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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

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Ein schwäbischer Baumeister der Renaissancezeit
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Gurlitt, Cornelius: Zur Baugeschichte Berlins, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5805#0158

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311

Zur Baugsschichte Berlins.

312

Jnfolgedessen hatte Tretsch schon 1557 den Auftrag
zur Ausarbeitung einer neuen Bauordnung erhalten;
aber der schleppende Gang Ler Beratungen und Unter-
handlnngen zwischen Regierung und Landständen, die
Hindernisse, die zum Teil von den herzoglichen Beamten
selbst dem Werk in den Weg gelegt wurden, der Neid
und die Mißgunst, womit der Schöpfer desselben ver-
folgt wurde, verzögerten dessen Zustandekommen, so
daß es erst zum 1. März 1568 als Landesgesetz in
Kraft treten konnte. — Leider konnte der Vortragende
das Leben Tretschs nur bis zum Jahr 1577 verfolgen;
darüber hinaus fehlen alle urkundlichen Belege. Wahr-
scheinlich ist der vielgequälte und vielgeprüfte Mann
um diese Zcit seinen Leiden, über die er schon seit
Mitte der fünfziger Jahre klagte, erlegen.

0. v. §.

Zur Baugeschichte Berlins.

von Lornelius Gurlitt.

(Schluß.)

3. Das Projekt zu einem Domplatz ist nicht

von Schlüter, sondern von Broebes.

Jch muß gestehen, daß die Betrachtung dieses
mehrfach, auch in „Berlin nnd seine Bauten", repro-
duzirten Blattes mich zuerst zur Kritik der über
Broebes verbreiteten Ansichten gebracht hat. Denn
während ich dasselbe als die höchste Leistung des
Meisters gepriesen sah, konnte ich nur eine wenig durch-
dachte, unpraktische und langweilig akademische Arbeit
darin erkennen. DieUnterschrift unter dem Stiche lautet:
„suivant ls Ossssin äs Brosbss^ und in der rechten
Ecke unter der Neproduktion des ersten Schlülerschen
Schloßentwurfes in kleiner Schrift „Kolllütsr", d. h.
der Autor sagt: das Schloß ist vou Schlüter, das Dvm-
platzprvjekt von mir. Korrekter konnte Broebes nicht
vorgehen! Betrachten wir nun die Arbeit, so ergiebt
sich folgendes: ohne daran zu denken, daß der Zugang
zu den damals neucutstandencn Stadtteileu Berlins
durch einen im rechten Winkel zum Schloß stehenden,
dcn Dvmplatz bis auf schmnle Seitenstraßen abschließcn-
den neuen Kirchenbau versperrt werde, schließt das
Projekt die Stadt und das Schloß gänzlich von der
in der Broebesschen Perspektive doch so klar dargestell-
ten Neuschöpfung der kurz vorher angelegten Doro-
theenstadt ab. Und doch entstanden jenscits des Dom-
platzes die Mehrzahl der Prachtbauten jener Zeit, es war
mithin das Jnteresse des echten Baukünstlers gewiß
auf jene freieren, weiträumigen Straßen gerichtet.
Weiter glaube ich, daß ein Vergleich zwischen der
schwungvollen, reich belebten Schloßfassade mit dem
eintönigen Entwurfe zu einem gegenüber anzulegenden

Stallgebäude auf das deutlichstc gegen die Ausarbeitung
von einer Hand spräche. Schließlich ist die zwischen
zwei zinshausartige Fassaden eingeklemmte Domkirche
meinem Ermcssen nach der schlagendste Beweis von
der Unfähigkeit des Entwerfenden, große Nkassen zu
beherrschen. Jch habe früher im „Deutschen Kunst-
blatt" nachzuweisen gesucht, daß um die Wende des 17.
zum 18.Jahrhunderts unter deuhervorragenden deutschen
Architekten ein energisches Bestreben nach einer charak-
teristischen Durchbildung des protestantischen Kirchen-
baues sich geltend machte, eine Bewegung, der Schlütcr
sich gewiß am wenigsten entzogen hätte, wäre ihm ein
derartiger Auftrag zu teil geworden. Diesem Zuge
widerstrebt die Kopie der Peterskirche oder von
S. Maria in Carignano, wie der Kunst Schlüters die
leere Größe von durch drei Stockwerke reichenden
Quaderungen, riesigen Giebelfekdern rc. Jch muß hier
dankbar konstatiren, daß Herr Architekt K. E. O-
Fritsch, der bekaunte Versasier des kunsthistorischen
Teiles von „Berlin und seine Bauten", inzwischen in
der „Deutschen Bauzeitung" sich ganz anf meinen
Standpunkt gestellt und seine frühere, gegenteilige An-
sicht mit rUhmlichem Freimut als unrichtig anerkannt hat.

4. Eosander ist nicht in Gotland geboren.

Es ist, ich weiß nicht durch wesien Anregung,
Sitte geworden, den Namen Eosander von Göthe sv
zu erklüren, als sei der Name Göthe nur eine Be-
zeichnung von des Architekten Heimat Gotland. Aus
deni Schwedischen würde sich diese Wortbildung so wenig
wie aus dem Deutschen erklären. Nun lehrt aber
Herm. Hofberg, Lvsnsü bioArg.üsUI1g.nck1sxiUon (Stock-
holm 1876, Band I, S. 274), daß Eosander der Sohn
des Generalquartiermeister-Adjutanten Nils Eosander
in Niga gewesen ist und daß später Karl XII. ihni
dic Adelschast des kinderlos verstorbenen Samuel Göthe
Ubertragen hat, welcher Ler Vetter des Nils Eosan-
der war.

Hierbei sei zugleich bcmcrkt, daß wohl Eosander
Schlütern gegenüber meist zu tief herabgesetzt wurde,
deun seine Angriffe sind nicht rein Persönlicher, sondern
in weit höherem Maße theoretischer Natur. Eosander
hatte sich dem künstlerischen Vorbilde Bernini's, aber
zugleich den ästhetischen Ansichten Blondels angeschlosien,
wenn er gleich in der Praxis sich nicht zu jener eigen-
artigen, jedoch nur in den Außenarchitekturen aus-
tretenden Formreinheit der gleichzeitigen Franzosen
durcharbeiten kvnnte. So lobt er an dem im Ilrsa-
trnm ünroxgsnm, Band XVIII, veröffentlichten Schloß
in Stockholm, daß es „simpel und regulär nach der
Antiken ihren Genie geordnet sei, welche die Simpliei-
tät siir eine majestätische Pracht geschätzet. Man sieht
au diesem prächtigen Gebäude gar keine verkröpftcn
 
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