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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 18.1883

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Lübke, W.: Gottfried Kinkel
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https://doi.org/10.11588/diglit.5806#0091

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18. Iahrgang.
Bciträge

Lützow (Wien, There-
sianumgaffe 25) oder an
die verlagshandlung in
Leipzig, Gartenstr. 6,
zu richten.

2^. December

Nr. 10.
Inserate

a 25 j^f. für die drei
Mal gespaltene jDetit-
zeile werden von jeder
Luch- u.Runsthandlung
angenommen.

1882.

TZeiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst.



Gottfried Aiitkel f.

Jm Anfang der vierziger Jahre cntfaltctete sich in
Bonn ein nngemein reges geistiges Leben, das in stetiger
Steigerung cmporblühte, bis es durch die Stnrme des
Jahres achtnndvierzig einen Stoß crhielt, ja in feiner
srüheren Eigenart einen jähcn Abschluß fand. Jene Zeit
wird jedem, der sie mit erleben durfte, wie cin unver-
geßlicher Lichtpunlt in dcr Erinnerung glänzen. Wohl
hatte die Throubesteignng Friedrich Wilhelms IV. auch
hier die Geister zu frischeni hoffnungsfreudigeni Aufstreben
angespornt; man glaubte eine neue Zeit nach langem
Druck herausgekommcn, und in dcr lebendigen Tcil-
nahme, mit welcher die ganze Universität und die halbe
Stadt den Vorlesungen des alten unverwüstlichen Ernst
Moritz Arndt und des strengen Dahlmann zuströmte,
gab sich dies Ringen nach politischer ErneueruNg klar
zu erkennen. Wohl bvt die rheinischc Fricdrich-Wilhelms-
Universität die Grundlage, auf dcr sich jenes Geistesleben
crzcugte, den Rahmen, dcr das reiche Bild nmschloß:
aber es hatte doch seine Schwerkraft in sich selbst, und
seine Signatur war ein rühriges künstlerisch-poetisches
Treiben. Aug. Wilh. von Schlegel ragte noch eben aus
einer früheren Epoche in jene Tage hincin; sein Wirken
sür Kunstgeschichte und Poesie war noch unvergessen, und
besonders ließen sich die Anregungen überall erkennen,
welche er für die Wertschätzung der Kunst dcs Mittel-
alters, für die Würdigung der heimatlichen Denkmale
gegeben hatte. Als er hochbetagt 1845 starb, war eine
jüngere Kraft neben ihm emporgewachsen, die nnt der
Frische der Begeisterung und einer seltnen Begabung das
Führeramt im Reiche des Schvnen, nnd zwar ebenso

der bildenden Kunst wie der Poesie, angetreten hatte. Es
war Gottfried Kinkel. Ursprünglich hatte der evan-
gclische Pfarrerssohn sich der Gottesgelahrthcit gewidmet
und sich in der evangelisch-theologischen Fakultät als
Privatdocent angesiedelt. Das war 1836 gewesen, als
der jnnge Lehrer kaum 2U Jahre zählte. Aber bald
zog es ihn aus den beengenden Schranken der Theologie
in das freie Reich der Kunst; eine Reise nach Jtalien
bestärkte ihn in dieser Neigung, und der Aufenthalt
in Rom, der so manchem schon der Übergang in ein
neues Leben geworden, gab ihr vollends den Ausschlag.
Wohl blieb er nach der Heimkehr äußerlich noch mit der
Theologie verbunden und wirkte selbst als Hilfsprediger
in Köln durch seine glänzenden Vorträge, in welchen
zuerst sein oratorisches Talent durchschlagend zur Geltung
kam. Auch in Bonn an der Universität hiclt cr epege-
tische und kirchengeschichtliche Vorträge, aber daneben
ervffnete er Vorlesungen über litterarische und künstlcrische
Stoffe, die sich sofort allgemeiner Teilnahme ei-freuten.

Jn diesc Zeit fiel seine Bekanntschaft mit der geist-
vollen und hochbegabten Johanna Matthieux, der Tochter
deS Bvnner Gpmnasialprvfessors Blockel. Die cdle Fran,
um sünf Jahre älter als Kinkel, frühgereift durch herbc
Lebensschicksale, die sie an einen ungeliebten Mann
fesselten, sollte den mächtigstcn Einfluß anf den jüngeren
Freund gewinnen. Jm Verkehr mit der geistesstarken
Frau vollzog sich bei Kinkel eine Umwandlung, die aus
dem bis dahin gläubigen Theologen einen Mann des
freien Denkens machte. Er selbst gesteht dies in einer
seiner Elegieen an Johanna:

„Wie du mit kühnem Trotz mich rissest los von den Formen,
Die mir den ängstlichen Sinn lange beschwerend gedrückt."
 
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