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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

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Valentin, Veit: Steinle's Parzival
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5805#0283

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561

Kunstlitteratur,

562

die Schneelnndschaft. Während das Hauptinteresse des
Künstlers offenbar bei der dem religiösen Sinne so
sehr cntsprcchenden passivcn Seite des Helden vcrweilt,
— die wahre Heldenkrast des echten Christentums
ist ja das freudige Ertragen des Leidcns, — sv hat
er knnstlerisch doch auch dic wenigen Scenen mit ener-
gischer Handlung vortrcfflich ausgestaltet. So die Riick-
kehr von der Jagd, besonders aber die Tötung des
rvten Rittcrs, bei welcher sich in dem über dcr Lciche
des Erschlagencn knieendcn Parzival nnd in der Art,
lvic er jencn der Rüstung entklcidet, eine mcrkwürdige
Krast ausspricht. Jn der Zaubcrin Kundrie, die auf
ihrcm slnchtigem Mansticrc dem Zeltlagcr des Königs
Artns zucilt, klingt cin Tvn des Hnmors an, wel-
chcr an dcn Bicistcr in dcr Wiedcrgabe des Shake-
spcare'schen Hnmors, an dcn Schöpfer dcs mit den
krcuzweise gebundencn Kniebändern cinherstvlzirendcn
Malvolio crinncrt, und der in diesem svnst sv ernste
Töne anschlagenden Wcrke besvndcrs wvhlthnt.

Bei einer idealen Schöpsung ist es nicht richtig,
mit dem Meistcr vom Standpunkte der realistischen
Wahrheit aus zn rechten. Wir wollen daher auf eincn
llmstand nicht aus dicscm Gcsichtspnnkt, wohl aber
aus dem andcrcn hinweisen, um zu zeigen, welche
Hilfsmittel der Bildkünstler anwenden mnß, wenn er
sich mit der Dichtung in einen Kampf einläßt. Anf
dem Hauptbilde kvnimt es dem Künstlcr darauf an,
uns den Prachtbau des Gralstenipels zn zeigcn. Zn-
gleich aber will cr uns erzählen, daß eine Taube die
Hostie in den Gral, die hcilige Schüssel, legt. Nnn
befand sich nach dem Dichter die Schüssel in cineni
dem großen Tempel nachgcbildcten Ciborium im Jnnern
des Tempels, desien Centrum sie cinahm — was
zugleich der Grund wurde, dcn Tempel als einen
Rundbau, eiuen Centralbau, aufzufassen. Der Künstler
hätte uns somit in das Jnnere des Tempels führen
müssen. Dann wäre die schöne Zusammenstellung des
Tempels mit Wald nnd Himmel verloren gegangen,
die gerade so wirkungsvoll durchgeführt ist. Sv er-
laubt sich denu dcr Künstlcr dic Freihcit, die Schttsiel,
in Gestalt eines Abendmahlskelches, übcr dcr Spitze dcs
Tempels schwcbcn zu lassen: nun kann die Taube,
welche vom Hiinmcl kvmmt, vor nnseren Augen die
Hvstie hincinlegen. llnserc rcalistisch gesinnte Zeit Ivird
sreilich svfort fragen: wie kam dcnn abcr der Gral
wiedcr in dem Tempel hinein? wenn sie nicht vicl-
leicht schon mit der Frage beginnt: wie kam deuu die
Schüssel übcrhaupt hcraus? Wir aber sreuen uns
des Künstlers, der, wcnn er uns in die Welt des
Wunders führt, auch knhn und kvnsegucnt genug ge-
wesen ist, auf dem Wege des Wunders einen Schritt
vorwärts zu gehen und dadurch zugleich der Kunst

das Recht zu wahren, mehr zu sein als ciu Abklatsch
des alltäglichen Lebens.

Nicht ebenso einverstanden können wir mit dcm
Graltempel selbst sein. Seine Bestimmung führtc
schvn von selbst, abgesehen von der Beschreibung des
Dichters, der ihn ganz ausdrücklich so schildert, zur
Wahl des Centralbaues. Das hätte aber den goti-
schen Stil auSschließen niüsscn. Dic einzig richtigc
Form wäre die Knppel gewesen, natllrlich nicht die
Kuppel, wie sic von der Renaisiancezeit ausgebildet
worden ist, sondern wie sie in Nachbildung von San
Vitale in Navcnna von Karl dem Großen in derPalast-
kapclle in Aachen ausgefllhrt worden ist, selbstverständ-
lich so, daß das Grundmotiv auch nach außen hin klar
znr Geltnng gekomnicn wäre. Hier hätte dic Auf-
gabe Ler Fortbildnng gelcgcn, welche in Überein-
stimmung mit der Zcit den romanischen Charakter
hattc bcwahrcn miisscn: die Hvhenstausenzeit, tvelchcr
die Dichtung und das in ihr niedergclcgte Jdeal dcs
Tenipclbanes entstammt, ist die Blütezeil des romani-
schcn Stiles, der dic vvm Süden gekommenen An-
regungen selbständig und dem nordischen, speziell dcm
deutschen Charaktcr eutsprechcnd fortgebildet hat. Ju
svlcheu Hauptsachcu zicmt sich histvrische Treue, wie
sic sonst überall sich zeigt und zwar in cincm hvhercu
Sinne, als wie sie gewöhnlich dem Einzelstudium anti-
quarischer Kabinette entspringt: überall spricht der
Gcist des richtig verstandenen, kvugcnial crfaßten
Mittelalters zu uns, dcr es nicht nnternimmt, die Dich-
tung gcwallsam umzudcutcn und den Bedürfnisscn
und Wünschen des eigcncn Herzens anzupasscn: vvn
Wagner ^— dies sei ansdrücklich bemerkt — findet sich
hier kcine Spur, um so mehr aber Vvn dem echten
Geiste der Dichtung Wolframs von Eschenbach.

V. Valcntin.

Aunstlitteratur.

6utu1oArrs clss ti^nmrios cto Vovro orrits ctrr
IVtrrsos cirr I-orrvro xur I-son kl vrr/.oy. ?uris,
Irrrpriinsrrss röunios. l883. 'l'oins l. 120. 3l2S.
läss ÜKurinsu rrnticzrros cto tsrro ouito clrr lVlrrsss
<lu läouvrs, olussöes ä'uprss Is oatulogus cks I/von
llsrrrszc, Aruvsss par äasgust. I-rris, Vvs Uorsl.
1883. 40. IV und 36 Seitcn und 60 Tafeln.

Der gelehrte ehemalige Hilsskonservator der An-
tikcn, jetzige Konscrvator der orientalischen Altertümer
am Louvre gicbt in dem einen der angezeigtcn Wcrke
die erste Hälfte eines Katalvgs der antiken Terra-
kottcn im weiteru Sinue des Worts, die jene Samm-
lung besitzt, und mit ihm übcrhaupt den erstcu Versnch
einer methodischen Publikation der gesamten Terrq-
 
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