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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

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Springer, Anton: Ed. Mandels Stich der Sixtinischen Madonna
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Fabriczy, Cornelius von: Reorganisation der Ecole des beaux-arts zu Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.5805#0036

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Reorganisation dsr Dools äss dsanx-arts in Paris.

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Vier hervorragende deutsche Kupferstecher haben
in diesem Jahrhundert ihre Kunst a« der Sixtinischcn
Madonna geiibt, jeder derselben hat das.Beste, dessen
er fähig war, in ihrer Nachbildung geleistet. Es wäre
unbillig, im Angesicht der neuesten, wie sich don Mandel
nicht anders erwnrten ließ, meisterhaften Wiedergabe
des Gemäldes die Verdienste der älteren Stiche schlecht-
weg zu vergessen. Der Kupferstecher verhält sich zum
Schöpfer des Origiuals ähnlich wie in der Binsik
der ausubende Knnstler zum Komponisteu. Eiue
Beethovensche Sonate wird von Rubinstein anders aus-
gefaßt als von Biilvw oder Clara Schumann. Schwer-
lich wird jemand behaupten, von dem einen unbedingt
schlecht, von dem andcren unbedingt gut. Jeder legt
etwas von seiner subjektiven Natur in das Original-
werk hinein, und hebt die eine, ihm zusagendcre Seite
desselben stärker hervor. Wir müssen es geltcn lasscn,
wenn nur kcin ganz fremdcr odcr gar entgcgengesetzter
Zug jencm beigcmischt wird. Das ist ja der uncnd-
liche Vorzug der künstlerischen Neproduktion vor dcr
mechanischen, mag die letztere noch so sehr durch äußere
Treue sich auszeichncn, daß in ihr das Original geistig
wiedergeboren wird. Es hießc vie ernste, Lebensauf-
gaben erfüllende Arbeit der älteren Mcister mit Undank
lohnen, wollten wir bei allem reichen Lobe, welches
die jüngste Wiedergabe verlangt und empsängt, jene
einfach ignoriren. Auf den ersten Blick gewahrl man,
daß Mandels Stich mit der Anffassung des Bildes
durch Friedrich Müllcr die nächste Berwandtschaft zeigt,
zu dem Kellerschen Blatte im grvßten Gegensatze steht.
Keller stand bekanntlich ini Banne der religivsen
Schule, welche von Overbeck die stärksten Jnspirationen
empsing, und hatle unmittelbar vvrher Raffaels Dis-
Puta verkörpert. Jhn ergriff am mächtigsten die
religivse Weihe, der ideale Schwung der Sixtina.
Die stärkste Betonung legte er auf den visionärcn
Charakter des Bildes. Diesem Punkte vrdnete er, ganz
seiner Natur gemäß, alle Einzelheiten nnter, nach diesem
Maßstabe behandelte er alle Formen. Sie durften nicht
zu scharf vortreten, ähnlich wie auch die farbigeu Kou-
traste eine leise Abdämpfung erfuhren. Mandel ging
von einem anderen Standpunkte aus. Jhn packte in
erster Linie die malerische Schönheit, die Formenvoll-
endung des Werkes. Jnnerhalb dieser Einrahmung
erst gab er dem visionären Charakter sein Recht. Er
sah das Gemälde farbiger als alle seine Vorgänger !
und legte auf die genaue Durchführung der Einzel-
heiten das größte Gewicht. Überaus sorgfältig, viel
genauer als namentlich auch in dem Stiche Müllers, er-
scheinen die Gewänder gezeichnet, die Falten modellirt.
Mit scharfer Bestimmtheit werden alle Formen hervor-
gehoben, ohne abcr daß die Harmonie des Ganzen
eine Schädigung erleidet. Um Mandel gerecht zu

werden, muß man besonders die Gewänder der Ma-
donna und der heiligen Barbara, sowie das Pluviale
dss Papstes studiren. Wie trefflich ist z. B. die gold-
gewirkte Borte des Papstmantels wiedergegeben, wie
genau der Wurf des Gewaudes der Madonna nach-
gebildet! Wunderbar gelungen ist dann weiter das
Antlitz der Madonna und die Köpfe der beiden Engels-
knaben, deren schalkhafter Ausdruck mit vollkommener
Wahrheit zur Geltung kvmmt. Die Gefahr, durch die
kräftigen Farbenkontraste die Einheit zu stören, ver-
mied er glücklich durch die geschickte Masseuverteilung;
während Papst Sixtus im ganzen heller gestimmt ist,
erscheint die heil. Barbara tiefer im Tone gehalten,
so daß die beiden Seiten ruhig gegeneinander abge-
wogen crscheinen. Die meisterhafte Stichclführung be-
darf kciner besonderen Erwähnung, sie ist bei Mandel
selbstverständlich. Auch das peinlich grübelnde kritische
Auge sindet höchstens einzelne Kleinigkeiten, wie die
lang zugespitzten Finger des einen Engels und den
scharfen Umriß des umgelcgten Zipsels Vvm Papst-
mantel, für einen Augenblick befremdend. Mandels
Wcrk steht mit Ler Richtung auf das Malerische,
Formenreiche und Formenscharfe, welche unsere Kunst
zu ihrem Heile eingeschlagen hat, in vollkommener
Übereinstimmung, und so wird auch seine Schöpfung,
die glänzendste Verkörperung der Sixtinischen Madonna,
ohne Zweifel ein Liebling allcr modernen Kunstfreunde
werden und bleiben.

Anton Springer.

Rcorganisation der Lools clos kosLirx-arts
zu paris.

Die seit langem vorbereitete und in den beteiligten
Kreisen sehnlich erwartete Reorganisation der Pariser
Kunstschule ist durch das vom Präsidenten der Republik
ani 30. Sept. d. I. genehmigte neue Statut, das so-
eben in Wirksamkeit tritt, zur Wahrheit geworden.
Dasselbe ist das Resultat langwieriger Beratungen
und Erwägungen, die im Schoße des obersten Schul-
rates der Anstalt und der Direktion der schönen Künste
zu deni Zwecke stattfanden, um sowohl Mißbräuche, die
sich durch laxe Befolgung des bisher geltenden Regle-
mcnts eingeschlichen hatten, zu beseitigen, als auch uni
Refvrnien anzubahnen, die geeignet wären, eine gedeih-
! liche Fortentwickelung der Anstalt sür die Zukunft zu
verbürgen.

Jn ersterer Richtung ist besvnders der Artikel des
neuen Statuts wichtig, welcher bestinimt, daß die zur
Teilnahme am Unterricht zugelasscnen Ausländer sich
hinfvrt allen dcn Verpflichtungen zn unterwerfen haben,
die für die inländischen Schüler maßgebend sind. Das
alte Statut hatte den ersteren gewisse Borrechte ein-
 
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