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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

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Aus dem Wiener Künstlerhause
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5805#0088

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171

Kunstlitteratur und Kunsthandel.

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brauch vvn Zinnvber bekunden, aber doch so viel Frische
nnd Heitcrkeit atmcn, daß sie iinmerhin nicht mit Un-
recht geschätzt werden. Der „Besuch bei der Groß-
inutter", ein dnrchaus elegantes Kostünibild, flihrt uns
eine adelige Familie des 17. Jahrhunderts vor. Die
Figuren sind fein individualisirt. „Hoch, dreimal hoch!"
bleibt in derselben Zeit und auf derselben Höhe der
Technik, steigt aber in gesellschastlicher und räumlicher
Beziehung weit unter das ebengenanute Gemälde hinab.
Wir befinden uns in einem weiten Kellerraum, voll-
gestopft niit zechendem lustigem Volk. Die losen Svhne des
Mars haben eine buntgekleidete reizende Keller-Hebe auf
ein großes Faß gehoben und jubeln und trinken ihr zu.
Ein zweites Mädchen nimmt unten neben einem großen
Tisch Privatim eine Huldigung entgegen.

Trefflich ausgefnhrt und in der Erfindung ungleich
bedeutender als das vorhergehende Bild ist Andreotti's
„Musiklehrer aus dem Dorfe". Die humoristisch er-
zählte kleine Geschichte spielt etwa zu Anfang unseres
Jahrhunderts. Darüber unterrichten uns der elegante
Hausrat und die Kostüme der beiden Personen, die wir
an beiden Seiten im Bilde erblicken. Rechts steht die
Tochter des Gutsherrn, die Unterricht in der Musik er-
halten soll. Nun lebt man aber sern Vvn der Stadt
und muß sich bequemen, den Schulmeister des Dorfes für
den Unterricht in Anspruch zu nehmen. Er wird bestellt.
Zur gewünschten Stunde tritt er in den Salon, nicht
ahnend, daß er auf dem blank gesäuberten Boden die
deutlichen Spuren seiner kotigen Stiesel zurückläßt. Er
ist bis zum Klavier vorgetreten und macht eben eine
Verbeugung vor dem Fräulein, einer schalkhaft lächeln-
den Brünette, die sichtlich von der ungemein gutmütig
aussehenden, keineswegs aber salonfähigen Figur des
neuen Meisters überrascht ist. Diese Situation hat
Andreotti erfaßt und in höchst lebensvoller Weise zum
Ausdruck gebracht.

Zwei nette Bildchen von Marchisio, gleichfalls
einem Feinmaler, sind noch zn erwähnen. „Er liebt
mich" zcigt eine gewisse Noblesse in Linie nnd Farbe.
Tamburini und Torrini sind in ihrer Art dem An-
dreotti verwandt. Ein kleines Bild, das uns anffallend
an Boecklin erinnert, ist des Florentiners Sorbi „Über-
rascht". Schou die Wahl des Stoffes — zwei aus
grüncr Wiese tanzende Mädchen in antikisirender Tracht
Iverden von Satyrn erschreckt, die ans einem dunkeln
Hain im Hintergrunde herbeieilen, — das Kolorit und
manches andere gemahnt au den bisweilen wnnderlichen
deutschen Meister. Eine archaisirende Richtung vertritt
Luigi Mussini aus Siena mit seiner heil. Elisabeth und
seinem heil. Georg. Die alten Vorbilder seines Aufent-
haltsortes mögen vielen Einfluß auf Mussini's Knnst-
weise geübt haben, welche zum Goldgrund zurückkehrt

und kreisrunde Nimben, sowie allerlei Beiwerk in Relief
nnd vergotdet herstellt.

Auch von anßeritalienischen Malern war noch nianch
gutes Stück iu der Sammlung zu findeui cinige ältere
Bilder von Osw. Achenbach, Fr. Voltz, vom älteren
Markü zwei biblische Landschaften (Pendants aus dcm
Jahre 1852), zwei feine Bildchen von Jutz rc.

Sehr beachtenswert ist endlich manches, was die
permanente Ausstellung der Genossenschaft in nenester
Zeit den Bcsnchern des Künstlerhauses bietet. So das viel-
besprochene „Gerettet" von Mathias Schniidt, mehrere
Aquarelle von Fr. Alt, n. a. C. Karger hat un-
längst ein sehr hübsches Bildchen „Sonntagsrnhe" zur
Ausstellung gebracht. Jn einer sonnigen Stube sitzt
neben der Wiege die junge Mutter und liest, an dem
Tische daneben in behaglichem Nichtsthun ein gesundes
Backsischchen. Ein lange Reihe von Aquarellen verdanken
wir E- Villiers aus Petersburg, der auf mehreren
dieser Blätter ein feines koloristisches Talent, aber nur
ein geringes Können als Zeichner bekuudet. Harburgers
Zeichnungen sind den Lesern der „Fliegenden Blätter"
rühmlich bckannt.

Aunstlitteratur und Aunsthandel.

Hoppe, Oberbaurat, Die Stadtkirche zu Meiningen.
Vierte Lieferung der „Neuen Beiträge" des Hennebergi-
schen altertumsforschendsn Vereins. Meiningen 1883.

Ü. bl. Von sachkundiger Hand erhalten wir hier eine ein-
gehsnde Untersuchung der teils romanischen, teils gotischen
Stadtkirche zu Meiningen. Der Verfasser geht in seiner ge-
schichtlichen Darstellung in Ermangelung befferen Materials
jeider von einer Chronik ves 17. Jahrhuuderts aus, die
durchaus unkritisch und unzuverlässig ist und besser unbeachtet
geblieben wäre, so aber zu einer Reihe von Trugschlüssen An-
laß gegeben hat. Auch bei Entzifferung der Umschrift des
Grabsteins auf Blatt 20 hat die von dem Verfaffer übrigens
selbst freimütigst zugestandene historische Unkenntnis Fehler
veranlaßt; z. B. ist zu lesen sabbo statt salbo und aufgelöst
heißt das Datum: saübnto anto ksstum asesnsioms, d. i.
in dissem Falle der 12. Mai. — Um so freudiger begrützen
nnr die baugeschichtliche und bautechnische Untersuchung der
Kirche selbst, und namentlich die wertvolle Beigabe von 23
autographirten Blättern mit genauen Zeichnungen der Details
und der Totalansichten. Die Schrift dient löblicherweiss zu-
gleich als Agitationsmittel sür eine durchgreifende Restauri-
rung der Kirche. Möchten doch all die zahlreichen historischen
Vereine dem hier gegebenen Beispisl folgen, und derartige
gute Veröffentlichungen über die in ihrsm Bezirk enthaltenen
Altsrtümer veranlassen, statt sich in unfruchtbaren, vor der
Kritik httufig doch nicht standhaltenden historischen Unter-
suchungen zu ergehen! — Auch der Verein sür bildende Kunst
und vaterländische Altertümer zu Emden hat, wie wir hier
bemerken wollcn, Treffliches in seinen kunstgeschichtlichen Publi-
kationen geleistet. _

Boecklcr, Die Polychromie in der antiken Skulptur.

Aschersleben, 1882.

Der Verfaffer hat in verdienstvoller Weise es unter-
nommen, die teils ungenießbaren, tsils wenig zugänglichen
gelehrten Forschungen über eine der wichtigsten Fragen der
ganzen Kunstgeschichte zu sichten und in zusaminenfassender
Darstellung dem größersn Publikum zugänglich zu machen.
Schade nur, daß die hübsche Abhandlung an einem etwas
entlegenen Orte gedruckt ist, von wo sie nur in geringem
Maße, oder doch, wie dem Referenten, erst spät bekannt werden
kann: in dem Jahresberichte der Realschule zu Aschersleben
 
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