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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 18.1883

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Frimmel, Theodor von: Ausstellung alt-orientalischer Stoffe im Österreichischen Museum, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5806#0298

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591

Kunsllitteratur.

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zur Geltung kamen. Was schließlich die technische
Herstellung der römisch-byzantinischen olavi betrifft,
so bietet unser Fund seine Exemplare nur in Wollen-
gobelins nnd mehrfach in Purpurgrnndirung ausge-
flihrt."

Noch ein gewiß für viele Kreise interessantes Fac-
tum muß hervorgehoben werden. Die Ausstellung ent-
hält die älteste Probe eines Zeugdruckes niittels
Ornamentmodells. Diese kvnnnt als Bekleidung
einer kleinen Puppe vor, welche schon an und für sich
hohes Jnteresse gewährt. Das Spielzeug ist in ein-
facher Weise aus bunten Lappen und Rohrstäbchen
hergestellt und wurde, wie uns der Fund lehrt, einem
Kinde mit ins Grab gegeben.

Jch kann nicht schließen, ohne ein Wvrt über die
Ausdauer und über den Feuereifer 'zu sagen, nnt
welchen Herr Graf auf Anregung seines gelehrten
Freundes Karabacek die Durchsuchung Ägyptens nach
Stoffen aus griechisch-römischer Zeit unternommen
hat. Der Dienst, den er damit der Wissenschaft er-
wiesen hat, verdient die wärmste Anerkennung.

Th. Frimmel.

Aunstlitteratur.

Handbuch der Linear - j)srspektive für bildende
kiünstler. Mit Unterstützung des k. k. Ministeriuins
für Kultus und Unterricht herausgegeben von G.
Niemann, Architekt. Stuttgart, W. Spemann.
XV u. 33 S. mit 18 Taff. Querfol.

Dieses neue Handbuch der Perspektive unterscheidet
sich nicht nur durch seine äußerst gefällige, echt künst-
lerische Ausstattung vorteilhaft von den meisten gang-
baren Kompendien des Faches: es besitzt auch in seiner
ganzen Anlage und vor allem in der durchaus ratio-
nellen Behandlung des Gegenstandes derartige Vvr-
züge, daß wir es der Künstler- nnd Lehrerwelt nur
angelegentlichst empfehlen können.

Der Autor beginnt mit einem Rückblick auf die
Geschichte der Perspektivlehre, welche als Wissenschaft
bekanntlich erst in der modernen Zeit anftritt. Die
Alten beobachteten zwar dieperspektivischen Erscheinungen
und waren sich ihrer Gesetzmäßigkeit bewußt, aber
zu der Urnwandlung der Beobachtungen in Konstruk-
tivnen auf der Bildtafel kamen sich nicht. Was in den
antiken Geinälden, z. B. den pompejanischen Wand-
malereien, als perspektivisch erscheint, ist nur durch
Empirie gewonnen, nur annähernd richtig, nach kon-
ventionellen Regeln gemacht, nicht aus einer klaren
Erkenntnis der dem perspektivischen Bilde zu Grunde
liegenden geometrischen Gesetze hervorgegangen. Das
war der Standpunkt der von Vitruv geschilderten
„Skenographia", wie sie bei Dekorationsmalereien in

Wohnräumen und ebenso auch auf der Bühne von
griechischen und römischen Künstlern angewe-ndet wurde.
Das blieb demzufvlge auch das Niveau der altchrist-
tichen wie der mittelalterlichen Kunst. Erst in der
Renaissance folgt auf die Entwickelung des Raum-
gefühls langsam die Ausbildung der theoretischen Per-
spektive. Zur wirklichen Wissenschaft wurde dieselbe
nicht vor dem 18. Jahrhundert gestaltet. -— Nie-
mann charakterisirt kurz die Gesichtspunkte der Praxis
und der Theorie in den verschiedenen Perioden der
Renaisiance.

Als Beispiele fllr die noch unfreie, tastende Hand-
habung der erkannten perspektivischen Gesetze dienen
vor allem die Gemälde des Benozzo Gozzoli mit ihren
zwei Fluchtpunkten und zwei Horizonten. Völlig klar
über die Hilssmittel der Perspektive war dagegen der
ihm sonst in mancher Hinsicht verwandte Carpaccio.
Der von diesen Meistern u. a. angestrebten malerischen
Anordnung tritt sodann bei den Umbrern und späteren
Florentinern das System strenger Symmetrie gegen-
über (Perugino, Ghirlandajo). Darauf beruht Raffaels
vollendete Kompositionsweise, in welcher die konver-
girenden Hauptlinien der Architektur und der Figuren-
gruppen so geordnet sind, „daß sie das unwillkürlich
diesen Linien folgende Auge dem geistigen Mittelpunkte
des Bildes zuführen" (Disputa, Schule von Athen).
Neben Raffael steht der geniale Neuerer Correggio,
der die perspektivische Berechnung in die Sphäre des
Überirdischen überträgt und die himmlische Welt mit
ihren Glorien von der Augenhöhe des unten stehcnden
Beobachters aus konstruirt. Jn der dekorativen Gewölbe-
malerei der Barockzeit feiert diese Richtung ihre höchsten
Triumphe; „oberhalb der Gesimse baut sich die ge-
malte Fortsetzung der Architektur auf", — „mit dem
Durchblick auf den Himmel". Es ist eine höhere Jn-
stanz der antiken „Skenographie". Eine besondere
Entwickelung nimmt die Perspektive in der Landschaft
und im Architekturgemälde. Hier ist die Raumdar-
stellung Selbstzweck. Die stilistische Landschaft dcs
16. Jahrhunderts hat einen architektonischen Charakter;
sie baut die Natur auf und komponirt sie wie ein
Stück Weltbühne. Anders die eigentliche Landschaft
des 17. Jahrhunderts, mit ihrem niedrigen Horizont,
ihrer fein abgewogenen Wiedergabe der atmosphärischen
Erschcinungen. Jn ihr findet die Naturschilderung
ihren Abschluß, und zugleich die perspektivische Dar-
stellung in der Luftperspektive ihre Grenze.

Mit der künstlerischen Praxis ging die wissen-
schaftliche Theorie stets Hand in Hand. Die Grundbe-
griffe der Perspektive hat zuerst L. B. Alberti in seinem
Buche von der Malerei aufgestellt, und zwar im An-
schluß an Euklid. Die älteste vollständige Abhandlung
über Linearperspektive enthält der bisher ungedruckte
 
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