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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

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Fabriczy, Cornelius von: Reorganisation der Ecole des beaux-arts zu Paris
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5805#0038

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Korrespondsnz aus Leipzig.

stehen; in der Folge erneuert sich bei Beginn des Schul-
jahrs jede Jury zu einem Sechstel ihrer nicht ständigen
Mitglieder. Das Los entscheidet über deren Austritt,
die Ergcinzung erfolgt durch Wahl der übrigen Mit-
glieder, wobci die Ausgelvsten wieder wählbar sind.
Die so gebildeten Jury's unterliegen der jetveiligen
Bestätigung des Ministers.

E. v. Fabriczy.

Aorrespondenz.

Leipzig, den 10. November 1883.

Unsere Stadt ist am heutigen Tage um ein neues
Denkmal reicher geworden. Wie bei dem kttrzlich auf-
gerichteten Leibniz-Denkmal, hat auch diesmal zwischen
Absicht und That ein langer Zeitranm gelegen. Der
Grundstock sür die Kosten des Reformationsdenk-
mals wurde bei Gelegenheit der dritten Säkularfeier
der Einsührung des evangelischen Kultus in Leipzig im
Jahre 1839 von Freunden der guten Sache zusammen-
gebracht, ist weiterhin durch Zinszuschlag langsam ge-
wachsen und vor etwa zwei Jahren durch eine Bei-
steuer aus städtischen Mitteln auf die HLhe gebracht,
welche erforderlich war, um ein der Stadt nnd des
Zweckes wllrdiges Monument in Ausführung zu bringen.
Meister Schilling hat dann in Gemeinschaft mit
seinen Gehilfen ein übriges gethan, uni die Enthüllung
des Denkmals am Tage Ler Lutherfeier zu ermöglichen,
nnd fand dabei ausreichende Unterstütznng bei deni
Werke Lauchhammer, welches den Guß in trefflicher
Weise ausführte und nur mit den Sockelreliefs im
Rückstand blieb, die einstweilen durch bronzirte Gips-
abgüsse ersetzt wurden.

Das Monumcnt erhebt sich auf dem sreicn Platze
vor der Johanniskirche. Auf dreistusiger Basis steigt
der viereckige Sockel empor, dessen Masse (polirter
Granit) sich nach oben verjüngt und mit einem an
der Unterkante ausgekehlten Sims nach Art ägyptischer
Pylonen abgeschlvssen ist. Da schräg ansteigende Flächen
für Reliefdarstellungen nicht wohl geeignet sind, so hat
der Kiinstler, nm vertikale Felder zu gewinnen, zu eincm,
freilich nicht ganz befriedigenden Auskunftsmittel ge-
griffen. Er umgab den Granitblock mit einem brvnzenen
Gurt, welcher kräftig profilirt und an der Oberkante
mit einer Borte von Eichenlaub abgeschlossen ist. Dieser
Gurt erweitert sich an den vier Seiten zu je einem
länglichen, oben in Bvgenform geschlossenen Rahmen,
der vorspringend die senkrechte Richtung erhält. Jeder
dieser vier Rahmen umschließt eine oder mehrere
Scenen, welche auf die Einführung der Reforniation
in Leipzig Bezug haben. Das Relief der Stirnseite
stellt die Erschließung der Kirche dar, welche zuerst dem
evangelischen Gvttesdienste geösfnet wurde. Heinrich

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der Fromme, umgeben von den Vertretern der Stadt-
gemeinde, händigt dem lutherischen Prediger den Kirchen-
schlüssel aus. Das zweite Relief zeigt die Austeilung
des Abendmahls unter beiderlei Gestalt, das dritte
Taufe, Kirchengesang und Konfirmation, das vierte
Predigt, Hausandacht und Priesterehe.

Die Gruppen sind auf allen Reliefs übersichtlich
geordnet und die Motive einfach nnd klar ausge-
sprvchen. Wie man in den einzelnen Fignren von
neuem des Meisters Kunst in der Charakteristik und
in der Wiedergabe seelischer Vorgänge zu bewundern
Gelegenheit findet, so auch in der Gesamtanord-
nung die künstlerische Weisheit, die ihre Mittel zu
Rate hält und nicht mehr auszudrücken versucht,
als was unter Rücksicht aus schöne Linien und auf Ge-
meinverständlichkeit sich sagen und ausdrücken läßt.
Die Bronzegruppe auf dem schlanken Sockel, welche
sich trefslich ausbaut, stellt Luther sitzend dar; er blickt,
die aufgeschlagene Bibel auf den Knieen, ins Weite,
als ob er über eine dunkle Stelle zur Klarhei't zu ge-
langen suche; neben ihm anfrecht stehend Melanch-
thon, der sich zu Luther wendet, indem er mit der
Rechten die Lehne des Stuhls erfaßt, während er in
der Linken ein Buch hält und eine demonstrirende
Armbewegung macht, sodaß es scheint, als habe er eben
seine Meinung über den Punkt geäußert, welcher
Luther zum Nachsinnen veranlaßt. Die Anordnung
der Gruppe hat manchen Widerspruch herausgefordert.
Den Mann des beschaulichen Lebens würde man sich
wohl lieber sitzend und den Mann der kühnen That
lieber stehend denken. Wenn der Kllnstler das Ver-
hältnis umkehrte, so hatte er dazu seinen gnten Grund:
die hagere Gestalt des großen Humanisten ließ sich für
die Entwicklnng des Denkmals nach oben besser ver-
werten, wenn er sie stehend darstellte, und dafür der
korpulenteren Gestalt Luthers, der als ein Fllnfziger
gedacht ist, di^ sitzende Stellung gab. Daß Schilling
durch diese Anordnung die geistige Überlegenheit des
gelehrten Denkers über den Reformator hätte aus-
drücken wollen, ist eine hier und da laut gewordene
Jnterpretation, die interessant, aber wohl kaum that-
sächlich begründet ist, denn Luther erscheint immerhin
nicht nur der Masse, sondern auch dem Ausdruck nach als
der bedeutendere von beiden. Auch ohne den neben ihm
stehenden Freund würde cin Luther in dieser Auffassung
und Gestaltung für sich selbst genug sein, während die
zu ihm herabgebeugte Gestalt Melanchthons ihr Da-
seinsrecht nur aus der Verbindung mit dem Reformator
herleiten kann. So kvmmt sehr treffend das Berhält-
nis der beiden großen MLnner zum Ausdruck, wie es
der historischen Wahrheit entspricht.

Man knnn darüber streiten, ob das genrehafte
Mvtiv, welches die beiden Figuren in geistige Bezieh-
 
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