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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

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Neue Schriften über die Darstellung des jüngsten Gerichtes
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5805#0310

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Kunsthistorisches. — Sammluugen u»d Ausstellungen.

616

tretenden Figuren: der thrvnende Weltrichter, die Engel
mit den Posciunen, der Erzengel Michael, der Satan
u. s. w., allmählich in dcr Phantasie der altchristlichen
Zeit und des Mittelalters Kvrper gewannen und
welchen Wechsel ihre Gestaltung erfuhr. Diesem Ka-
pitel läßt er ein weiteres nber die ältesten Darstellungen
des Weltgerichtes folgen. Der karolingischen Kunst
gegenüber übt Boß eine grvßere Gerechtigkcit als Jessen.
Er betont ihre Selbständigkeit und weist die übertrie-
benen Behauptungen Jessens vvu dem Einsluß der
byzautinischen Kunst auf das Abendland ebenso energisch
wie erfolgreich zurück. Die Zahl der Denkmäler, welche
Voß anführt, ist nicht so grvß wie in dcr Schrift
Jessens. Dasür bringt er zwei bis jetzt unedirte Dar-
stellungen aus eincm byzantinischcn Psalter des 13. Jahr-
hnnderts (Hamiltonsammlung iu Berliu) und eincr
nordfranzösischen Handschrift des 12. Jahrhunderts
(ebendasclbst). Ein glücklicher Fund des VerfasserS war
die Vorlage, wclche die Homilien des Ephrakim für
das Bild des Weltgerichtes lieferten. Jn denselben sind
namentlich viele Züge der byzantinischen Darstelluug
vercinigt. Da nuu die Hvmilien des Ephraöm früh
in die lateinische Sprache übertragen wurdcn und auch
in der abendländischen Kirche Ansehen genossen, so er-
klärt sich daraus das Zusammentreffeu eiuzelner abend-
ländischer Darstellungen mit byzantinischen Gemälden,
ohne daß es nötig wäre, einen Einfluß der letztcren
oder ein späteres Zurückgreifeu auf byzantinischeQuellen
anzuuchmen. Svlches gilt insbcsondere von dcn Mi-
niaturcn im Ilortns äslioiurnm. Gegen manche Punkte
in dcr Abhandlung möchtcn wir zwar Einspruch cr-
heben. Jm ganzcn niüsscn wir aber Vvß das Zeug-
nis ausstellen, daß cr methvdisch gearbeitct, klar und
einfach seine Sache vertreten und dargelegt und schließlich
die richtigen Resultate erzielt hat. 8.

ülunsthistorisches.

I. L. Entdeckung cines Eoluinbnriuiiis. Jm Juni wurde
in Rom auf der Via Portuenss, vor dem gleichnamiqen Thor
am Westende der Stadt, ein Columbarium eutdeckt, nebst
einigen wichtigen Jnschriften, welche den Namen des Kaisers
Trajan tragen. Die Besitzer dss Grundstückes, auf dem der
Fund stattsand, Gebrüder Moroni, scheukten die drei Tafeln
mit den Jnschriften dem städtischen Museum von Rom.

.1. bl. Fund eincr Büste des Anakrcon. Das römische
..llullsttino üellu (lommissioutz arvlisvlo^iea" berichtet über
die Auffindung einer Büste des Anakreon aus pentelischem
Marmor. Man entdeckte dieselbe in der Villa der Missions-
mönche vor der Porta Portese, wo sich einst die Gärten
Cäsars befanden. Dis Büste iniht in der Höhe U,55 m und
stellt den Dichter im Greisenaltsr mit Vollbart dar. Das
kurze lockige Haupthaar ist mit eiuem Bande aufgsbunden;
der Kopf neigt sich der linken Schulter leicht zu, woraus der
Archäolog Lanciani schließt, daß die Büste ein Teil einer
Statue ist. Ein von den Schultern niederfallender Mantel
läßt die Brust entblößt. Die Büste ist bis auf die Nase,
welche restaurirt werden mußte, gut erhalten.

Aammlungen und Ausstellungen.

6. v. 1?. Florcnz. Die ehemals in dem dunkeln und
engen Verbindungsgang zwischen den Uffizien und dem Palazzo
Pittiaufgehängten Wandteppiche aus Mediceischem Be-
sitz sind nunmehr seit kurzem in geeigneteren Räumen des
Palazzo della Crocetta, der auch die ügyptischen und etrus-
kischen Altertümer aus dem Kloster S. Onofrio aufgenommen
hat, zu einer „Königl. Galerie der Arazzi" vereinigt worden.
Außer den florentinischen Produkten dieses Kunstzweiges sind
darin auch einige wichtige Specimina flandrischer und fran-
zösischer Provenienz vertretsn. Der gleichzeitig ausgegebens
Katalog (6. IIi§oni, OatalvAv äslla lk. ttallsria clsAli A.ra^i.
l?irsii^s-Ikoma, 1884) verzeichnet im ganzen 124 Stücke da-
von. Die Mehrzahl derselben ist zugleich von V. Pagaroni
photographisch reproduzirt worden; dis gut gelungenen, auch
sür die Wiedcrgabe der Details genügend großen Blätter
sind um den billigen Preis von einer Lira per Stück käuflich.

ii. ll„ Die spanische Ausstcllmig in Berlin hat nunmehr
durch das Eintreffen des Albums der spanischen Künstler
ihre lange erwarteto Vervollständigung srhalten. Dasselbe
ist auf Veranlassung der königl. Akademie der Jurisprudenz
und Gesetzgebung, welche zur Feier der Anwesenheit des deut-
schen Kronprinzen in Madrid eins Festsitzung anberaumt
hatte, zusaiiimengestellt und der Kronprinzessin überreicht
worden. Die in rotem Leder ausgeführte und mit Be-
schlägen in Altsilbcr und Emaillen dekorirte Albumdecke er-
weckt keine besonders hohe Vorstellung von dcr spanischen
Kuiistiiidustrie. Jedenfalls hält sie keinen Vergleich mit
Wiener Arbeiten ähnlicher Art aus. Desto interessanter ist
der Jnhalt des Albums, welcher aus hundert Aquarellen,
Ölmalereien, Feder- und Tuschzeichnungen besteht. Diese
Blätter bestätigen durchaus die hohe Meinung, welche wir
nach der Münchener Ausstellung des vorigen Jahres von der
spanischen Malerei der Gegenwart geivonnen haben. Mau
neigt sich in München der Ansicht zu, daß der glänzende
Erfolg der Spanier zum größten Teile durch eine kluge Aus-
wahl und eine noch klügere Beschränkung auf gewisse Stoff-
gebiete erzielt worden sei. Unter den Urhebern der Blätter
für das kronprinzliche Album begegnen wir aber einer statt-
lichen Anzahl von Künstlern, welche in München nicht ver-
treten waren und die gleichwohl über ein mindestens ebenso
großos technisches Geschick verfügen wie jene, welche in Mün-
chen den Rnhm der spanischen Malerei begrllndet haben.
Aus diesen Blättern ersahren wir auch, dah Spanien eine
Reihe tüchtiger Landschaftsmaler besitzt, welche es an Tiefe
der Empfindung mit den Deutschcn und an Virtuosität der
Darstellung mit den Franzosen aufnehmen können. Über-
haupt ist die technische Seits aller dieser Blätter, der Aqua-
rellen wie der aus feiner Malleinwand ausgeführten Öl-
malereien, der Tusch- wie ganz besonders der Federzeichnungen
von so erstauniicher Vollendung, daß bei uns Deutschen die
Bewunderung mit einem Gefühl des Neides gemischt ist. Von
bekanntcren Künstlern haben sich Casado mit dem die
Hispania darstellenden Titelblatt des Albums, Francisco de
Pradilla mit einem auf einem Stuhle eingeschlafenen
Lakaien in Aquarell, Aranda mit einem Stierkämpfer in
Tusche und Kreide, I. Benlliurs mit dem Jnnern eines
Gasthauses in Aragonien, einem Aquarell von Rembrandt-
scher Lichtmagie, Casanova mit der Figur eines auf einem
Balkone sitzenden Kardinals, breit und kühn in Wasserfarben
ausgeführt, Moreno-Carbonero mit dem Alzuarell cines
Kriegers, Masriera mit einer überaus fein empfundenen,
mit der Feder gezeichneten Landschaft, Melida mit einein
Majo, einem Manne aus dem niedsren Volke, Palinaroli
init einer die Trsppe eines Klosters emporsteigenden Nonne
in Bleistift, Vera mit der in Öl ausgesührten Figur eines
jungen Pompejaners, welcher Schwäne süttert, und der geist-
volle Villegas, welchen die Spanier für den würdigsten
Nachfolger Fortunp's halten, mit der Guadrilla eines Stier-
gefechts beteiligt. Von den ersten Meistern hat sich also kaum
einer ferngehalten. Die Aquarelle stehen meist unter dein
Einflusse Fortuny's, zum Teil aber auch unter demjenigen
Meissoniers, wie z. B. ein mit großer Delikatesse durch-
geführtes Militärstück von Unceta, der Generalstab des
Königs Alfons, beweist. Einige in Rom lebende Maler haben
sreilich die Art Fortuny's zu einem skizzenhaften Naturalis-
mus übertrieben, welchcr an den guten Willen des Beschauers
 
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