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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 18.1883

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Valentin, Veit: Laokoonstudien, [3]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5806#0217

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429

Nekrologe.

430

gänzliche Vernichtnng des friedlichen Heeres" ist: diese
ist aber nicht dargestellt, so daß das Beispiel für Lessing
spricht. Jnfolge dieses Mißverständnisses wird daher
die „lessingische Forderung" dahin abgeändert: „es hängt
vielmehr bei der Wahl des darzustellenden Augenblicks
durchaus von der Befchaffenheit der darzustellenden
Handlung selbst ab, ob die höchste Staffel des
Affektes, ein vorhergehender oder ein folgender Augen-
blick sich am besten zur Darstellung eignet" (S. 35).
Bei dem sich daran schließenden Beispiele vom Tell-
schuß wird der Schuß selbst als diese höchste Staffcl des
Affektes betrachtet und als „eminent transitorische Art
der Handlung" von der Darstellung ausgeschlossen, ein
Ausdrnck, der freilich hier noch gar nicht zu Verstehen
ist, da die die Grundlage bildende Behandlung des Trans-
itorischen erst im zweiten Teil kommt. Selbstverständlich
ist fernerhin der Schuß kein Affekt, sondern eine Hand-
lung, was hier wieder als gleichbedeutend gebraucht
wird. Es bleiben daher nur der Augenblick vor und
der nach dem Schuß. Der Grund, weshalb gewöhnlich
der letztere Moment gewählt wird, liegt viel näher als
Blümner glaubt: nicht jeder Schütze, der zielt, trifst
auch; erst der Schütze, der den Apfel getroffen hat, ist
der Tell. Dies ist auch der Grund, weshalb nicht der
Schuß selbst dargestellt wird: es müßte durch einen
fliegenden Pfeil geschehen — ein solcher ist darstellbar,
nicht äber, daß es ein tresfender Pfeil ist. Blümner
faßt dann S. 37 seine Regel zusammen. Hier heißt
der Höhepunkt der Handlung „der Culminationspunkt
der Handlung" und wiederum wird außer diesem selbst
auch ein früherer oder ein späterer dem Künstler zur
Verfügung gestellt. Die ganze Auffassung des späteren
Momentes ist aber erst durch das Mißverständnis von
„Höhepunkt der Handlung" und „höchste Staffel des
Affektes" entstanden, und Lessing hat nichts damit zu
thun. Selbstverständlich bleibt durch eine derartige Er-
klärung Lessings Gesetz durchaus unberührt. Wenn
man Lessing bekämpfen will, muß man ihn erst ver-
stehen. Von dem Kommentator des Lessingschen Laokvon
wäre das allerdings zu erwarten. Die Thatsache
spricht dagegen.

Lcit Valcntin.

Nekrologe.

Baron Charlcs Davillier ist am i. März, 59 Jahre
alt, zu Paris einem Gehirnschlage plötzlich erlegen. Jn
ihm verliert die französische Kunst einen ihrer hervor-
ragendsten Kenner und Sammler, mit dem sich an
Vielseitigkeit der Kenntnisse nnter den lebenden Fach-
genossen wohl nur Eugbne Piot messen konnte. Er
entstammte einer Pariser Familie und hatte, von frühe-
ster Jugend von ausschließlicher Liebe zu den Künsten
beseelt, seine ganze Zeit und einen beträchtlichen Teil
seines sehr bedeutenden Vermögens darauf verwandt,
sich durch Studien, Reisen unv Samrneln jene aus-

gebreiteten Kenntnisse, jenen sicheren Blick und jenes
treffende Urteil zu bildeu, die ihn als Kenner und Ge-
lehrten von den meisten Sammlern und Kunsthändlern
der französischen Hauptstadt nnterschieden. Jn dem
Hause, das er in der Rue Pigalle bewohnte, hatte er
seine Schätze an Möbeln, Teppichen, Bronzen, Medaillen,
Emails, Elfenbein- und Glasarbeiten, Waffen, Majo-
liken und Schmucksachen — in beiden letzteren Speziali-
täten galt seine Sammlung als einzig in ihrer Art —
in geschmackvollster Weise aufgestellt und war stets
bereit, die sich dafür Jnteressirenden in seiner freund-
lich bescheidenen, mitteilsamen Weise niit ihnen bekannt
zu machen, oder in zweiselhaften Fällen sein Urteil ab-
zugeben, das bezüglich der Keramik überhaupt, dann
der Kleinkünste der Renaissance und besonders jener
Spaniens, die er eigentlich erst der Kenntnis erschlossen
nnd deren geschichtliche und technische Entwickelung er
auf wiederholten Reisen durch jenes Land aufs gründ-
lichste kennen gelernt hatte, in den Kreisen der Kunst-
freunde als maßgebend galt. Die Resultate seiner
Studien hat Davillier in einer Reihe von Mono-
graphien niedergelegt, die, meist mit großem Aufwand
ausgestattet und in sehr beschränkter Auflage gedruckt,
bald nach ihrem Erscheinen vergriffen waren und heute
zu den Seltenheiten des BUchermarktes gehören. Seine
erste Arbeit, die zugleich für die Kenntnis des Gegen-
standes grundlegend war, ist die 1861 erschienene
„klistolrs ckos tuisnoss lii8pg.no-manrssgnss". Zwei
Jahre darauf folgte die „Uistoirs äss kglsnoss st por-
oslginss äs Uonstisrs, NgrssiUss st gntrss kgbri-
gnss rnsriäiongtss", — eine Entdeckungsreise in Ge-
biete, die bis dahin nicht beachtet noch gekannt waren.
Als Resultate langjähriger Reisen und Studien er-
schienen sodann seine Werke über Spanien: zuerst das
von Dorö mehr phantastisch als lehrreich illustrirte
„löblsxgKns" (1874), als Übersicht der Denkmäler der
Kunst und Jndustrie des Landes und ihrer Entwickelung
noch heute sehr wertvoll; dann „Us8 ^.rts äöoorgtiks
sn ILsxgAns gn wozisn gZs st g Ig rsngissgnos" (1878),
ursprünglich als Führer für die einschlägige Abteilung
der Trokaderoausstellung des Jahres 1878 verfaßt,
aber weit über den augenblicklichen Zweck wertvoll
und bedeutend; endlich die „ksolisrLliss snr I'orkövrsris
sn DsxgZns gn mo^sn gAS st g Ig rsngissgnos" (1880),
das letztere Werk mit einer großen Anzahl faksimilirter
Werkzeichnungen spanischer Goldschmiedeinnungen, ins-
besondere jener von Barcelona ausgestattet. — Über
der Vollendung einer „Ilistoirs äs Ig Oörgmigns sn
üsxggns" hat ihn der Tod ereilt, dagegen war es ihm
noch vergönnt gewesen, in den 1882 erschienenen „Origi-
nss äs 1g xoroslgins sn ünroxs" seine Forschungen,
insbesondere über die von den Medici patronisirte
früheste europäische Porzellanindustrie, veröffentlichen zu
können. Neben mehreren kleineren Arbeiten besitzen
wir sodann von Davillier noch ein Buch über den
frühverstorbenen spanischen Maler Fortuny, ein schönes
Denkmal der innigen Freundschaft, welche die beiden
verband. Davillier starb kinderlos; es heißt, die kost-
barsten Stücke seiner Sammlung, wie man Gelegen-
heit hatte sie auf allen retrospektiven Ausstellungen der
letzten Jahre zu bewundern — denn anch in dieser
Richtung war ihr Eigentümer von seltener Liberalität —
seien letztwillig dem Louvre^vermacht.

0. v. ü.
 
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