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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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Rosenberg, Adolf: Adolf Hildebrands Werke in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0042

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Adolf Hildebrands Werke in Berlin,

7,!

ini Jahre 1873 als „eincs der edclsten und größtcn
Plastischen Talente der Neuzeit" begriißt haben. Nnr
seine Bescheidenheit nnd scine Abneignng vor großen
Ausstellungen, vielleicht auch sein Geniigen an der
Arbeit, die ihren Endzwcck in sich selbst sieht, haben
ihn davon abgehalten, sich an den großen künstlerischen
Wettkämpfen im Vaterlande zu beteiligen.

Anch die gegcnwärtige AuSstetlnng seiner Werke
ist mit bescheidenen Mitteln zu stande gebracht worden.
Schon die ganze Natur seiner Kunst würde dem Ge-
räusch des großstädtischen Lebens widerstreben. Er
modellirt keine figurenreichen, dramatisch bewegten
Gruppen. Er strebt nicht nach pikanten oder raffinirten
Neizen, sondern er begnügt sich mit dem schlichten
Abbilde der Natur. Da man schon im Beginn seiner
Lanfbahn mit Recht auf die Verwandtschaft seincr
Arbeiten mit denen der griechischen und römischen
Bildhauer hingewiesen hat, darf man diescs Gleichnis
jetzt wiederholeu und noch bestimmter an jene Meister
erinnern, welche noch nnter dem Einfluß des Praxi-
teles standen und dieseu Eiufluß bis in die ersten
Zeiten der römischen Kaiserherrschaft, bis auf die
Bronzen der pvmpejanischen Künstler fortpflanzten.
Auch hente, wie vor elf Jahren, wird uns dieser Ver-
gleich angesichts der Figur dcs schlafenden Hirten
nahegelegt, und um so mehr, als uns scit jcner Zeit
die Erde ein Originalwerk dcs PraHteles wicdergegeben
hat, welches unsere Wertschätzung des modernen
Künstlers keineswegs mindert. Der Hermes von Olym-
pia lehrt nns ebensognt wie Hildebrands Hirtenknabe
die ewige Wahrheit, daß das Studiuni der Natur
durch das Medium des Stiles hindurchgehen muß, um
zu eincr geläuterten Schöpfung zu gelangen.

Jene Erstlingsarbeiten, der schlafende Hirtenknabe,
den unsere Leser durch einen Stich im zehnten Jahr-
gange dieser Zeitschrift kennen gelernt haben, die
Bronzestatuette des kleinen Trinkers und die Marmor-
büste Hepse's, sind auch auf unserer Ausstellung wieder
zu sehen. An sie schließen sich Brnnnenfiguren, die
kleine Bronzestatue eines Wassertragers, ein Wasier
ausgießender Jüngling und das bronzirte Gipsmodell
eines Sautreibers, das Bronzerelief eines Flötenbläsers,
eine lünettenförmige Sopraporte aus roter Terrakotta,
welche in halber Figur die Gattin des Künstlers mit
ihren Kindern darstellt, in der Komposition wie in
der Formengebung ganz an die Arbeiten eines Luca
della Robbia erinnernd, ferner eine Anzahl von Büsten
in Marmor und Terrakotta, unter ihnen die des
Kirchenrates Haase, des vr. Kvnrad Fiedler in Leipzig
und seiner Mutter, letztere als Halbfigur behandelt,
und endlich die Marmorfigur eines nackten Mannes,
welche dcr Zcit nach am Ende dieser Reihe steht und
in der Hildebrand gewisiermaßen die Summe aus

seiuen künstlcrischen Überzeugilugcn gezogcn hat. 2n
seiuein Wcsen sind gleichsam drei Strömungen zu-
sammengeflosien. Während das Studium der Antike
die iichcre Basis für seine Entwickclung lieferte, machte
cr sich mit fcinem Takt und mit richtigeni Jnstinkt zn
eigen, was ihn die großen Meister der florentinischen
Frührenaissance, Donatello, Rossellino, Minv da Fiesole,
Desideriv da Settignano, Verrocchio uud die andereu
lehren konnten. Dann abcr blieb er anch nicht un-
empsänglich gegcn den srischcn Realismus und die naive
Naturbeobachtung, Ivclche nenerdings der modernen
Plastik Jtaliens einen glücklichen Ausschwung gegeben
haben. Jn der Vermählung der antikeu Formensprache
mit den iiidivibuellcn Accenten vcs Quattrocento be-
gegnet er sich mit dem bedeutendsten Bildhauer des
modernen Frankreichs, mit Paul Dubois, mit welchem
Hildebrand auch darin verwandt ist, daß Ruhe und
Beschaulichkeit, nicht Bewegung und Leidenschaft die
Grnndzüge seiner Kunst bilden. Jnnerhalb dcr Nuhe
strebt er jedoch wie der Franzose uach dem vollsten
Ausdruck unmittelbarcn Lebcns. Stets ist dabei das
von der Antike ercrbte Stilgefühl der Negulator seiner
naturalistischcn Bestrebnngen. Vvr scinen Marmor-
büsten kommt nns alles in Erinnerung, was die Alten
von lebenden nnd sprcchenden Bildwcrken überliefert
haben.

Als echtcr Meister des Porträts zieht Hildebrand
gern die Hände dcr dargestellten Persvnlichkcit zur Mit-
wirkung heran, ganz wie es Holbein und Dürer ge-
than haben; in der Durchbildung dcr Hände und
ihrem Arrangement neben und über einander hat sich
Hildcbrand eine Meisterschaft errnngen, die sich wieder
nur mit Holbein vergleichen läßt. Ilnd damit kommcn
wir auf dic rein technische Seite seiner Arbeiten. An-
gesichts der erstaunlichcn Bollendung eines jeden Körper-
teiles, die sich gleichwohl nirgends in kleinliches, allzu
naturalistischcs Detail verliert, ist es nur begrciflich,
daß der Künstler in einem Zeitraume von zwöls oder
dreizehn Jahren verhältnismäßig wcnig produzirt hat.
Wir wisien in Deutschland keinen zweiten Künstler zu
nennen, welcher die Sorgsamkeit der Ausführung so
weit wie er treibt und dabei der Natur mit einem so
heiligen Respekt gegenübersteht. Wir wiederholen, daß
sich die Detaillirung immer dem Ganzen unterordnet,
daß die Einzelsorm niemals so stark betont ist, daß sie
aus dem Ganzen herausfällt und für sich allein Be-
wunderung fordert. Jn dieser wunderbar harmoni-
schen Ausgleichung der einzelnen Faktoren liegt eben
das Geheimnis des Stiles, in welches Hildebrand,
dank seinem inbrünstigen Studium, tief eingedrungen ist.

Schon vor elf Jahren wurde an dieser Stelle
darauf hingewiesen, daß Hildebrand den Marmor durch
leichte Färbung (durch Einreiben mit Tabakssaft u. dgl.)
 
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