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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

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Gurlitt, Cornelius: Zur Baugeschichte Berlins, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5805#0159

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313

Nekrologe.

314

Pilaster und Kolonnaden noch Frvntispize." Und Band
XVII, daß zum Architekten mehr gehöre als zeichnen
kvnnen, da er sonst nicht begreife, daß „die majestätische
Pracht in der Simplicität bestehe". Das sind aber die
Schulausdrücke, mit denen Blondel und selbst Perrault
gegen das verwilderte Barock Bernini's loszogen.

5. Was hat Schlüter in Warschau nnd
Petersburg gebaut?

Daß Schlüter in Warschau thätig war, erklärt sein
sehr glaubwürdiger Zeitgenosse Marperger in der
klarsten, bündigsten Form, indem er sagt, Schlüter habe
„sowohl in- als außerhalb Warschau's unterschiedliche
Palatia, ehe er in königliche preußische Dienste getreten,
angegeben und ausgeführt." Außerhalb Warschau's,
1 ^2 Stunde von der Stadt, liegt das von Äohann
Sobieski errichtete Schloß Willanov. Die Be-
schreibung, welche der französische Reisende Beaujeu
(Daylerac) 1679 von diesem Schloß macht, sowie er-
haltene Briefe dcs italienischcn Architekten Lvcci lassen
erkennen, daß zwischen 1686 und 1694 ein Umban an
diesem Schloß vvrgenvmmen wurde, desscn technischer
Leiter zwcifellos Locci war. Dagegen entnahm ich
aus dem Studinm des hochintercssanten Baues selbst,
daß viele Einzelheiten desselben nicht von diesem in
seinen übrigen Arbeiten nnchternen Meistcr, Uberhanpt
nicht von einem Jtaliener stammen können, sondern
das Werk Schlüters sein müffcn. Daß dessen Name
in der Warschaucr Kunstgeschichte nicht erscheint, be-
weist gar nichts, auch vvn dcn großen Architekten aus
ber Regierungszeit der beiden Könige Angnst I. und II.
und ihrer imposanten Bauthätigkeit ist ja in Polen
keinc Knnde erhaltcn. Es wird also die vergleichende
Kritik das entscheidende Wort zn sprechcn haben. Jch
glaube, daß auch das Palais Kraszincki am Kraszincki-
Platz unter Schlüters Einfluß entstanden ist und behalte
uiir speziellere Mitteilungen hierüber vor. Ein ausge-
zeichneter Kenner polnischer Kunstgeschichte, Herr Prof.
H. von Strnve in Warschau, schreibt mir im Anschluß
un die Monographie von Skimborowicz und Gersvn
(„Das Schloß Willanov", Warschan, Orgelbrand 1877)
iiber die den Bau dieser PerlePolens betreffenden Aktcn,
„daß fast alle Dokumente, die sich auf Willanov, während
es im Besitz des Königs Svbieski war, beziehen, abhanden
gekommen seien, d. h. sic wurden infolge des Streites
des sächsischen Hauses mit den Sobieski's diesen ab-
genommen, anfangs in der Bibliothek zu Breslan
und später im Staatsarchiv zu Berlin unter-
gebracht." Mit Recht sagt Struve weiter: „Dort ist
nlso das authentische Material zur Lösung der kunst-
k)istorischen Frage über den Erbauer Willanovs zu
zu suchen!" Hoffentlich findet sich unter den Berliner
Fuchleutcn einer, welcher diese Andeutung des polni-

schen Gelehrten aufnimmt und die Entscheidung herbei-
sührt. Gern stehe ich mit meinen den sächsischen Archi-
ven entnommenen Materialien znr Verfügung.

Ferner sagt ein weiterer Zeitgenosse und zugleich
Schüler Schlllters, P. H. Bruce, der Meister sei 1714
„mit Erbaunng vieler Paläste, Häuser, Akademien,
Mannfakturen, Buchdruckereien rc." beschäftigt gewesen.
Eine Akademie der Wissenschaften legte Peter der Große
allerdings an, wollte auch eine solche der Künste hin-
zufügen. Wir erfahren durch den seit 1714 an der
Akademie thätigen Joh. Dan. Schumacher („Gebäude
der kaiserl. Akademie der Künste, Petersbnrg 1741"),
daß sich bald bei ersterer ein Mangel an Buch-
druckereien, Buchbindereien, Zeichnungsstuben, Knpser-
stechereien, mechanischen Werkstätten rc. gcltend gemacht
habe und 1514 eine Bibliothek nnd Kunstkammer an-
gelegt worden, der Bau später aber vielfach geändert
worden sei. Jch mache deutsche Architekten, welche
Petersbnrg kennen, anf die Ähnlichkeitcn zwischen dcm
Turm jener bei Schumacher abgebildcten Akademie,
vvn dem ich nicht cinmal weiß, ob er noch steht, mit
dem verunglückten Berlincr Münztnrm aufmerksam.
Der ursprüngliche Entwurf des crsteren dürfte höchst
wahrscheinlich ein Werk Schlütcrs sein!

Wir besitzcn lcidcr nnr wenige zcitgenössische
Autoren, welche uns Daten über Schlütcrs Leben hinter-
ließen: die wichtigsten sind Broebes, Marperger und
Bruce. Man svllte meinen, daß auf ihre Worte ein
besonderer Wert zu legen sei. Aber die Hyperkritik
Nicolai's nnd seiner Nachfolger hat es sertig gebracht,
sie alle drei für Lllgner oder doch für falsch berichtet
zu erklären, vbgleich zwci derselben als Kollegen des
Meisters in der königlichen Akademie sicher mit ihm in
engem persönlichen Verkehr standen, der dritte aber
sein Schüler war!

Nekrologe.

Carl Bendcr 4. Jm Wiener Künstlerhause sind
gegenwärtig eine Rcihc von architektvnischen Aufnahmen
ans Jtalien, teils Tusch-, teils Fedcrzeichnungen aus-
gestellt, welche durch ihre geistreiche Auffassung und
wirkungsvolle malerische Behandlung die Anfmerksam-
keit der Kunstsreunde in nngewöhnlichem Grade feffeln.
ES sind die Blüten eines jungen Lebensbaumes, den
das nnerbittliche Geschick vor kurzem gefällt, nachdem er
eben seinen ersten künstlerischen Frühling durchlebt hatte.

Carl Bender, der Urheber dieser schönen Blät-
ter, wnrde am 9. Oktvber 1856 als Svhn des Eisen-
bahntechnikers Wolf Bender in Wicn geboren, trat
schon mit fünfzehn Jahren in die technische Hochschnle
sciner Vaterstadt ein und absvlvirtc die Studicn an
der Bauschnle derselben mit vvrzüglichem Erfolge.
Nach vollendeter Studienzeit machte Bender mit seinem
Freunde K. Mayredcr cine grvßere Reise nach Jtalien
und richtetc dort seine Aufmerksamkeit namentlich auf
 
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