Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 18.1883

DOI Artikel:
Richter, Jean Paul: Ausstellung von Werken alter Meister in Edinburgh
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5806#0384
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
763

Kunstlitteratur.

764

Das Bild ist also in Venedig gemalt. Die Farben
haben ihre urspriingliche Frische ziemlich bewahrt. Dic
Stimmung ist überwiegend kühl gehalten, aber reich
an Nllancen. Die Geschichte des Bildes habe ich bis-
her nicht crmitteln können.

Der englische Modelicbling unter dcn altflvren-
tinischen Meistern, Sandro Bottieelli, ist in der
Ausstellung zunächst mit mehreren unechten Bildern ver-
treten, Madonnenbildern von der Hand seiner unbe-
holfenen Schüler und Nachahmer, denen man hier den
Ehrenplatz gegeben hat; was natürlich zur Folge hat,
daß das Kunstpublikum vor diesem elenden Zeug seinem
Enthusiasmus so recht freien Lauf läßt. Nun hat es
aber der Zufall so gefügt, daß über der Thür, gegen-
über jenen Fetischen, ein echtes Werk des Botticelli,
eine Krönnng der Jnngfrau in einer Lünette, hängt,
nicht unter dem Namen des Meisters, dem cs offenbar
angehört, sondern unter dem seines Lehrers Filippo
Lippi. Es ist dies eine ganz lrefsliche Kompositivn,
voll Leben und Feuer, offenbar ein Jugendwerk, wie
sich besonders aus der Zeichnung der Hände ergiebt.
Aber Lippi genießt nicht den Vorzug der Popularität,
nnd so muß dieser pseudonym aufgehängte Botticelli
es sich gefallen lassen, daß die Menge der Berehrer
seines Namens ihm gleichgiltig den Rücken zuwendet,
um seine zügellvse Begeisterung an unbeabsichtigte,
gutgemeinte Karikaturen zu vergeuden. Jch möchte
fast behaupten, daß das Gute und Bedeutende unter
den italienischen Bildern der Sammlung bei der Aus-
wahl, welche die Direktion in Privatsammlungen an-
stellte, mehr dnrch Glückszufälle als durch Verstandes-
erwägungen vor die Öffentlichkeit gebracht worden ist.
Die Aufstellung solcher Bilder inmitten ganz gleich-
giltiger und bedeutungsloser Dekorationsstücke läßt in
der Regel viel zu wünschen übrig. So z. B. bei
einem Predellenbilde von L. Signorelli, „Das Gast-
mahl beim Pharisäer Simon" darstellend, im ganzen
22 Figuren. Links eine Gruppe diskutirender Männer,
rechts eine Tafel, an welcher zehn Figuren sitzen. Zu
änßerst rechts bemerkt man Christus und hinter ihm,
stehend, Maria Magdalena, welche mit dem Zeige-
singer der rechten Hand die Salbe auf den Scheitel
des Heilands streicht. Den Hintergrund bildet eine Land-
schaft mit weiteren Figuren.

Jn der Nähe diefes höchst geistreich behandelten,
kvstbaren Werkes finden wir ein Bildchen von Andrea
Schiavone, welches die Verspottung der Latona be-
handelt, ein Gegenstand, welchen in gleichem Format
Elsheimer in einem zweifellos echten signirten Bilde des
Fitzwilliam-Museums dargestellt hat. VonElsheimer
bcsitzt die Edinburgher Ausstellnng ein Mondscheinbild
mit Christus und den Jüngern in Emmaus unter einer
Laube sitzend (Besitzer I. Keyden, jnn., Esq.).

Unter den hnndert Handzeichnungen ans der
Sammliing von Francis Abbot, Esq., welche nüt allen
möglichen glänzenden Namen uns vorgestellt werden,
findet sich äußerst wenig von knnstgeschichtlicher Be-
deutung. Zn den schönsten gehört eine Tuschzeichnung
von Claude le Lorrain mit dem handschriftlichen
Vermerk in des Meisters bekanntem schlechten Jtalie-
nisch: „ponto oinoto (wohl für Uonte Nanimolo)
kaoota koro äs tivoltttt Weder die dem Lionardv
da Vinci, nvch die dem Raffael zugeschriebenen Zeich-
nungen konnen auch nnr im entferntesten Anspruch
auf diese Namen erheben. Aber solche Dinge sind
heutzutage nun einmal an der Tagesordnung. Wie
sich eine sv schnöde Profanirung geradc der größten
Künstler mit der im Prinzipe sv töblichen Absicht zu-
sammenreimen läßt, der Menge das Verständnis der
alten Kunst zu erschließen, das scheint die verantwort-
lichen Komito's und Direktionen heutigentages noch
ebensowenig zu künimern, wie vor 30 oder 50 Jahren,
wo Kennerschaft und kritischer Kunstverstand noch in
den Kinderschuhen einhertrollten.

London, im September 1883. I. P. Richtcr.

Aunstlitteratur.

peter Lornelius. Festschrift zu des großen Künstlers
hundertstem Gebnrtstage, 23. Sept. 1883. Von
Hermann Riegel. Mit vier Lichtdrucken und
vier Holzschnitten. Berlin, 1883. R. v. Decker's
Verlag. XXII und 457 S. 8".

Die Kunst der Gegenwart hat zwar eine Richtung
eingeschlagen, welche von den Wegen des Meisters, den
die obengenannte Festschrist seiert, sehr weit abweicht,
die Erkenntnis der geschichtlichen Bedeutung und künst-
lerischen Größe des Peter Cornelius ist aber derart
gewachsen, daß die bekannten Urteile über die Grenzen
seines Könnens dem Bilde nicht mehr Abbruch thun,
welches für alle Zukunst die Kunstgeschichte von dem
großen Manne festhalten wird. Es war darum ein
guter und glücklicher Gedanke des Verfassers, den
äußeren Anlaß zu benützen, um zur Lebensgeschichte
und Thätigkeit von Cornelius, zur Bestimmung seines
Charakters und seiner Persönlichkeit weitere Beiträge
zu liefern. Daß er hierzu besonders berufen war, so-
wohl im allgemeinen, als namentlich was die intimeren
Mitteilungen betrifft, kann nicht in Abrede gestellt
werden, da er vom 25. Oktober 1864 bis zum Todes-
tage des Meisters, 6. März 1867, seinen persvnlichen
Uwgang genoß. Das Buch zerfällt in fünf Haupt-
abschnitte: I. „Mein Umgang mitCornelius", II. „Briefe
und andere Schriftstücke", III. „Anderweitige Mit-
teilungen über die Person und das Leben von Corne-
lius", IV. „Nachrichten über verschiedene Werke",
 
Annotationen