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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

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Korrespondenz aus München.

Berlagshandlung (Alphons Dürr), auf den Neudruck
derselben hinzuweisen, um sv lieber nach, als die alten
Holzschnitte ein gar frisches und sastiges Ansehen ge-
wonnen und durch den Einband eincn neuen Schmuck
erhalten haben, Was uns Ludwig Richter wert ist,
was den Romantiker an ihm zum Klassiker erhebt, hat
eine berufenere Feder erst kürzlich in diesen Blättern aus-
einandergesetzt. Man mögc cs nachlesen und beherzigcn!

Nicht ohne eine Anwandlung von Wehmut schlagen
wir die Mappe auf, welche ein Vermächtnis Joseph
Führichs birgt: Das Leben Mariens in acht-
undzwanzig Konturzeichnungen (Einsiedeln,Bcn-
ziger). Es ist eine der letzten Arbeiten des gedanken-
reichen Meisters, nach Durchzeichnungen von fremder
Hand mittels Lichtdruck vervielfältigt. Das Zitterige
in dem Znge der Feder kommt vielleicht schon aus
Rechnung des Originals, da es auch in dem vor zwei
Jahren erschienenen „Leben des heil. Wendelin" sich
zeigt. Die Hand hat nicht mehr so willig wie ehe-
dem dem Gebvte der schaffenden Phantasie gehorcht, —
aber sie gehorchte doch und schuf ein Werk, das in dem
Adel der Formen, in der Fülle der künstlerischen Jdeen
von der ungeschwäckteu Geistesfrische zcugt, die sich
Führich bis ins Greisenalter zu bewahren wußte.

8n.

Aorrespondenz.

München, Mitts November 1883.

RZt. Es mögen drei Jahre sein, seit der berühmte
Nordpolfahrer Julius von Payer von Wien nach
München Ubersiedelte, um sich hier unter Anleitung des
Professors Alexander Wagner ganz der Kunst zu
widmen, in welcher er bis dahin als Dilettant sich
versucht hatte. Seine Absicht ging dahin, in eincm
Cyklus größerer Gemälde die letzten Schicksale der
Franklinschen Nvrdpvlexpedition zur Anschauung zu
bringen, deren Terrain er bei seinen arktischen Reisen
besuchte. Er hat nun, wie die Leser aus einer neulich
mitgeteilten Zeitungsnvtiz bereits ersehen, das erste
Bild dieses Cyklus Vvllendet, das zugleich denselben als
letztes in der Reiheufolge abschließen soll. Es sührt
uns die grauenvolle Schlußscene vor, die in der schreck-
lichen Wildnis sich abspielte. Ein namhafter Teil des
Jnteresses, welchen das Publikum an diesem Erstlings-
werke nimmt, mag Wvhl einerseits auf Rechnung des
Gegenstandes, den es darstellt, andererseits auf Kvntv
des unter die Künstler gegangenen berühmten Reisen-
deu zu stellen sein. Unter allen Umständen aber ver-
dient Payers Arbeit die höchste Anerkennung.

Das Bild zeigt uns das Boot der Erpedition mit
dem Reste der Mannschaft, nach vorn in den Schnee
eingesunken, nach hinten gehoben, und läßt uns die

schaurigc Bemannung desselben mit einem Blicke über-
schauen. Die einen sind sichtlich schon länger erstarrt;
bei den anderen bleibt man im Zweifel, ob sie ini
Sterbeu liegcn vder dcm Hunger und der surchtbaren
Kälte bereits zum Opfer gefallen sind. Dieser vom
Künstler trefflich aufgefaßte, zlvischen Leben und Tod
schwebende Moment ist ganz dazu angethan, die dra-
matische Wirkung des Bildes zu erhöheu. Jhren
Gipfelpunkt findet sie jedoch in der einen noch lebenden
Gestalt, die, auf deni hinteren Bootsende hvch aus-
gerichtet, in ungebrochener Kraft und ungezähmtem
Trotze dasteht und mit der Büchse in der Hand den
nahendcn Eisbären entgegen schaut. Die vorderste dcr
Bestien erklimmt eben in unmittelbarster Nühe die Eis-
scholle, die sie noch vom Boote trennt, — im nächsten
Augeublicke wird der Kampf zwischen Mensch und
Tier znr Entscheidung gelangen. Aber trifft auch die
Kugel ihr Ziel, der Schütze vermag seinem Schicksale
nicht zu entgehen, denn schon nahen andere Angreifer.
Dieser eine noch Lebende trägt auf dem Bilde Payers
die Züge des Kapitän Crozier, des Nachsolgers Frank-
lins im Kommando der Expedilion; seine Leiche wurde
nicht aufgesunden, und es ward nie ausgeklärt, ob er
den Tieren zum Opfer gefallen oder ob er, wie ein
dunkles Gerücht ging, noch Jahre lang unter den
Eskimos lebte. Jn Bezug auf die Komposition bleibt
nichts zu wünschen übrig; eines aber vermißt man,
den Ausdruck der ingrimmigen Kälte der Polarnacht.
Was uns der Künstler hier zeigt, ist eher eine laue
Mondnacht der gemäßigten Zone. — Die königl. Aka-
demie der bildenden Künste hat Herrn von Payer für
sein Bild, das er Ltarvation oovo nennt, die silberne
Medaille verliehen. Der Künstler wird sich demnächst
nach Paris begeben und dvrt sich unter Munkacsy
weiterbilden.

Gleichzeitig mit Payers Bild waren im Kunst-
verein „Drei betende Nonnen" von Neal ausgestellt.
Die Berwandtschaft, welche zwischen Farben und
Tönen besteht, legt es nahe, dieses geistvolle Bild eine
„Sonate in Weiß" zu nennen, wie man desselben
Künstlers „Olivier Cromwells Besuch bei John Mil-
ton" süglich eine „Symphonie in Blau" nennen niöchte.
Der Künstler stellte sich die schwierige Aufgabe, durch
verschiedene Abstufungen von Weiß zu wirken, und
scheint mir dieselbe gelöst zu haben. Gleichwohl muß
man solche und ähnliche Experimente immerhin für
bedenklich erkläreu.

München erweist sich als einer der bedeutendsten
Kunstmärkte der Welt: aus der letzten internationalen
Kunstausstellung wurden um mehr als 700 000 Mark
Kunstwerke verkauft, und verhältnismäßig nvch günsti-
ger gestalten sich die einschlägigen Verhältnisse in der
Lokalausstellung der Münchener Künstler, aus welcher
 
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