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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 18.1883

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Die Wandgemälde von Oberzell auf Reichenau
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Bredius, Abraham: Aus den Haager Archiven, [7]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5806#0304

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603

Aus den Haagsr Archiven.

604

wickelung der mittelalterlichen, besonders nordischen
Kunst aus der Wurzel der römisch-christlichen nicht bloß
auf dem Gebiete der Miuiatur, sonderu auch auf dem
der Malerei ini weitesten Sinne stattgefunden had

Was den Zeitpunkt der Entstehung des Cyklus
anlangt, so setzt ihn Prost Kraus in die Zeit des Um-
baues der Kirche unter dem Abt Witigowo, etwa in
die Äahre 984—990. Kurz vorher, um 975, hatten
die Reichenauer Mvnche Heribert und Herald höchst
wahrscheinlich das Evangeliar des Erzbischofs Egbert
von Trier gemalt; um dieselbe Zeit war die Kloster-
kirche zu Petershausen bei Konstanz, wahrscheinlich auch
durch Mönche aus der Reichenau, mit Gemälden ge-
schmückt worden. Die Verwandtschaft unserer Wand-
bilder mit den Darstellungen des Egbertcodex ist auf-
faklend; beide scheinen von Künstlern herzurühren, die
durch einen Aufenthalt in Jtalieu sich mit der dortigen
Kuustübung auf Grundlage altchristlicher Tradition
näher vertraut gemacht hatten. Gegen diese sriihe
Datirung wurde der scheinbar romanische Charakter
des aufsteigenden Rankenornaments in den senkrechten
Streisen, welche sich zwischen den einzelnen Bildern
hinziehen, geltend gemacht. Allein ganz verwandter
Richtung entspringende und llberaus ähnliche Orna-
mentmotive finden sich in einer Bordüre eines Anti-
phonars (Nr. 390) in St. Gallen aus der zweiten
Hälfte des 10. Jahrhunderts, am Grabstein Hatto's
im Mainzer Dom und am Antepeudium Heinrichs II.
aus dem Dom zu Basel (jetzt im Musöe Clunp zu
Paris). Genau dasselbe Motiv findet sich sodann in
der im 9. und 10. Jahrhundert gemalten berühmten
Bibel von St. Paul zu Rom, welche überdies auch
architektonische Motive enthält, die denen unserer Wand-
gemälde ähneln. Auch die Jnschriften auf den Reiche-
nauer Gemälden, durchaus in den, den altrömischen
nachgebildeten Kapitalen, wie sie im 10. und 11. Jahr-
hundert am Rhein üblich waren, gemalt, zeigen noch
keine Spuren der arrondirenden Tendenz der Schrift
des 12. Jahrhuuderts mit ihren Jneinanderschiebungen,
Ligatureu rc. Am deutlichsten aber widersprechen
einer späteren Entstehung in romanischer Epoche Aus-
fassung und Tppen unserer Gemälde selbst: der Abstand
derselben selbst schon gegen die Typen auf Gemälden
vom Ende des 11. Jahrhunderts, in denen sich die
Herrschaft der nordischeu Phantasie entgegeu der römisch-
christlichen Tradition deutlich geltend macht, tritt wesent-
lich und handgreiflich hervor.

Auch das Jiingste Gericht und die Kreuzigung
nu der Außenseite der Westapsis setzt Prof. Kraus
nicht viel später als um das Jahr 1000. Die von
den Gemälden des Schiffes verschiedene Behandlung
erkärt sich hier aus dem kleineren Maßstabe, welcher
eine sorgfältigere Ausführung naturgemäß mit sich

brachte, daher einen glatteren und sorgfältiger behandel-
ten Wandverputz forderte. Übrigens haben — es sei
dies nebenbei bemerkt — genaue Untersuchungen er-
geben, daß hier ebensowenig von einer Ausführung in
Fresco die Rede sein kann, wie bei den Bildern des
Mittelschiffes. Der Farbenauftrag geschah in beiden
Fällen a tsmxsru, dort auf einen sehr rauhen, hier
auf einen geglätteten Mörtelgrund, doch kam als
Bindemittel Eiweiß oder eine andere Masse zur An-
wendung. Die gegenständliche Behandlung der Dar-
stellung enthält ebenfalls nichts, was zu einer späteren
Datirung nötigen würde. — Auch der Chor war ur-
sprünglich bemalt; an der nördlichen Stirnwand des-
selben wurde eine betende Figur, unter einer von zwei
korinthischen Säulen getragenen Arkade stehend, bloß-
gelegt. Am Chorbogen treten einige Rundmedaillons
mit Brustbildern hervor, von denen eines Christus
darzustellen scheint. Die wenigen erhaltenen Buch-
staben einer Jnschrift tragen auch hier den Charakter
des 10. bis 11. Jahrhunderts. Auch die Säulen des
Schiffes waren mit einem tiefroten Ton bemalt, ebenso
die Kapitäle, deren Ornament vermutlich zuvor ein-
geätzt war.

So wäre uns denn in den Wandbildern des
Mittelschiffes, wenu man von den Resten fränkischer
Stucco's im Trierer Dom absieht, das einzige Denk-
mal der Monumentalmalerei in Deutschland erhalten,
das noch vor das Jahr 1000 zu setzen ist, in dem
Jüngsten Gericht aber die älteste Darstellung dieses
Gegenstandes überhaupt (dasjenige in S. Angelo in
Formis stammt erst aus dem Jahre 1075), und in
vieler Hinsicht auch die interessanteste. Noch im Lause
des Jahres soll eine von der badischen Regierung sub-
ventionirte würdige Publikation dieser Kunstschätze er-
scheinen, deren sorgfältige Erhaltung überaus erwünscht,
jedoch von der Konservirung der iu mancher Beziehung
restaurationsbedürftigen Kirche des heil. Georg ab-
hängig erscheint. 0. v. I'.

Aus den Ijaager Archil'en.
vou A. Lredius.

X.

Johannes Porcellis.

Es scheint, daß dieser Seemaler, dessen seltene
Bilder zu dem Bedeutendsten gehören, was je aus
diesem Gebiete gemalt worden ist, ein vielbewegtes Leben
geführt hat. Sein Geburtsjahr ist uns bis jetzt ver-
borgen; aber in den „Rotterdamsche Historiebladen"
von Scheffer und Obreen finden wir seine erste Heirat
aufgezeichnet. Am I. Mai 1605 heiratete Jan Per-
cellis, ZcmgASüsI van Oont^, der in der Lombard-
 
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