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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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Voss, Georg: Die Kunst auf der Antwerpener Weltausstellung, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0292

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571

Kunstlitteratur. — Nekrologe. — Konkurrenzen.

572

folgt hat, wird dieser Ausstellung mit besvnderer
Spannung cntgegensehen. Da die französische Ab-
teilung mit ihren Gemälden und Statuen vornehmlich
ältere, schon von den Ausstellungen und Reprodul-
tionen der beiden letzten Jahrzehnte bekannte Werke
zur Stelle gcbracht hat, so kann der Bericht hier wcnig
Neues melden. Das künstlerisch Bedeutenbste derselben
ist Bougucreau's Kolossalgcmälde: „Die Kindheit
des Bacchus", dcsscn Komposition bereits durch die
mcistcrlichc Heliograviire im Album dcs vorigen
„Salon" bekannt geworden ist. Eiu Lieblingstummel-
platz der jiingercn französischen Maler ist mcrkivürdiger-
weise die kirchliche Malerei geworden. Der talentvollste
Repräsentant dieser Richung ist hier der erst jiingst in
München prämiirte Aimö Morot mit einer großen
Darstellung der Kreuzigung, deren realistische Auffassung
nnn allerdings hier in der alten Rubensstadt, wo man
die Kreuzigungsdarstellungen der alten vlämischen
Meister beständig vor Augen hat, schwer zu verstehen
ist. Morot hat, um das berühmte Wort Brunelleschi's
über Donatello zu wiederholen, einen Bauern an das
Kreuz geschlagen. Dieser Christus hängt, was als
besondcrer Mangel au Pietät gegen die Traditionen
der kirchlichen Kunst bezeichnet werden mus;, breitbeinig
an deni Stamm des Kreuzes. Sämtliches Blut ist
nach unten geströmt und läßt die Adern an den Füßen
und Schenkeln dick und blau ausschwellen. Das ana-
tvmische Experiment möglichst Virtuvs vorzutragen, er-
scheint überhaupt als der einzige leitende Gedanke des
Künstlers. Von den oben erwähnten ähnlichen Stoffen
eines Charles Verlat unterscheidet sich der französische
Künstler indessen dnrch seine weit überlegene kvloristische
Begabung.

Die Bildhauerwerke sind hier erst zum kleinsten
Teile ausgcpackt und liegen in ihrcn einzelnen Be-
standteilen iiberall am Boden umher. Da sie den
Wesentlichsten Teil der italienischen Abteilung bilden
werden, so ist über diese noch kein Gesamtüberblick
möglich. Von hervorragendem künstlerischen Jnteresse
verspricht auch die Architektur des großeu Palastes der
Jndustrieausstellung, im Äußeren wie im Jnneren, zu
werden. An der Fertigstellung ist indessen in den
beiden ersten Ausstellungswvchen so wenig geschehen,
daß auch hier noch kein Urteil möglich ist. Die Haupt-
sassade, welche in ihrer ganzen Länge mit einer Archi-
tektur aus Gipsguadern und Säulcn bekleidet werden
soll, steht noch als vollständig kahle Bretterwand da.
Die gigantischen Portalbauten, die an Ausdehnung das
Portal des Wiener Weltausstellungsgebäudes um das
Dreifache Lbertreffen, sind bis jetzt noch nicht über
das rohe eiserne Gerippe hinausgekommcn. Zu der
Fertigstellung derselben wird ein Monat kaum hin-
reichen. Rüstig ist indesscn die Arbeit der Aussteller

selber vorgeschritten, zumal in der letzten Woche, seit-
deni die Kommission erklärt hat, daß alle Kisten, die
bis zum 15. Mai noch nicht ausgepackt sind, auf
Kosten der Aussteller enlfernt und die bezüglichcn Ptätze
anderweitig vergeben werden sollcn. Die schon jctzt
recht reiche Ausstellung des Kunstgewerbes wird man
daher schon in den nächsten Tagen hier sertig finden.

Gcorg Voß.

Aunstlitteratur.

„Jtalien in scchzig Tagcn" von Gscll-gelS, die Taschen-
ausgabe des rühmlich bekannten großen Reisebuches, ist so-
eben in dritter, wiederuin vielfach verbssserter Iluflags er-
schienen. Auch in dieser koinprimirteu Fassung bietet das
tresflich redigirte Buch nicht bloß alle dem Reisenden er-
wünschten praktischen Winke, sondern ersüllt auch die höhere
Aufgabe, dis wichtigsten historischen und kunstgeschichtlichen
Momente hervorzuheben und dein Wanderer überhaupt als
geistig anregender Führer zu dienen. Der erste Band umsaßt
die oberitalienischen und toskanischen Städte, der zweite Nom
und Unteritalien. Die Nebenlinien (z. B. das östliche Um-
brien und die Marken) sowie Sicilien bleiben ausgeschlossen.
Dem Text sind zahlreiche Karten und Stadtpläne beigegeben.

Nekrologe.

Dci sianzöflschc Architckt Thcodor Balln ist am
21. Mai in Paris, 88 Jahre alt, gestorben Er war ein
Schüler von Hippolpte Lebas und hat das Glücb gehabt,
an den hervorragendsten Bauwerkcn des modernen Paris
mitzuarbeiten und einige derselben allein auszuführen. Er
vollendete dis von dem Kölner Meister Gau begonnene
Kirche St. Clotilde, baute die Kirchen de la Trinits und
Saint Ambroise, restaurirte den Turm St. Jacques und
die Kirche St. Germain l'Auxerrois. Sein Hauptwerk ist
das mit Teperthes in den Jahren 1873—1881 ausgesührte
Hotel de Ville, welches an Stelle des von der Kommune
niedergebrannten älteren Baues errichtet worden ist.

Aonkurrenzen.

- In Bczug auf dic inncrc 'Ausschinückung dcs Bcr-
lincr lliathauscs hät die dazu eingesetzts Teputation beschlossen,
für füns Bilder in der Vorhalle des MagistratssitznngssaaleS
und sür vicr Bilder über den Thüren daselbst eine beschränkte
Konkurrenz auszuschreiben. Es sind dazu drei Berliner und
drei auswärtige Künstlsr gewählt wordsn. Die Künstler
sollen ersucht werden, farbige Skizzen in der Größe der
zu bemalenden Fläche einzureichen. Fiir diese Skizzen sollen
sür den Fall, daß den bstresfenden Bewerbern^der Austrag
zu Aussührung nicht erteilt wird, 500 Mk. pro Stück gezahlt
werden.

-n- Für den Bau cincs ncuen dcutschcn Buchhändlcr-
vercinshauses in Lcipzig beabsichtigt dsr Vorstand des Börsen-
vereins der deutschen Buchhändler eine engere Konkurrenz
zu vcranstalten, zu wslcher zwei Berliner und je ein Leip-
ziger, Münchener und Stuttgarter Architekt eingeladen wer-
den sollen. Die zur Verfügung stehende Bausumme beträgt
800000 Mark. Als Preisrichter werden fungiren Baurat
Ende in Berlin, Baudirektor Licht in Leipzig und Baurat
v. Egle in Siuttgart, außerdem vier Buchhändler.

— zi. Aus Aachen. Jnfolge des Konkurrenzausschreibens
zur Wiederherstellung der abgebrannten Türme und des
Daches des Rathau'sss zu Aachen gingen bis zuin lö.Mai
13 Pläne (darunter 6 aus Aachen) ein, während cinige
00 Programme versandt wurdsn. Die schwachs Beteiligung
an dieser Konkurrenz — namentlich seitens auswärtiger Archi-
tekten — hat vermutlich wesentlich darin ihren Grund, daß
es sich dem Programm nach weniger um eine freie künst-
lerische Leistung als um eine Restauration auf streng archäo-
logischer Grundlage handelt. Für Nichtgotiker mußte daher
die Betsiligung an dsrselben als völlig aussichtslos er-
scheinen. Die Preisrichter werden dem Vernehmen nach erst
nach dem 15. Juni ihr Votum abgeben.
 
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