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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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Die Führich-Ausstellung in Frankfurt
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0275

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537

Kunstlitteratur.

538

Zeichnungen, sowie drei Kartons, w'oruntcr der des!
a>» Altar knieenden Engels besondcrs scffcltc, zcigten I
Teile des koloffcilen Bildes. Von den sechs weiteren ^
Kartvns sür cindere Fresken derselben Kirche nennen
wir die grandiose Kompofftion zum jüngsten Gericht, !
ben stimmungsvollen Gang nach Emaus, den Engel- !
sturz niit der gewaltigcn Mittelfigur Michacls. Vvn
^en späteren weitverbreitcten cykliscben Werken des
nininiermüden Meisters — sic waren fast alle in Sticb
und Hvlzschnitt sichtbar, darunter ein Blatt „Groß-
mlltterchen" aus dem noch unedirten letzten Cyklus
„Aus dcm Lebcn" im Bcsitz und Verlag von Alphons
Dürr in Leipzig — erwähnen wir noch folgendc Ori-
ginale: das Aguarell „Bencdictus unv Scholastica"
(ca. 1867). die in großcm Stil verfaßte „Wilde Iagd"
(Bleistiflkontur 1871), die Zeicbnung „Wcissagung vvr
^ein Einzug Chrisli in Jerusalem übcr das Schicksal
der Stadt" aus deniselben Jahr und cndlich „Faull

in der Ostcrnacht".

Wer die reiche Sammlung eingehend be>ichtigte,
wird sie nicht ohne Gewiiin und Genuß vcrlaffeu habeii'
sic breitete das „draußen im Reiche" noch wenig be-
tannte Bild eincr an schvncn Werken rcichen KUnstler-
lausbahn aus, sie lehrte deu Meister und den Menschen, '
>venn auch nicht inimer loben, sv doch verslehen und
liebgewinnen — und wer sagt es doch:

wisux vriirt Stre cluiri grrs ä'ötrs vsnts?

Das Frankfurter „Freie deutsche Hochstift" und
^heziell deffen „Abteilung sür bildende Kunll und
Kunstwiffenschasl" hat sich durch dic Führich-AuSllclluiig
ein wahres Verdienst crworben. Viellcicht gelingt es ihr
doch, durch ähnliche Untcrnchmungen das stagnirende
Intereffe weiterer Kreise für die bildenden Künste in
etwas zu belebcn. Wir abcr wollen den schvncn Ein-
druck, den diese Ausstellung in uns hintcrlaffen hat,
uicht abschwächen, nicht zcrstören mit dem erneuten
Hinlveis auf bctrübende Frankfurler Zustände, sondern
cius eine bcffere Zukunft hoffen.

().

Aunstlitteratur.

Viotor I'ou.rnsl, Ü,s8 nrtists8 sran^ais ooutsw-
porains. ?sintrss-8onlptenrs. Illnströ cks 10
eaux-lortes et äs 170 Arnvnres ckans Is texte-
'lonrs, ^ltrsä ülürns et k'ils.

Der Vcrfaffer diescr „L.rtistos tran^ais oontew-
porains" hatte, wie er in der Einleitung sagt, seinem
Werke ursprünglich den Titel geben wollen: 1,'LooIe
tranyaiss oontewporaine; doch hat er davon Abstand
genommen im Hinblick darauf, daß die Tendenz der
inoderncn Kunst in Frankreich zum Jndividualismus
— l»n nicht zu sagen zur Anarchie — fllhrt und daß

daher vvn eincm gemeliisamen nativnalen Strcbcn der
Kunst in der zwcitcn Hälstc diescs Jahrhundcrts nicht
mehr mit der Bcrechtigung, wie in den ersten Jahr-
zchnten desselben oder gar zu den Zeiten Poussins
gesprochcn werden könne. Jndcffen ist es heutzutage
ja gar nicht mehr recht mvglich, den Lebeuslauf cines
Künstlers zu schildern, ohne von weitausgrcifcnden Gc-
sichtspunklen scin Vcrhältnis zur Nationalgeschichte. zur
Litteratur und dem gcsamtcn geistigen Lcbcn sciner Zeit
zu bcleuchten; und so stcllt sich denn auch Fournels
Wcrk insofcrn thatsächlich als eine Geschichte dcr „zcit-
gcnössischen französischcn Schule" dar, als es in lehr-
rcicher Wcise zcigt, wie mit dem Stcigen und Sinkcn
der politischen und sozialen Sitten auch der Geist der
französischcn Kunst abwcchselnd sinkt und steigt, uni
schließlich mit jenen in dcr Gcgcnwart so ticf zu fallcn.

Wenn man, wie Fvurncl, zu dcn „zeitgenössischeu
Künstlern" alle jene rechnet, welchc in dcr zweitcn
Hälftc dieses Jahrhunderts die Augen geschloffcn habcn,
die Jngres, Dclaroche, Delacroix, Bcrnct, Flandrin,
Cvrvt, Carpeaux, Dorö u. s. w., und alödann auf
die im heutigcn Paris tonangcbcnden Knnstrichtuiigcn
blickt, so wird man zugcbcn müffen, daß diescs rück-
blickende Werk sehr zur rechtcn Zcit crschien, und wird
dcm Versaffer doppeltc Anerkennung zollen, der durch
dasselbe seine Landslcute veranlaßt, sich aus ihr beffercs
Selbst und die große Vergangenheit ihrer Nation zu
bcsiuncn. Denn augenscheinlich wendet sich der Vcr-
faffer als Mann vvn Welt, der cr ist, in crster Linie
an die Kinder dieser Wclt, deren gewählt elegante
Sprache er führt. Dementsprcchend bcruht dcr Haupt-
rciz und Wcrt seincr Bivgraphicn nicht in der chrvnv-
logisch cxaktcn Fvrschung, sondcrn in dcr tresicndcn.
lebenssrischen, gcist- nnd anmutsvvllen Schilderung. Es
ist die inncre, nicht die äußcrc Geschichte dcr ncneren
franzvsischen Kunst, Ivclche Fournel schreibt. Wcr a»S
dcm Werke ctwa Belehrung über die bishcr unbckanntc
Jahrcszahl dcr Entstehuug dieses oder jenes Kunst-
wcrkcs oder ähuliche Daten zu schöpsen gedächte, dcr
würde dassclbe enttäuscht beiseite legen müffen; denn
des ganzcn sür dic strcngcre Gcschichtsschrcibung uiicnt-
behrlichen äußcrcn historischen Apparates hat dcr Vcr-
faffer sich kaum bedicnt. Selbst dem Bricfwcchsel
seiner Helden cntiiimmt er nur hiu und wicder ciuige
kurze Stellen, wenn solche besonders tresi'end zur Kenn-
zeichnuug des Briefstellers sind; nnd wie wenig es ihm
um die Aufschließung dcs ihm zugänglichen Quellcn-
materials zu thun gewescn ist, dafür mag als ein Bei-
spiel fllr viele das gelten, daß er in der Biographie
ves Henri Lehmann nicht einmal des vielbesprochencn
Legarcs Lehniann Erwähnung thut, das so hochbezeich-
nend ist für dic Stcllnng der ältcren Akademiker zu
dem heutigen, naturalistischcn Nachwuchs. Aber diescn
 
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