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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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Alt, Theodor: Zur Frage des Otto-Heinrichsbaues
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0339

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665

Kunstlitteratur.

666

Kräften begnügt hätte, welche er in Heidelberg vor-
fand. Vielmehr ist anzunehmen, daß er auch hier,
soweit ihm dies möglich war, Jtaliener zu Hilse
nahm. Daß dabei freilich an die Neuburg-Landshuter
Künstler von 1545, insbesondere an einen gewiffen
Antonclli zu denken wäre, der dort im Vordergrund
steht, ist aus verschicdenen Gründen nicht wahrschein-
lich. Jedoch sollte man dieser Spur und auch der
eines gewiffen Anthoni de Spaza nachgehen, der 1542
an dem Neubau der Burg, vielleicht auch sonst, in
Wien (Neustadt) beschäftigt war.

Mit der Annahme, daß der Kurfürst beim Ent-
wurs des Ottoheinrichsbaues Italiener beschäsligte,
wird es ganz unwahrscheinlich, daß Anthoni ein Deut-
scher gewesen und auf ihn die vorhandenen Äußerungen
cines deutschcn Charakters zurückzuführen seien. Was
bavon nach dem Vertrag zweifellos vor Colins liegt
"nd nicht, wie vermutlich die architektonischen Unbe-
holfenheitcn dcr Faffadc, der ausführendcn Thätigkeit
Kaspar Fischers angehört, wird man daher am bcsten
aus Rechnung der Vorschriften des siirstlichen Bau-
herrn selber setzen. Verfolgte er doch schon beim
Hauptportal des Schloffes zu Ncuburg den Gedankcu
an das Motiv eines Triumphbogens mit unzurei-
chcnden Kräften*), denselben Gedanken, welchcr am
Ottoheinrichsbau so großartig verwirklicht wurde. 2m
ganzen wurde die Intention des Fürsten, auf welche
cs kulturhistorisch allein ankommt, nie verwirklicht,
falls Colins bercits, wie ich jetzt annehme, die Giebel
über dem zweiten und vicrtcn Pilastcrsystem aufsetzte.

Die Lösung dcr damit geschaffenen Aufgabe der Ber-
einigung gotischer Motive mit dem neuen Stil gelang
erst dcm Meistcr des Friedrichsbaues in höchster Boll-
endung, indeni jedoch eine Flllle von Schönheit und
Anmut preisgegeben wurde. Die Umprägung des
klassischen Goldes in moderne deutsche Münze bleibt
unsere Aufgabc.

Thcodor Alt.

Aunstlitteratur.

^ärion IVakirori, I-a soulpturo autigue. Ori-
xines, Oesoriptioo, OlassiLeations ckes monumsnts
6e l'bl^z'pte et <ke la Orecs. 1,ex.-8". ?aris
1885, Uotlisobilä. 171 p. 16 plunobss.

Dieser ^traite ck'urobeologis eompares", geschrie-
bcn in glänzendem, oft dichterischem Stile, wie er deut-
schcn wiffenschaftlichen Werken nicht leicht eigen ist,
stellt einen eingehenden Verglcich an zwischen dcn
Kunstwerken dcr Ägyplcr und den Erzeugniffen der
älteren hellenischcn Kunst, die biS zum Auftreten des

Phidias reicht: nachdcm Ursprung und Entwickelung
der Kunst bei den beiden Vvlkern dargelegt worden,
wcrden einerfcits die äußercn flüchtigen Ähnlichkeiten,
die zwischen dcn bciderscitigen Kuustwerkeu zu bcstchcn
scheineu, hcll beleuchtct, andcrerseits dic ticfimiereii
iibcrall hcrrschenden Unterschiede hervorgehobeu, welche
jedes Werk des idealen Griechen vou jeglichcr Arbcit des
realistischen Nilthalbewohuers himuiclweit treniien. Das
Buch, deffen Eltern (sit vsnia verbo) Tainc's Ubilo-
soxbis cks I'art uud Perrot-Chipiez' Histoirs äs I'urt
cluns I'untiguits sind, enthält eine Überfülle von Be-
mcrkuiigen, Erörtcruugeii, Gesichtspunkteii, Antitheseu,
welche zwar nicht immer neu oder zweifellos sind, aber
doch zui» Nachdenken anregen und überall bewußt und
uubewußt auf dic hehre Größe griechischer Kunst hin-
auskvmnien,' deni Berfaffer stehen uinfangrciches Wiffen
und große Belesenheit — allzu gern citirt er Goethe's
Faust — ebenso zu Gcbote wic die nötige Kritik, welche
dic verschicdenen Untersuchungcn seines Thenias er-
heischen: hier und da freilich köunte nach dem Ge-
schmack des Neferenten die Anlage wie dic AuScinander-
setzung einzelner Darlegungen knapper und kllrzer sein.

2n bchaglichcr Breite werden die verschiedenen
Einflüffe geschildcrt, welche Land und Klima, rcligiöse
Anschauungen nnd politische Staatsform, Sitten und
Gcbräuche der Menschen auf die Entwickelung der
Künste im Nilland und in Hellas ausübten; ferner die
Breunpunkte nachgewiescn der ägyptischen Kunst —
vvr allem Realismus und Porträt, Koloffalität und
Erstarrung — und die Gegeusätze, wclche dazu der
Idcalisiuus nnd dic Göttertypeu, das Maßhalten uud
der stetige Fortschritt in der griechischen Kuust bilden;
endlich die Entwickelung skizzirt, welche dic Lgyptische
Kunst wie die hellenische naturgemäß genommen haben,
bez. nehmen mußteu. Dcn Probirsteiu für alle diese
Untersuchungen und Erörterungen giebt der Vergleich
ab zwischen dem ägyptischen Schrciber im Louvre,
eineni Wunderwerk, was die Lebendigkeit der Auffaffung
und die Treuc der Naturwiedergabe betrifft, und dem
gutcrhaltcnen') Apollon von Tenea in Münchcn, deren
Kvrperbildung nnd Haltung, Gcsichtsausdruck und
inncres Lcbcn eingehcndst gcprüft und verglichcn wer-
den; außerdcm werden König Chephrens Sitzbild,
Sokrates' Porträt, das Orpheusrelief der Billa Albani
und mancherlei andcre crhalteue Werke ägyptischcr und
griechischer Kunst zum Vergleich und zur Erläuternng
herangezogen.

Betreffs des früher vielfach vorausgesetzten uud
überschätzten Einfluffes Ägyptens auf dic Entstehung und
Entwickclung der Kiinst bei den Hellenen urteilt der
Verfaffcr gewiß richtig, wenn er dcnselben nur gering

*) Nur das mittlere Stück des rechten Armes ist er-
> gänzt.

') Vgl. Lübke, l, S. 3U9 oben,
 
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