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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

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Vom Christmarkt
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Neue Dürerlitteratur
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https://doi.org/10.11588/diglit.5805#0076

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147

Neue Dürsrlittsratur.

148

Das erste Blatt giebt eine Ansicht der Akropolis von
Athen mit einem Blick über die im Mittelgrunde ge-
lagerte Stadt hinaus auf das den Horizont abschließende
Gebirge, das zweite stellt das Schloß Windsor dar mit
einem weiten, von einer Viehherde und einigen Fischer-
booten belebten Vordergrunde, das dritte führt uns
an den Busen von Cadix, dessen weiße Mauermassen
sich leuchtend gegen den dunkeln Abendhimmel absetzen,
das vierte zeigt die Grotte des Posilippo, das fünfte
den Marktplatz von Sevilla mit dem hochragenden
Glvckenturm der Kathedrale. Jedes der fiinf Blätter
ist von einem bestrickenden Farbenreiz und zwingt uns
von neuem zur Bewunderung des frühverstorbenen
Meisters, der, wie kaum ein anderer, das Geheimnis
kannte, sich den farbigen Eindruck der Natur unter den
verschiedensten äußeren Bedingungen mit Pinsel und
Palette gleichsam im Vorübergehen zu sichern.

8n.

Neue Dürerlitteratur.

L.. 8. Den Dürerfreunden hat in den letzten
Wochen gewiß das Herz im Leibe gelacht, als sie rasch
nach einander drei treffliche Publikationen empfingeN'
von welchem jede in ihrer Art dem Meister huldigt
und das tiefere Verständnis desselben fördert. Zuerst
begrüßen wir Moriz Thausings „Dürer". Die That-
sache, daß in verhältnismäßig kurzer Frist zur zweiten
Auflage des trcfflichen Buches geschritten werden mußte,
widerlegt am besten die allzu bescheidene Meinung des
Verfassers, in der Vorrede ansgesprochen, daß sein Werk
vornehmlich in nicht deutschen Lündern Beifall gesunden.
Thausing darf versichert sein, daß sein „Dllrer" auch
bei uns sehr viele Leser und Freunde gefunden hat,
Freunde auch unter solchen, welche in einzelnen Punkten
von seinen Ansichten abwichen. Denn wenn auch
diese vielleicht nicht in allem und jedem mit ihin über-
einstimmten, so waren sie doch gewiß Weit davon ent-
fernt, Thausings Berdienste zu verkennen, welcher uns
zum erstenmale mit einer auf wissenschastlicher Grund-
lage aufgebauten, des Meisters würdigen Biographie
Dürers beschenkt hat. Das ist nnd bleibt die Be-
deutung des Buches, mag auch wie in allen Wissen-
schaften, so auch in der Kunstgeschichte, die Fvrschung
stetig fortschreiten nnd nnser Wissen vermehren. Thau-
sing hat auch in der zweiten Auflage den Text im
wesentlichen unverändert beibehalten, wie sich das bei
einem Mann von so starken Überzeugungen von selbst
versteht. Man wechselt nicht Meinungen, für die man
gewissermaßen seine ganze Persönlichkeit einsetzt, im
Laufe von wenigen Jahren; doch zeigt das Buch fast
in jedem Kapitel die leise uachbessernde und fein feilende
Hand. Am stärksten macht sich diesclbe in dem Ab-

schnitt IX geltend, wo von Dürers frühesten Holzschnitten
gehandelt wird. Hatte sich schon die erste Auslage
durch eine vornehme Ausstattung ausgezeichnet, so er-
scheint die neue vollends in schmuckreichem, glänzendem
Gewande. Man sieht dem Buche an, mit welcher Liebe
Verfasser und Verleger bemüht waren, dasselbe in Jn-
halt und Form mustergiltig zu schaffen.

Die zweite Publikation handelt von Diirers Reise
in die Niederlande. Bekanntlich wurde vor einigen
Jahren in der Bamberger Bibliothek die Abschrift des
Dürerschen Tagebuches entdeckt, welche Johann Hauer
im 17. Jahrhundert angefertigt hatte. Da das Ori-
ginal, wie es scheint, für immer verloren ging, wenn
es nicht noch einmal in einem staubigen Winkel einer
englischen Bibliothek austaucht, so tritt Hauers Kopie
jetzt in dessen Stelle ein. Wohl hatte Campe 1828 in
seinen „Reliquien" das Tagebuch nach HauersAbschrist
bereits abgedruckt. Aber einerseits sind die Reliquien
Campe's selbst eine litterarische Seltenheit geworden,
und andererseits hat Campe den Abdruck so nachlässig
besorgt, so viele Lesefehler verschuldet, daß wir eine
neue Ausgabe des Tagebuches nach dem Hauerschen
Texte nur mit Freude begrüßen können. Die Arbeit
konnte in keine besseren Hände gelegt werden, als in
jene des glücklichen Entdeckers der Hauerschen Kopie.
Der Bamberger Bibliothekar Herr I)r. Friedrich
Leitschuh hat die Aufgabe in vollkommener Weise
gelöst. Wir empfangen nicht allein zum erstenmale einen
kvrrekten Abdruck der Handschrift, sondern werden auch
in der Einleitung über den Anlaß und Verlauf der
Reise, sowie Uber die Schicksale des von Dürer ge-
führten Tagebuches eingehend unterrichtet, in den reich-
haltigen Anmerkungen sodann über alle sachlichen und
sprachlichen Schwierigkeiten aufgeklärt. Bereits frllher
hatten Pinchart, Gachard, Lochner, Thausing um die
Erlüuterung einzelner Stellen sich verdient gemacht,
dvch ließen sie noch Leitschuh eine reiche Nachlese übrig.
Jn der gegenwärtigen Gestalt wird Dürers Tagebuch
sich gewiß viele neue Freunde erwerben. Uns bleibt,
nachdem das Tagebuch cinen so trefflichen Heraus-
geber und Erklärer gefunden, nnr der Wunsch übrig,
daß auch Dürers Briefe aus Venedig uns in einem
handlichen Separatdrucke wieder zugänglich gemacht
würden.

„Wer Dürers Handzeichnungen nicht kennt, kennt
das Beste unv Schönste von ihm nicht." Diese Über--
zeugung hegte gewiß auch der um die beutsche Kunst so viel-
sach verdiente Direktor des Berliner Knpferstichkabinets
Friedrich Lippmann, als er den großartigen Plan
faßte, Dllrers Zeichnungen in ein Oorpus zu vereinigen
und in getreuester Nachbildung herauszugeben. Ob
diese kühne Unternehmung, die kühnste bisher auf dem
Gebiete der reproduzirenden Kunst, gelingen wird, wissen
 
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