhaben rechtzeitig Kunde erlangte, um den dem
Kleinode der Frühgotik in der Provinz Rheinhessen
drohenden Schlag glücklich abzuwenden. Nachdem dieser
Gelehrte die Überzeugung gewonnen, daß man auf-
fallenderweise gerade an der Stelle, wo damals die
Jnitiative für den Denkmälerschutz am ehesten zu er-
warten gewesen wäre, der geplanten Entfernung des
Kunstwerks gegenüber gleichgültig sich verhielt, lenkte
er die Aufmerksamkeit der Staatsregierung auf den
Vorgang, teils durch einen Notschrei für Jben in der
Presse, teils durch die von ihm veranlaßte Mitwirkung
desMainzer Landtagsabgeordneten vr. Dümont, woranf
der damalige hessische Ministerpräsident von Hofmann,
jetzt llnterstaatssekretär in Straßburg, mit dem Ober-
baurat vr. Breidert sofort nach Jben sich begab und den
Ankauf der Burgkapelle sür den Staat bewirkte. Sv
blieb das graziöse Monument an der Stätte seiner
Gründung und sür Hessen erhalten; ohne die rasche
und energische Jntervention des Hofrat Schäser stände
es jetzt im Schloßhof zu Braunfels.

Die vvrtreffliche Durchführung der neun Groß-
folivtafeln durch angehende Architekten macht diesen
selbst und Professor E. Marx als Lehrer der Baukunst
alle Ehre. Die autographirten Blätter verraten Festig-
keit des Striches wie Leichtigkeit der Hand und erhöhen
durch diese Vorzüge den Wert der Publikation. Mit
Zuversicht sehen wir ferneren ähnlichen Leistungen des
Darmstädter Polytechnikums aus dem Bereich der diese
Hochschule umgebenden unvergleichlich reichen Denk-
mälerzone entgegen, und möchten die Gelegenheit nicht
vorübergehen lassen, um auf eine in der Zusammen-
sassung noch ungelöste, höchst dankenswerte nnd in ihrer
Bedeutsamkeit einzig dastehende Anfgabe hinzudeuten:
Aufnahme der aus der Hvhenstaufenzeit stammenden
Palatialarchitekturen, welche innerhalb des Großherzog-
tums Hessen in langer Reihe von Wimpfen, Baben-
hausen und Seligenstadt in der Provinz Starkenburg,
nach Büdingen und Münzenberg in der Provinz Ober-
hessen sich hinziehen und gleich der nahen stilverwandten
Barbarossaburg zu Gelnhausen in ansehnlichen, mit-
unter glanzvollen Überresten erhalten sind wie in
gleicher Dichtigkeit und Schönheit keine andere Profan-
baugruppe rvmanischen Stiles in ganz Deutschland.

_ Z

x. Kunst und Künstler des 19. Jahrhunderts, herausge-
geben vonIlr.Rob. Dohme, Bibliothekar S. M. des Kaisers
Wilhelm. Von diesem im Seemamischen Verlage erscheinen-
 
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