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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

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Wallé, P.: Wer ist der Architekt des Zeughauses zu Berlin?
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5805#0242

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Wer ist der Architekt des Zeughauses zu Berlin?

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cmch die als ursprünglich an der Rückseite „rund"
(— halbrund) bezeichnete Grundrißform des Entwurfes,
die Nehring bei allen früheren Bauten auf Bastionen
—- und auch das Zeughaus sollte auf eincr solchen
crrichtet werden — der natllrlichen Beschaffenheit der
Baustelle entsprechend anwandte, so beim Pomeranzen-
haus im Lustgarten (1684) und beim Hetzgarten (1693).
Alles über den Entwurf Bekannte weist inimer wieder
auf Nehring hin, der seit 1675 inmitten der Berliner
Bauthätigkeit stand, während fich Blondels Name außcr
bei Broebes nicht einmal irgendwo erwähnt sindet.
Fran^ois Blondel starb 1685, zu einer Zeit, da die
HLfe von Paris und Berlin schon in jahrelanger Fehde
sich befanden, die es auszuschließen scheint, daß der
große Kurfürst nach Vollendung der Festungswerke
Berlins einen franzvsischen Feldmarschall — den Titel
eines solchen hattc Blondel — zu einem Entwurfe für
sein Arsenal sollte herangezogen haben; daß der besondere
Ruhm jenes Architckten aber bei dieser Frage mit ins
Spiel komme, ist auch nicht gerade wahrscheinlich, denn
Marperger kcnnt wohl Mansard, Perrault und Leveau;
Blondel aber wird nirgcnds genannt. Existirte doch
selbst in Frankreich außer der Porte St. Denis nichts
Bemerkenswertcs von ihm. Zur Erklärung dcr fran-
zöselnden Forniensprache des Zcughauses, die in dcm
Obergeschosse unverkenubar ist, wird es nicht nvtig, auf
Blondels „6oirrs ä'arobitootirro" zurückzugreifen; sie
ist^ lediglich auf veu späteren bedeutenden Einfluß
JeandeBodts zurückzuführen, welcher seinen Freund
Longuelune schon uni 1700 aus Paris berief. Kein
Deutscher und, was gewiß sehr auffällig ist, kein fran-
zösischer Schriststeller weiß etwas von Blondels Anteil
an dem Berliner Zeughanse, und ich glaube jene An-
gabe iu Broebes auf ein Mißverständnis zurückführcn
zu können.

Auf dem Sockel des zweiten Pfeilers links in der
von Broebes abgcbildeten Fassade erkennt man die
Spuren zweier durcheinander angebrachter Nam en, als
deren erster Buchstabe ein bl erscheint; welchcs später
in eiu L verwandelt wurde, so daß wohl ursprünglich
hier Nehring stand, woraus man später Blondel
machte. Diese Buchstaben können ihrem Charakter nach
sehr wohl von der Hand des Professor Broebes sein,
und ich entnehme daraus, daß von Broebes selbst die
Fassade zuerst dem Nehring (bei ihm Nerin) und dann
dem Blondel zugesprochen wurde, daß er aber schließ-
lich selbst die Ausmerzung beider Namen versucht hat-
Jch erkläre mir diese Vermutung, wie folgt.

Broebes hat die erste Zeichnung des Zeughauses
nach dem ursprünglichen Entwurfe angefertigt, wonach
alle vier Seitcn glcichmäßig übereinstimmend erscheinen
sollten. Als dann später Äean de Bodt die Ver-
änderung der Lindenfassade in der jetzigen unorgani-

schen, theaterhaften Weise zur Ausführung brachte,
lehnte er sich sehr stark an Perraults Mittclbau des
Louvre an, desien Zeichnungen ihm jedenfalls bei der
Bearbeitung vorgelegen haben. Nun aber ist es gerade
Blondel gewesen, der, wie Nagler angiebt, Zeichnungen
des Louvre (wahrscheinlich für die Akademie) anfertigte
und in Kupfer stechen ließ. Trugen nun die als Vor-
bilder dienenden Zeichnungen den zutreffenden Ver-
merk „Llonäsl äol.", so entstand der Mittelbau des
Berliner Zeughauses buchstäblich nach einer Zeichnung
von Blondel. Broebes, der diese Wahrnehmnng im
Baubureau gemacht haben mochte, kann selbst in diesem
Ärrtum befangen gewesen sein, und hat dann, um
seinem Landsmann, für desien Werk er die Vignetten
gestochen hatte, zur verdienten Anerkennung zu ver-
helfen, desien Namen Uber Nehrings Namen auf der
von ihm bereits gestochenen Fassade angebracht, statt
— was man wohl hätte erwarten dürfen — die neue
Hauptfassade des Zeughauses nach de Bodts Änderungen
auf eine besondere Platte zu bringen. Bei der Voll-
endung der Platten für den Druck, die erst nach dem
Tode Broebes', also ohne desien Mitwissen und Zu-
stimmung, mit allen ihren techuischen'Schwächen und ver-
traulichen Anmerkungen zuerst durch Martin Crophius,
und dann erst durch Äoh. Georg Merz erfolgte, wurdc
die genau unterhalb der Mitte der Fasiade angebrachte
Schrift I?ahg,ä6 äs 144r8sn-il Ilovg.1 äs Lsrlin durch
den Kupferstecher auf Grund des vielleicht noch leser-
lichen Namens „Blondel" um den Zusatz ,äu ässsin
äs ülr. Llonäsl" erweitert. Eine andere Möglichkeit
wäre noch die, daß Äean de Bodt eine Zeichnung der
von Blondel zu Rochefort erbauten Wafsenhalle
gekannt und benutzt habe, die in dem neuesten vio-
tionnairs äss aroliitsotss kruntzgis von Adolphe Lance
ein „grssnuv genannt wird. Der Vergleich der Zeich-
nungen müßte ergeben, ob hier ein Zusammenhang
vorliegt, der sich jedenfalls immer nur auf die Zeich-
nuugen beziehen kann, nicht aber auf den Entwurf.

Nach Marperger, der sein Buch im Äahre 1710
herausgab, als Broebes, Schlüter und Äean de Bodt
noch in Berlin lebten, hatte Blondel mit dem Zeug-
hause nichts zu thun, und eine spätere Beziehung
desselben irgendwelcher Art kann das ursprüngliche
Projekt nicht betreffen. Nicolai's Angaben in seiner
„Beschreibung der Städte Berlin und Potsdam"
bleiben deshalb nach wie vor zuverlässig und bekräfti-
gen alle inneren und äußeren Gründe dasür, daß
Nehring und kein anderer den Entwurf zum Zeug-
hause aufgestellt habe.*)

P. Walls.

') Vergl. Adler „Das Zeughaus in Berlin" mit Auf-
nahmen rwn Perdisch und Nitschmann, Jahrg. 1870 der
„Zeitschrift für Bauivesen", und „Kann das Zeughaus in
 
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