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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

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Langl, J.: Die elektrische Ausstellung in Wien, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5805#0055

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Korrespondenz aus Dresden.

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vollständige Herrschaft über die Art der Beleuchtung
und die Exposition zu besitzen! Und welchen Nutzen
wird cmch die Kunstwisscnschaft daraus ziehen, wcnn
die bisher nicht aufnehmbaren Jnterieurs von Archi-
tekturcn in trefflichen Bildern zu handen kommen
werden! — Die Accumulatoren werden in nächster
Zukunft für diesen Zwcck fleißig zu arbciten haben, —
wir wünschen ihnen vorläufig viel Glück auf die Reise.

Wien. I. Langl.

Aorrespondenz.

Dresden, U. November 1883.

Das Ereignis, welches in der letzten Zeit alle
Geister beschäftigte und sich daher auch im Gebiete des
Kunstlebens kräftig äußerte, ist die Lutherfeier. Schon
einige Wochen warf dieselbe in dem Streit um den
Kopsder Lutherstatue inWorms ihre Schatten voraus.
Herr Bildhauer vr. Kietz stellte nämlich die von ihm
aufbewahrte Maske Luthers, wie sie seinerzeit von
Nietschcl für die Kolvssalstatue in Worms angefertigt
worden, von ihm selbst aber verworfen worden war,
dem später nach des Meisters Tode von Donndorf
an Stelle derselben angefertigten Lutherkopfe gegenüber.
Der Ilnterschied der beiden Porträts ist ein in die
Augen fallender. Rietschels Kopf ist feiner, durch-
geistigter, reicher in der Modellirung, spmpathischer im
Ausdrucke, der Donndorfsche dagegen breit, wuchtig,
sür den nahen Beschauer zu derb, zu sehr in Masien
gehaltcn, mit einem Zug des Fanatischen, der eine
mehr der gläubige, der anderc der thatkräftige Luther.
Die allgemeine Stimme in Dresden entschied sich mit
Wärme für den Rietschelschen Kopf, so daß man sogar
vorschlug, dem Wormser Lulher den Kopf zu vertauschen,
und in der Lokalkritik Donndorf manches herbe Wort
zu hören bekam. Nunmehr ist die Frage einen Schritt
weiter gediehen, indem ein Komitö zusammentrat,
wclches beabsichtigt, die Wormser Lutherstatue mit
Rietschels Kopf neu gießen und in Dresden aufstellen
zu lassen. Einstweilen hat man das Gipsmodell für
die Luthertage auf dem Neumarkte, vor der Frauen-
kirche, aus etwa 3 rn hohem Postamcnt aufgcrichtct und
sv Gelegenheit zum Studium der Frage gegeben. Wenn
man nnn bedenkt, daß der Wormser Lnther doppelt so
hvch steht, als jetzt das Modell, so erkennt man, daß
Donndorf mit seinen Änderungen doch »icht so unrecht
gehabt hat. Denn hier dürfte schon die Grenze sein,
bis zu der man das weichere Bild Rietschels vom Auge
des Beschauers entfernen darf.

Ein zweites künstlerisches Ereignis bildet für
Dresden die auf der Brühlschen Terrasie veranstaltete
Ansstellung seltener kirchcnhistorischer Manu,
skripte und Druckwerke, welche, veranstaltet vom

Berein Dresdener Buchhändler, einen kleinen Teil eines
Herrn VerlagsbuchhändlerHeinrich Klemm inDresden
gehörigen bibliographischen Museums bildet. Es ist
geradezu eine Entdeckung, welche das musecnreiche
Dresden mit dieser Ausstellung macht. Bisher hat
man wvhl vvn dieser Sammlung hin und wiedcr ge-
hört, doch sicher nicht den stannenswerten Reichtum
erwartet, der uns nun zur öffentlichen Schau vorliegt.
Herr Klenim, armer Eltcrn Kind, hat schon in seiner
frühesten Jugend jenen Sammeleiser sür alte Druck-
wcrke bcsesien, der allein zum Zusanimentragen so
gewaltiger Schätze befähigt. Sein Gewerbe wies ihn
nicht auf dieselben hin, denn er war Schneider. Noch
heutc leitet er in Dresden die „Europäische Moden-
Akademie", eine Fachschule für Schneiderei, welche, un-
unterbrochen aus allen Ländern der Welt von jnngen
Leuten besucht, auswärts fast bekannter als in Dresdcn
ist. Durch diese, durch die Herausgabe wisscnschaftlich
systematisirter Werke über die Kunst des Zuschneidens,
die bis zu 80 Anslagen erlebten, durch die Herausgabe
von gegen zehn Modezeitungen hat sich der unermüd-
lich an seiner eigenen Bildung arbcitende Mann aus
eigener Kraft die Mittel geschaffen, welche ihn befähigen,
sich dem Luxus des Samnielns in dem Maße hingeben
zu können, daß ihn auch der Preis von 100 000 Mark
nicht vom Ankaus der Gntenbergschen Mazarinbibel
abzuschrecken brauchte.

Znr Zeit sind gegen 800 Werke in DreSden ans-
gestcllt, älteste Bibeldrncke, Schriften der Päpste,
Kirchenväter, Asketiker und Scholastiker, Werke Uber
Kirchenrecht und Kirchendisziplin, Streitschriften der
Reformationszeit, litnrgische Werke, Psalterien und
Gesangbücher, Predigten, Traktate, Lehrbücher w. —
eine Sammlung von typographischen Mcisterwerken
nnd Seltenheiten des 15. bis 17. Jahrhunderts, wie
sie wohl in gleicher llbersichtlichkeit noch nicht bei-
sammen war.

Auch in künstlerischer Beziehung bietet diese Aus-
stellung manches Hochbedeutende, so daß es erwünscht
wäre, wenn ein Fachgelehrter dieselbe z. B. aus den
Jllustrationsholzschnitt einmal genan durchsehen würde.

Das wertvollste Druckwerk dcr Ansstellung dllrste
die erwähnte Liblia saora vnlAatn von Joh. Guten-
berg, Mainz 1450—1455, sein, das einzige unter
den noch erhaltenen acht auf Pergament gedrnckten
Exemplaren, welches mit Miniaturcn geschmückt ist.
Diese sind inmitten farbiger, nach Art der Schreiber-
züge behandelter Ornamente am Fuß der Blätter an-
gebracht, kleine Bilder mit auf den Text bezüglichen
Darstellungen. Die Fignren sind in zu beschcivenen
Maßen, als daß die Köpfe ausdrucksvoll hätten ge-
bildct werden können, jedoch sind die Bewegnngen meist
srei und kvrrekt, die Farbe kräftig, die künstlerische
 
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