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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 18.1883

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Matejko's "Sobieski vor Wien"
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Matejko's „Sobieski vor Wien''

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Matejko's „Sobieski vor lVien".

6. v. t?. Jm Saale der Wiener Gartenbauge-
sellschaft ist seit einigen Tagen Matejko's neuestes
Werk dem öffentlichen Besuch ausgestellt. Gegenstand
desselben ist die Glorifizirung des Polenkönigs Sobieski
als Befreiers der Stadt Wien von der Türkenbelagerung
d. I. 1683. Man kann es in zwiefacher Richtung
als Tendenzbild bezeichnen: einmal weil es zu den
Festlichkeiten, womit die Kaiserstadt die 200 jährige
Erinnerung an das erwähnte Ereignis eben beging,
vorbereitet gewesen zu sein scheint, wenigstens mit ihnen
gleichzeitig an die Öffentlichkeit trat; zweitens weil es
dem Polenkönig die ausschließliche Hauptrolle bei der
Besreiung Wiens vindizirt. Ob freilich die dargestellte
Scene den letzterenZweck am wirksamsten erreicht, bleibt
eine offne Frage. Wahrscheinlich war bei ihrer Wahl
die Rücksicht dasür mit maßgebend, daß das Bild zu
einem Geschenk des Künstlers an den Pnpst bestimmt
ist. Doch treten wir vor das Gemälde selbst!

Es ist eine jener kolossalen Leinwandflächen, wie
wir sie von Matejko's Pinsel bemalt zu sehen gewohnt
sind. Den Mittelpunkt der Darstellung nimmt die
Gruppe des Polenkönigs und seines jugendlichen Sohnes,
beide zu Pferde, ein. Der König, an der Spitze seines
Heeres, dessen Scharen bis tief aus dem Hintergrunde
des Bildes nach vorne marschiren, überreicht dem vor
ihm stehenden Krakauer Domherrn Dönhoff ein Schrei-
ben an den Papst, das diesem die Siegesnachricht mit-
teilen soll. Rechts von der Hauptgruppe drüngen sich
die Feldherrn der Hilfstruppen und des Besatzungs-
heeres an den König heran: allen voran der Herzog
von Lothringen, hinter ihm Graf Stahremberg mit
Bischof Kolonitsch, der Hosmarschall FUrst Lubomirski
mit dem Bürgermeister von Wien und Markgras
Ludwig von Baden, alle zu Pserde, den Sieger mit
begeistertem Zurus begrüßend. — Dieser Partie das
Gleichgewicht haltend, nimmt die linke Seite des Ge-
niäldes eine farbenprächtige Gruppe der polnischen Heer-
führer ein, vor dem königlichen Zelte versammelt.
Jm Vordergrunde vor dem König rollt ein polnischer
Krieger im Schuppenpanzer und Pantherfell die Fahne
Mohammeds auf, die nach Rom gesendet werden soll,
während zu seinen Füßen die Leichen eines türkischen
Kriegers und eines Christenweibes die Bildfläche nacb
vorn begrenzen. Rechts schließen sich daran die sitzen-
den Gestalten eines arabischen und türkischen Gefange-
nen, der letztere ein Charcikterkopf von seltener maleri-
scher Vollendung, und in der rechten Ecke zwei Muske-
liere, der eiue verwundet auf eiuer Trommel sitzend,
der andere an einen Mörser gelehnt. Die linke Ecke
des Vordergrundes nehmen einige Troßknechte ein, die
mit dem Berpacken der Beute beschüftigt sind, während

rechts von ihnen der königliche Stallmeister für seinen
Gebieter aus der Beute die kostbarsten Waffenstücke
prüfend auswählt. Jm Hintergrunde ziehn sich links
die Höhen des Leopolds- und Kahlenberges hin, im
Mittelgrunde rechts liegt ein Teil der Stadt, mit ihrcm
Wahrzeichen, dem Stephansturm und der Minoriten-
kirche. Durch das stellenweise zerreißende schwere Ge-
wölk scheint das tiefe Blau des Firmaments, aus dem
sich ein farbenbunter, etwas hölzerner Regenbvgen auf
das prächtige Schauspiel senkt, während eine weiße
Friedenstaube den Zug Ler polnischen Heeresscharen
hoch in den Lüften begleitet.

Der vorstehend skizzirte stoffliche Jnhalt des Bil-
des, der — wenn man von deni wenig treffenden Be-
zuge der Hauptscene zu der weltgeschichtlich bedeutungs-
vollen That des Entsatzes von Wien absieht — eine
Fülle malerischer Momente bietet, ist, wie bei Matejko
gewöhnlich, trefflich gruppirt, die malerische Gestaltung
desselben geschickt durchgeführt. Leider geht jedoch vie
Wirkung dieser Vorzüge einerseits durch den Mangel
an historischem Stil, der vvn einer Menge pikanter,
raffinirt ausgeklügelter Kleinlichkeiten, die die Bedeu-
tung der Scene charakterisiren wvllen, ersetzt werden
soll, — andrerfeits durch das Fehlen jeglicher Luft-
perspektive zum größten Teil wieder verloren. Die
Schwäche seines Sehvermögens zieht dem Künstler in
letzterer Richtung Schranken, die zu überwinden ihm
bei den riesigen Bildflächen seiner Kompositionen immer
weniger gelingen will. Jn dieser Beziehung ist denn
auck Matejko's letztes Werk das Schwächste, was er
geschaffen hat: in vielen Partien desselben muß man
das Chaos der Fvrmen und Farben erst niühsam ent-
wirren, ehe es gelingt, den Absichten des Künstlers
einigermaßen zu folgen. Mancher Fehler in der Zeich-
nung, besonders in den zahlreichen Pferdefiguren,
manche verfehlte Berkürzung ist wohl auf dieselbe Rech-
nung zu stellen. Auch eine sonderbare Borliebe, ver-
schiedene Gegenstände nebeneinander in gleichen oder
wenigstens ähnlichen Farbentönen zu halten, trägt zur
Steigerung der Verwirrung in den Formen und der
Härte und Öde des Kolorits, bei aller Buntheit und
Farbenpracht desselben im Einzelnen, bei. Dagegen
bietet das Werk eine Fülle prächtiger Details nicht
bloß an Kostümen, Waffen, Schmuck und Geräten,
svndern auch in vielen der dargestellten Porträts dar.
Köpfe, wie die des Kanonikus Dönhoff, Stahrembergs,
des Stallmeisters, einiger der polnischen Großen — am
wenigsten leider jener der Hauptperson —- vor allen
andern aber der des greisen gefangenen Türkenpascha's,
sind vvn einer Fülle des Lebens, von einer geistvollen
Schärfe der Auffassung und einer Prägnanz des male-
rischen Ausdrucks, daß man, in ihre Betrachtung ver-
sunken, sür einigeAugenblicke das mißglückteStreben des
 
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