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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 18.1883

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Rosenberg, Adolf: Ausstellung japanischer Malereien im Berliner Kunstgewerbemuseum, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5806#0097

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Ausstellung japanischer Malereien im Berliner Kunstgewerbemuseum.

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schickt worden, gefiel sich hier aber so gut, daß er nicht
wieder nach Korea zurückkehrte, fondern seine Kunst
mit großem Erfolge in Japan betrieb. Seine Manicr
ist natürlich eine durchaus chinesische. Dieselbe hat
sich, auch nachdem die japanische Malerei bereits einen
nationalen Stil gewonnen hatte, bis in nnser Jahr-
hnndert erhalten, so daß man von einem chinesischen
und einem japanischen Stile spricht. Das Wort
„Stil" hat in der japanischen Malerei eine generelle
und nicht individuelle Bedeutung, d. h. man kann nicht
von dem Stile cines einzelnen Malers rcden, sondern
nur von dem Stil gewisser Epochen. Dem Auge des
japanischen Knnstkenners mvgen sich ja anch die stilisti-
schen Eigentümlichkeiten eines einzelnen Malers offen-
baren. Der Europäer wird aber kaum mehr heraus-
erkennen, als gewisse Ansdruckswcisen, Ivelche sür gewisse
Epochen gemeinsam sind. So scharf ausgeprägte
Künstlerindividnalitäten, wie z. B. Michelangelo und
Rembrandt, wird man schwerlich nachweisen können,
schon deshalb nicht, weil die japanische Kunst sich in
der Darstellung des Menschen nicht über das Typische
erhob. Menschliche Leidenschaften und seelische Er-
regnngen zu schildern, blieb ihr verschlossen, man kann
sagen, für immer verschlossen, da der Entwickelungs-
gang der nationalen japanischen Malerei mit der Er-
offnung dcs Landes sür den Fremdcnvcrkehr in den
sechziger Jahren unseres Jahrhunderts seinen Abschluß
erreicht hat, wie sich denn in Len modcrnen Malereien
sowohl im Kolorit als auch in der Anwendung der Per-
spektive und in der Auffassung der menschlichen Gestalt
durchaus europäischer Einfluß kundgiebt. Schon aus
diesem Grunde war es die höchste Zeit, daß jemand auf
den Gedanken kam, japanische Malereien zum Zweck
der Gewährung eines Überblickes über die geschichtliche
Entwickelung dieses Kunstzweiges zu sammeln. Es
war auch der letzte Termin. Denn schon, als Professor
Gierke sammelte, war die japanische Regierung nach
Kräften bestrebt, den Vertauf kostbarer alter Bilder an
Fremde zu hindern, um dieselben um hohe Preise für
das Tokio-Museum und die Staatsbibliothek zu er-
werben.

Knüpft sich cin eigentümlicher Stil auch uicht an
einzelne Personen, so doch an einzelne Familien, in
welchen ein gewisser Stil von Geschlecht auf Geschlecht
fortgeerbt wurde, bis ein reicher begabter Künstler
auftrat und einen neuen Stil begrllndete, der ebenfalls
seinen Weg durch die Jahrhunderte nahm. Aus dem
Ende des 9. Jahrhunderts wird Kose no Kanaoka
als der Begründer eines neuen Stils genannt, welcher
bis zum 11. Jahrhundert die Herrschaft hatte. Er wird
der japanische genannt im Gegensatz zum chinesischen,
Iveil jener Kose den Versuch gemacht hatte, seine Kunst
Zu nationalisiren, d. h. nicht der Form, sondern nur

dem Jnhalte nach, indem er Stoffe aus der japani-
schen Geschichte und den Helden- und Priestersagen
seines Volkes behandelte. Bon dem Meisterwerke des
berühmtesten Gliedes der Familie Kose, Hirotaka, einer
ungemein phantastischen Darstellung der buddhistischen
Hölle und des Paradieses auf fünf zweiblätterigen
Wandschirmen, besitzt die Gierke'sche Sammlung eine
alte Kopie. Dic Strasen der Vcrurteilten erinnern
an die schaurig-grotesken Erfindungen eines Hollen-
brueghel. Auf die Kose-Famitie svlgte daun im 11. Jahr-
hundert die Familie Kasuga, die durch Kasuga
Motomitsu ihre höchste Blüte erreichte. Vvn ihni be-
sitzt die Sammlung das schon im ersten Artikel erwähnte
Buddhabild. Dort haben wir auch den ferneren Ent-
wickelungsgang der japauischen Malerei in kurzen ZUgen
angedeutet: im 12. Jahrhundert ein krästiger Auf-
schwung zur Historicumalerci, dann cin schneller Nieder-
gang unter dem Druck dcr politischen Verhältnisse und
seit dem 15. Jahrhundert wieder ein neuer Aufschwung
durch Setschiu, der 87 Jahre lang lebte und zahlreiche
Schüler heranbildete, bis das 16. Jahrhundert, ganz
analog dem Zeitalter der Renaissnnce in Europa, die
höchste Blüte der Malerei und zugleich das Gedeihen
eines neuen Zweiges, der Sittenmalerei, sah, welche
letztere in Jhasa Matahei ihren Begründer verehrt.
Wir finden in der Ausstellung eiu reizendes Bild von
seiuer Hand, eiue Sängerin unterrichtet ihre Schülerin,
welches durch die Feinheit Ler Ausführung und den
köstlichen Farbenreiz allerdings den hohen Ruf dieses
Nialers rechtfertigt, dem auch eine große Genauigkeit
in der Wiedergabe der Kostüme nachgerühmt wird.
Jm 17. Jahrhundert begann dann die Malerei sich
von den Fürstenhöfeu, von deren Gunst sie bis dahin
ausschließlich gelebt hatte, zu emanzipiren und in das
Volk zu dringen. Maler aus dem Volke ließen sich in
Kioto und Tokio (Ueddo) nieder, und es nahm damit
eine Masscnproduktion ihren Anfang, welche in unserer
Zeit durch den Export nach Europa neue Nahrung
fand. Damit begann aber auch der Verfall der Malerei,
der eine zeitlang durch die geistreichen Erfindungen
Hokusai's aufgehalten wurde, jetzt aber vollständig
geworden ist. FUr den Massenexport werden alte Motive
geistlos wiederholt. NeueS wird nicht mehr geschaffen,
und sogenannte Makimono, d. h. Querrollen mit den
mühevollen figurenreichen Miniaturmalereien der alten
Zeit, werden gar nicht mehr gearbeitet. Für den ein-
heimischen Kunstfreund werden nur uoch die Kakemono,
meist mit schwarzer Tusche, gemalt. Es sind dies
schmale Streifen von Papier oder Seide, welche zur
besseren Erhaltung anf Leinwand geklebt, mit Brvkat-
stoffen umrahmt und an den Wänden aufgehängt
werden. Der Japauer liebt es uicht, zu viele Bilder
in einem Zimmer aufzuhängen, an einer Wand höch-
 
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