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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

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Valentin, Veit: Steinle's Parzival
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https://doi.org/10.11588/diglit.5805#0282

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Steinle's Parzival.

Scenen erscheint der Held nur leidend: von seiner
Thätigleit, die doch so wesentlich ist, erfcchren wir
nichts. Die Sockelbilder fiillen die Erzählung weiter
aus. Auch hier ist ein grvßeres Mittelbild: Parzival
kniet vor Anfortas nieder, den er durch die Frage ge-
heilt hat, neben ihm steht sein vrientalischer Halb-
bruder Feirefiz. Links zeigt uns das erste kleine Bild,
wie Parzival von der Jagd zur Mutter heimkehrt,
das zweite, wie er als Thor gekleidet auszieht: hier
erscheint in der Ferne Jeschutens Zelt, durch die er
zu seinem erstcn Abenteuer veranlaßt wird, der Tötung
des roten Ritters: diese erzählt das dritte Bild, wäh-
rend das vierte uns in die Kapelle des Gurnemanz
führt, also zu der religivsen Weihe des Ritters. Rechts
folgt zuerst die Scene, wie Sigune dem Parzival flucht,
dann die Zauberin Kundrie, die in das Zeltlager des
Kvnigs Artns eilt, endlich zwei Heldenthaten des Wclt-
ritters Gawein.

Bei der Schwierigkeit, welche die Bildkunst zu
überwinden hat, wenn sie mit der Dichtkunst sich in
einen Wettkampf einläßt, ist anzuerkennen, daß dcr
Künstler mit sichercr Hand Scencn herausgegriffen
bat, wclche einerscits die Hausitpunkte der Handlung
erkennen lassen und andererseits doch auch für seine
Mittel die mvglichst günstigen sind. Zurückbleiben
hinter dem Dichter mußte er natürlich da, wo es sich
nm eine Art dcs Fvrtschrittes handelt, welche der Bild-
kunst nnd ihren Mitteln verschlvssen bleibt. Wenn
Parzival aus deni Schloß heraustritt, sv läßt die ge-
brvchcne Haltung, dcr abgelebte Ausdruck des Gesichts
mehr aus körperliche Strapazen schließen, als anf eine
seelische dliederlage, welche der Rittcr durch das Bc-
wußtsein erhält, aus cigcner Schnld daö größtc Glück
verschcrzt zn habcn. Dicse Schuld sclbst wiederzn-
geben, ist dcm Künstler nicht möglich gewesen: wie
svllte das Unterlassen dcr Frage, nicht in cinem ein-
zelncn Augenblicke, svndern während eines längeren
Vcrlauses, sich darstellen lassen? Er zog es also vor,
uns das Nesultat des Nichtfragens zu zeigen, obgleich
er dadurch der Geschichte sclbst vorgrcift: scine Thor-
heit ersährt Parzival crst vollständig durch Signne.
Es fragt sich feruer, ob der Künstlcr nicht gut gethan
hätte, das Thema auf Parzival zu bcschränken nnd
Gawein lieber ganz aus dem Spiele zu lasseu. Es
ist wahr, in der Dichtung niinmt Gawcin eine be-
dentcnde Stclle ein; ja, seine Thaten sind mit einer
solchen Aussührlichkeit und svlcher Liebe geschildert, daß
der eigentliche Held längere Zeit ganz vcrschwindet.
Es kam dem Dichter darauf nn, durch den Gegensatz
die Bedeutuiig dcs geistlichen Rittcrtums über das
wcltliche hinaus recht hervorzuhebcn. Gelingt das
anch in der bildlichen Darstcllung? Wvrin zeigt sich,
daß Gaweins Auftreten nnr relative Wichtigkeit hat,

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aber nicht zuni Heil der Seele beiträgt? Und wenn er
hereingezogen werden sollte, wäre es nicht notwendig
gewesen, den Sieg Parzivals über Gawein vorzu-
sühren, um dadurch des Dichters und doch sicherlich
auch Les Bildkllnstlers Auffassung Uber den Wert welt-
lichen und überweltlichen Strebens in ihren Erfolgen
festzuhalten? Wäre jedoch Gawein ganz weggeblieben,
so wäre dadurch Raum fllr Parzivals eigene Thaten
gewonnen worden, die Einheit der Darstellung wärc
gewachsen, und Gawein wäre sicher nicht vermißt
worden: den Gawein trägt jeder selbst im Herzen, der
Parzival dagegen ist der Mensch, dessen Streben und Ziel
auch hente nicht minder ideal ist, als es dies im Mittel-
alter gewesen. Damals aber handelte es sich um zwei
der Zeit angehörige Manifestationen einer und der-
selben äußeren Einrichtung, des Rittertums. Da galt
es den sozialen Gegensatz scharf zu betonen, der für
das aktuelle Leben — und der Künstler schafft doch
schließlich in erster Linie fiir seine Zcit und deren An-
schauungsweise — keine Bedeutnng hat.

Jm einzelncn ist vieles von hoher Schönhcit.
Wir heben zunächst für die Gesamtwirkung die glück-
liche Abtvnung der Sockelbilder dcn Hauptbildern
gegenüber hervor. Wohl angeregt von dem Dichter,
welcher Altäre und Gewölbe von blaucni Saphir sein
läßt, zeigt nns der Kllnstler hier eine Reihe blauer,
hier und da leicht von gelben Strcifcn durchzogener
Säulen, auf ebensolchem Gebälke, durch dcrcn Öff-
nungen man wie aus Loggien hinausblickt: zwischen je
zwci Säulcn erblicken wir eine besvndere Scene, allc
gleichmäßig in rötlicheni Tone gehalten, so daß dic
Zeichnung ohne weitere Farbe nur durch Licht und
Schattcn wirkt. Dies giebt einen äußerst wohlthuen-
den Grundton, der in seiner Ruhe vortrefflich zu dcr
Stelle paßt, welche die Sockelbilder imGesamtaufbau cin-
nehnicn. Mit besonderemGlücksind sodanndie landschaft-
lichen Teile, Wald nnd Burgen, sowie die sich trefflich
abstufenden Hintergründe geschaffen. Äußerst stimmungs-
voll ist das Morgenrot, das bei Parzivals Verlassen
des Schlosses seinc ersten Strahlen über das Portal
wirst. Ein Meisterstück ist nach dieser Seite das Haupt-
bild mit den Rittern im Walde und der dämmerigen
Stimmung auf Erden, während sich über dem Waldes-
geheimnis das stolze strahlende Gebäude des Tempels
im lichten, leicht rosig durchzogenen Gewölk erhebt, und
oben das helle Licht des Himmels aufleuchtet. Wirk-
same Gegensätze bildet der Wald bei der Begegnung
Parzivals mit den Rittern neben dem freien Turnier-
platz und dem prächtigen Schloß des Gurnemanz;
ebenso andcrcrseits die Sonimerstimmung beim Ver-
lassen des Schlosses und die Höhle des Einsiedlers,
der sich gegen die Winterkälte durch sein Feuer zu
schützen sucht: dnrch die Öffnung sieht man draußen
 
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