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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 18.1883

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Aus dem Verein Berliner Künstler
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Der Zierbrunnen für die Stadt Görlitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.5806#0021

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Dor Zierbrunnen für die Stadt Görlitz,

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jungen Malerin, welche einen vierjährigen allerliebsten
Buben aufs Sosa gestellt hat, um ihn als Modell
zu benutzen; das Bürschchen ist mit seineni Schicksale
unznfrieden, Jn beiden Werken ist Stimmung, Be-
handlnng des Stoffes und des Dctails, Beleuchtnng rc,
mit solcher Meisterschaft durchgeführt, daß wir mit
unserm Lobe sparen, um nicht den Anschein der Über-
treibung zu wecken, Selbst der hohe, von Blume ge-
forderte Preis erscheint in Anbetrncht der Vorzüge des
Bildes nicht zu hoch. ü, l?.

Der Zierbrumicii für die 5tadt Görlitz.

Jm Meisteratelicr dcs Brcslauer Muscums, dcr
Wcrkstatt des Bildhauers Rvbcrt Toberentz, herrscht
rühriges Treiben. Eben sind die ersten Gußproben
der Bronzeteile des sür die Stadt Görlitz bestimmten
Monumentalbrunnens eingctroffen, und es werden Ber-
suche einer künstlichen Patinirnng angestcllt; dort ist
man beschäftigt, die letzten für den Guß bestimmten
Stücke in Mvdellirwachs abzuformen, und in einem
Winkcl tiegen in wirrem Durcheinander herrlichc
Männer- und Frauenleiber, die Gipsformen der Eck-
figuren des Brunnens, bcreit, die Neise nach dem ge-
lobten Lande der Bildhauerkunst — heute leider dem
Lande, wo man die Kunst der Bildhauer nicht immer
loben kann, — anzutreten, um daselbst in Marmor
auspunklirt zu werden. Und da steht schon wieder ein
neues Modell, welches vor Kurzem von der Brunnen-
konkurrenz in Leipzig zurückgekehrt ist,

Wir erleben wahrhastig eine Renaissance der
Renaissancezeit, Die alte Baufreudigkeit der Städte
kehrt zurück, und der volle Säckel des „erbern Rates"
hat auch für Kunstzwecke Geld übrig, Was würden
unsere Väter zu dieser unerhörten Verschwendung ge-
sagt haben, wie hätten sie die Hände zusammenge-
schlagen über die Üppigkeit einer Provinzialstadt, die
für einen einzigen Brunnen Tausende zu verausgaben
sich nicht scheut! Und man kann wohl sagen, daß die
Bildhauerkunst diese Wiedergeburt der alten Kunstblüte
in einer freien und der Selbständigkeit unseres Jahr-
hunderts würdigen Weise zu fvrdcrn bestrebt ist. Die
Künstler schaffen aus der eigenen Brust und verschmähen
es, wie leider das moderne Kunsthandwerk, nur um
jeden Preis stilvoll zu sein. — Es soll hier das
Zurückgreifen auf alte Formen, die ja freilich gegenüber
unserer heutigen Armut an Erfindungsgabe immer die
besseren sind, nicht getadelt werden. Verdanken wir
boch diesem Anlehnen an gute Vorbilder der Gotik
und Renaissance den unleugbarcn Ausschwung dcr
Kleinkunst, Aber sicher ist auch, daß wir bercits auf
dem Punkte sind zu glauben, die Benutzung der alten

Schablonen genüge und die Erfindung neuer Zier-
formen sei bei der FUlle der überkommenen alten ent-
behrlich. Jch bin überzeugt, daß man in wenigen
Dezennien unsere gotischen Wanduhren und maurischen
Cigarrenschränkchen ebenso verspotten wird, wie wir
es heutzutage mit den Karikaturen der napoleonischen
Zeit thun, die ihre Tische wie dorische Tempel, ihre
Kaffeetassen wie antike Vasen zu gestalten licbte.

Aber zurück von dieser Abschweifung auf nachbar-
lichcs Gebiet zur Bildhauerkunst und zu den Brunnen
der Toberentzschen Werkstatt, von der ich ausgegangen
war! — Vor nicht gar langer Zeit wurde das Gips-
modell für Görlitz zur öffentlichen Besichtigung aus-
gestellt und machte auf die guten Breslauer, die es noch
nicht zu einem Monumentalbrunnen gebracht haben,
einen geradezu verblüffenden Eindruck. Es sei mir
hier gestattet, über diese erste größere Arbeit, die aus
dem Meisteratelier der jungen Kunstpflegestätte an der
Oder, dem „Museum der noch zu bildenden Künste",
wie ein witziger Kenner der Breslauer Kunstverhält-
nisse den offiziellen Titel parodirte, hervorgegangen, des
Nähercn zu berichten,

Der Schöpfer des Werkes, Robert Toberentz, ein
Schüler Schillings, der seine Studien in Rom voll-
endet, und dem die Ewige Stadt, diese wahre Lehr-
meisterin jedes aufstrebenden Genius, neben feinem
Schönheitsgefühl einen lebendigen Sinn für naturfrische
Auffassung des menschlichen Körpers verliehen, erhielt
die Bestellung des Brunnens im Jahre 1879. Für
die Herstellung wurde ein Zeitraum von sünf Jahren
bewilligt, so daß der Brunnen 1884 den Ort seiner
Bestiinmung, dcn Pvstplatz zu Görlitz, schmücken soll.

Das Modell ist in den für die Ausführung be-
stimmten Größenverhältnissen modellirt, wobei dem
kalten Gips durch gefchickte Färbung mit Thonwasser
Lcr Anschein alten, ins Gelbliche spielenden Marmors
gegeben wurde. Die Hauptfigur stellt die alles be-
lebende wasserspendende Natur dar, ein fast unbekleide-
tes Weib, welches mit erhobenen Händen eine Muschel
haltend, aus dieser den Segen des Himmel über die
Erde ausgießt, Ein leichtes Gewand umschließt die
Hüften und läßt das nachschleifende Spielbein frei,
während das Standbein, durch die Falten der Ge-
wandung eher gehoben als verdeckt, die Last des zier-
lich gebogenen Oberkörpers trägt. Der herrlich modellirte
Kopf, dessen Züge den ganzen Liebreiz der Schilling-
schen Schule wiederstrahlen und der doch weit von
jeder Schablonenhastigkeit entfernt ist, neigt sich sanft
nach vorn und ist, besonders im Halbprofil gesehen,
von hoher Schvnheit. — Die Sockelfiguren: Nixe,
Jäger, Nymphe und Fischer, schlicßcn sich dem archi-
tektonischen Aufbau des Brunnenstockes aufs glücklichste
an, Besondcrs reizvoll crschcint die Gestalt des träume-
 
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