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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 18.1883

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Lützow, Carl von: Heinrich Freiherr von Ferstel
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https://doi.org/10.11588/diglit.5806#0331

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H8. Iahrgang-

Beiträge

sind an ssrof. Dr. L. von
Lützow (Wien, There-
sianumgaffe 25) oder an
die verlagshandlung in
Leipzig, Gartenstr. 6,
zu richten.

26. Zuli

Nr. 3Y.
Inserate

d 25 ssf. für die drei

Buch- u.Runsthandlung
angenommen.

^883.

Veiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunft.

Grscheint von Vktober bis Lnde Iuni jede woche am Donnerstag, von ^uli bis Ende September alle Tage, für die Abonnenten der ,,Zeitschrift
für bildende Runst" gratis; für sich allein bezogen kostet der Iahrgang 9 Mark sowohl im Buchhandel als auch bei den deutschen

und österreichischen Z?ostanstalten.

Inhalt: Heinrich Lreiherr von Lerstel f. — Hansen-Iubiläum. — Iohann Alein 1-; tzermann walde f-; G. Fabris -f. — Aatalog der Inter-
nationalen Runstausstellung zu München; sshotographien vom Altarwerk in der Rirche zu Güstrow. — Archäologische Funde in Rom. —
2ionkurrenz für den Lrweiterungsbau der königlichen Museen in Berlin; Ronkurrenz zur Ausschmückung des Sitzungssaales des ostpreußi-
schen provinziallandtages in Aönigsberg; Aonkurrenz um den Neubau des nordischen Museums in Stockholm; Ronkurrenz zur wieder-

Kuustchronik Rr. 40 crschcint am 9. August. "WC

hcinrich Freiherr von Ferstel f.

Der unerbittliche Tod hat wieder einen der besten
Männer plvtzlich aus unserer Mitte fortgerissen: Hein-
rich Freiherr von Ferstel, der Schöpfer der Wiener
Votivkirche, des Österreichischen Museums. der ueuen
Univcrsität und so mancher anderen architektonischen
Zierdcn der Kaiserstadt, ist am 14. d. M. im Alter
von 55 Jahren einem akut aufgetretenen Lungenleiden
erlegen. Die Kunde von diesem erschUtternden Ereig-
nisse wird wcit über die Grenzen Österreichs hinaus
bei allen Freunden der Kunst schmerzliche Teilnahme
gefunden haben. Für Wien bedeutet dasselbe einen
dcr schwersten Verluste, vou denen sein ohnedies mannig-
fach bedrohtes Kunstleben heimgesucht werden konnte.

Es ist nicht das glänzende Schaffen allein, nicht
die stolze Reihe seiner den Lesern dieses Blattes wohl-
bekannten Werke: es ist der ganze Mann in seiner
edlen Eigenart, in dem Reichtum und in der Harmonie
seiner Fähigkeiten, was uns die Schwere dieses Todes-
falles so ticf empfindcn macht! Fcrstel gehvrte zu jcncn
in unserer Zeit immer seltener werdenden Naturen, deren
ganzes Wcsen, Denkcn und Empfinden von der Kunst,
welcher cr sein Lebcn geweiht, durchglüht und gcadelt
wurde. Er war Architekt im Sinne jcner großen Altcn,
welche in der Baukunst nicht nur ein vereinzeltes Fach,
nicht bloß das veredelteBaugewerbe, sondern jene allum-
fassende Kunst der Künste erblickten,die mit ihren Segnun-
gen das gesamte Menschenleben zu umfassen, überall
heilige Ordnung, Maß und Schönheit zu verbreiten hat.

Durch sein ganzes Leben hindurch läßt sich diese
erhabene und zuglcich durchaus humane Auffassung
seines Berufs verfolgen; auf die Verwirklichung der-
selben sahen wir ihn unabläsfig alle die seltenen mensch-
lichen Eigenschaften richten, welche seinen Charakter
ausmachten. Von jenen Tagen der Anfänge des neuen
Wien, in denen die Probleme eines rationellen Wohn-
hausbaues die Gemüter beschäftigten, bis herab zu
unsererGegenwart, welcher die Aufgabe zufällt, zu voll-
enden, was damals begonnen worden ist, in allen
Stadien dieses großartigen Entwickelungsprozesses einer
modernen Weltstadt hat Ferstel seine Slellung in dem
oben angedeutetenSinne festgehalten. Wie er imPrivat-
bau das Familienhaus betont wissen wollte und als
Gründer des reizenden Cottage-Viertels dieser Jdee Ge-
stalt verliehen hat: so sollte nach ihm auch dieGesamtheit
der Stadt ein einheitlich organisirtes Wesen darstellen,
welches nach rationellen Grundsätzen angelegt und ver-
waltet, nicht willkürlich und chaotisch vegetirt, sondern
den Vorschriften der Gesundheitspflege, der Zwcck-
mäßigkeit und der Schönheit entsprechend seine ge-
waltigen Glieder bewegt und ausbreitet. Noch die
letzte Schöpfung, an welcher der Verewigte regen An-
teil nahm, die Grllndung des neuen Parks auf der
„Türkenschanze", hängt mit dieser Anschauungsweise
innig zusammen. „Wollt ihr" .— so sagte Ferstel —
„das Jubeljahr der Besreiung Wiens von der Türken-
gesahr würdig begehen, so verwandelt jene öde Hoch-
ebene, von der das deutsche Schwert einst den Türken
vertrieb, in eine neue schattige Luftquelle Wiens, von
 
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