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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 18.1883

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Alte Wandgemälde in Schwaben
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https://doi.org/10.11588/diglit.5806#0296

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Alte Wandgemälde in Schwaben.

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listensymbolm, in ähnlich altertümlicher, aber weicherer
Darstellung.

Dem vierzehnten Jahrhundert gehören an:
die schon länger bekannten Malereien im sogen. Ehinger
Hof zu Ulm, in der 1380 gestifteten Veitskapelle sowie
in der Dorfkirche zu Mühlhausen a. Neckar (bei Cann-
stadt), in der St. Annakapelle zu Kirchheim im Ries
(1388 und 1398) und in der Sakristei der Kloster-
kirche zu Alpirsbach. Sodann die neuerlich aufgedeckten
im Turm der Kirche zu Gemmrigheim, in der östlichen
Kapelle der Heiligeukrcuzkirche zu Gmünd, in der
Stadtkirche zn Mcngen, im Sommerrefektorium des
Klosters Bebenhausen (jetzt königl. Jagdschloß), und
insbesondere der ausgedehnte Cyklus von Wand- und
Deckenmalereien im Chor der Kirche zu Schützingen
bei Maulbronn, entdeckt und restaurirt 1881 und 1882,
welche noch viel von dem Charakter der spätromani-
schen Werke an sich tragen (s. die kurze Notiz darüber
in Nr. 13 der Kunstchronik, Jahrg. 1883, sowie die ein-
gehende Beschreibung im Christl. Kunstbl. Nr. 11, 1882).

Viel zahlreicher als aus den vorhergehenden Jahr-
hunderten sind uns Wnndmalereien aus dem fünf-
zehnten erhalten. Jhrem Charakter nach uoch der
vorigen Epoche angehörend sind diejenigen im Mittel-
schiff der Klosterkirche zu Maulbronn, von Magister
Utrich, dem ersten Malernamen an Wandgemälden in
Wllrttemberg, aus dem Jahre 1424, (Anbetung der
heil. drei Könige, Stiftung des Klosters Maulbronn),
die nvch viel von dem streng altertümlichen Stil der
früheren Zeit an sich haben, wis auch die musizirenden
Engel am Gewölbe einer der Kapellen an der Süd-
seite des rechten Seitenschiffes ebendaselbst, Gestalten
von außerordentlicher Licblichkeit. Was dann die nicht
bloß der Entstehungszeit sondern auch dem Geiste nach,
der sie beseelt, dem fünfzehnten Jahrhundert angehvri-
gen Werke betrifst, so ist nicht zu verhehlen, daß ihr
Stil bis etwa zur Mitte des Jahrhunderts merklich
sinkt, die Darstellungen wohl lebhaft, realistisch und oft
humoristisch, vielfach aber auch haudwerksmäßig sind.
Erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hebt
sich im ganzen und großen der Stil zu jener Höhe,
die das um 1470 gemalte und kürzlich wieder auf-
gedeckte und unlängst von W. Lübke in der „Zeitschrift"
püblizirte Äüngste Gericht über dem Triumphbogen im
Ulmer Münster zeigt, „nach Ausdehnung, Entwurf und
Schönheit eines der ersten Werke deutscher Wandmalerei.
Die reine, ungezierte, harmonische Haltung des romani-
schen Stiles und seine Feierlichkeit ist wieder gewonnen,
dabei ein neues, vielverschlungenes, oft bis zur Leiden-
schaft gesteigertes Leben, über allem aber eine tiefsinnige
Anmut." Diese Blüte dauert bis in die Nenaissance
hinein; dies zeigt z. B. das Wandgemälde dcr
Hospitalkirchc zu Stuttgart (1479) ferner die Wand-

und Gewölbemalereien im Chor der Kreuzkirche zu
Nußdorf (Oberamt Baihingen), in der Kirche von
Weilheim unter Teck (nach 1489), durch Gegenstand
und Aufsassung bedeutende Darstellungen, unter anderem
der berühmte große „Rosenkranz", — in der Krypta
der Klosterkirche und in der Friedhofskirche zu Denken-
dorf (nach 1462), und die nur erst teilweise aufge-
deckten Wandgemälde in der Schloßkapelle zu Kilchberg
(bei Tübingen). Außerdem gehören diesem Jahrhundert
an die Gemälde in der Katharinenkirche zu Hall, der
Ottilienkirche zu Plochingen, der Herrgottskirche zu
Creglingen, im Chor der Oberhofer Kirche bei Göp-
pingen, der Alepanderskirche zu Marbach, dem Winter-
refektorium zu Bebenhausen, in der Kirche zu Wachen-
dorf (bei Horb), der Spitalkapelle zu Ravensburg, der
Kapelle des Weikmannschen Hauses, am Rathaus und
aus dem abgerissenen sogen. „Kirchle" zu Ulm, im
Kreuzgang und der daranstoßenden Kapelle zu Blau-
beuren und in einer Kapelle der Kirche zu Beuren
(Oberamt Nürtingen).

Bom Beginn des sechzehnten Jahrhunderts
endlich datiren die Malereien im Refektorium des
Klosters zu Lorch, im Turm der protestantischen Kirche
zu Kirchheim im Ries, im Chor der Kirche zu Eris-
kirch, in einem Anbau der Stiftskirche zu Öhringen
(der sogen. „Hölle"), im Turm der protestantischen
Kirche zu Jsny, im Kirchlein zu Mittelroth bei Gail-
dorf (großes spätgotisches Wandbild der Steinigung
des heil. Stephanus) und dem kleinen dreischiffigen
Hallenkirchlein zu Effringen (Oberamt Nagold), deffen
Gewölbe eine schon ganz in die Renaissance hinüber-
spielende Dekoration von Blättern, Früchten undMasken-
Werk zeigen. Mit dem Eintritt dieser neuen Stilepoche
schwindet dann auch die Wandmalerei ziemlich rasch;
an ihre Stelle tritt, insbesondere in den prächtigen
Grabdenkmälern des 16. und 17. Äahrhunderts, die
Schwesterkunst der Bildnerei.

Dies'eine flüchtige Übersicht des bisher Aufgedeckten;
eben so reich verspricht die Ausbeute der Zukunft zu
werden. Denn in manchen Kirchen, wie zu Bronn-
Weiler, Oferdingen und der Dorfkirche zu Mühlhausen
a. N., sieht man jetzt schon unter der Tünche die Ge-
stalten der alten Meister hervorschimmern; in andern,
wie zu Trochtelfingen, Pflaumloch, Oberstenfeld, Thal-
heim, weiß man von der sicheren Existenz von Wand-
gemäldeu; bei noch anderen, wie in den halbrunden
Chören der romanischen Kirchen zu Simmersfeld,
Brenz, Faurndau, vielleicht auch der Stistskirche zu
Ellwangen, kann man mit großer Wahrscheinlichkeit
auf solche schließen, und endlich versprechen auch die
besonders im Remsthale häufigen frühgotischen Kirchen
mit Osttürmen gerade an den Gewölben der letzteren
noch manchen überraschenden Fund.
 
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