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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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Richter, Jean Paul: Der angebliche Leonardo da Vinci in der Berliner Gemäldegalerie, [1]
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Die ungarische Landesausstellung in Pest, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0362

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711

Die ungarische Landesausstellung in Pest.

712

schmückte, -cks ein Wcrk dcS Brcnnantino cin." Mir
bleibt cs durchans zweiselhast, daß in dcm Bilde des
Mailänder Kirchleins statt S. Lucia die heil. Liberata
dargestellt war. Und wic will man es wahrscheinlich
machen, daß das Bild in Berlin niit dcr heil. Lucia
aus jcner Mailänder Kirche stanimt? VV. v. 8. spricht
es selbst auS, daß der Risorto aus den Berliner
Magazinen von Bramantino's Stil gar nichts
an sich habe. Die größte Schwierigkeit, welche dieser
neuesten Hypothese sich entgegenstellt, liegt aber in der
unbegründeten Voraussetzung, Leonardo habe für den
Hochaltar ciner Stadtkirche Mailands ein grvßcS Altar-
bild gemalt, ohne daß die Mailänder Topographen da-
von je gewußt hätten. Man begreift, daß Topographen
nnd sonstige oberflächliche Kunstschriftsteller Schulwerke
oder Kopien gelegentlich mit den glänzendsten Namen
ausstatten, aber es ist nndenkbar, daß Originalwerke
von der Hand dcr bedeutcndstcn Künstler, wclche, ohne
ihren Platz zu wechseln, in grvßen Städten beständig
vom Publikum bewundert werden, plötzlich untergeord-
neten Meistern zugeschrieben werden sollten. Wo ist
ähnliches je mit einem monumentalen Werke des Bellini,
des Tizian, des Paolo Veronese, des Fra Bartoloinmeo
oder des Andrea del Sarto geschehen?

Das Louvre und die Usfizien sind neben der
Pinakothek des Vatikans die cinzigen öfsenllichen
Sammlungen der Welt, welche unzweifelhaste Ori-
ginalbilder des Leonardo aufzuweisen haben. Wie
vr. G. Frizzoni in seiner Abhandlung über die
Londoner Nationalgalerie treffend bemerkt, läßt sich
die Summe dieser Leonardo'schen Originalbilder an
den Fingern einer Hand abzählen. Diesen Gemälden
wüßte ich sür jetzt nur noch ein kostbares Mädchen-
porträt, im Profil gesehen, in einer Privatsammlung
ebenfalls außerhalb Deutschlands, zuzuzählcn. Stellt
man nun mit diesen authentischen Werken den Risorto
aus den Berliner Magazinen zusammen, so müßte man
demselben nach Umfang und Erhaltung geradezu die
erste Rangstelle einräumen; denn die fast gleichgroße
Tafel der „Jungfrau mit der Felsgrotte" im Lvuvre
ist durch Übermalung fast ganz entstellt, während die
„Anbetung der Könige" in den Uffizien unvollendet
geblieben ist. Die anderen echten Bilder sind, wie
bekannt, weit geringeren Umfanges. Ein so welt-
berühmtes, weil auch allein gut erhaltenes Werk des
Leonardo, wie das Brustbild der Mona Lisa im
Louvre, müßte also gegen die vermeintliche neue Ent-
deckung in Berlin als eine untergeordnete Leistung in
den Schatten treten.

Die aufgezählten äußeren Bedenken werden durch
die folgenden Thatsacheu noch vermehrt. Wie W.
Bode im „Jahrbuch" mitteilt, stammt das Bild aus
der Solly'schen Sammlung, wo es als ein Werk der

Schule Leonardo's im Jahr 1819 zuerst genannt wird,
mit dem Vermerk: Melzi oder Cesare da Sesto, —
zehn Jahre später aber als „wahrscheinlich Bernardi-
nus de' Comitibus". Man riet damals noch Namen
aufs Geratewohl. Jm Waagenschen Katalog vom
2ahre 1830 hcißt es dann: „Mailändische Schule
unter Einfluß des Leonardo da Binci", und damit war,
nieines Erachtens, allcs gesagt, was sich in Aiicrkeiinuiig
des Bildes auch heute noch sagen ließe. Jm Jahre
1843 brachte man das Bild aus der Galerie in die
Magazine, doch wohl nur in der richtigen Erkenntnis,
daß die Räume einer Galerie wie die Berlincr für
Besieres berufen seien. Iean Paul Richter.

(Schluß folgt.)

Die ungarische Landesausstellung in j)est.

(Schluß.)

Wir haben bis jetzt die Scenerie zu skizziren vcr-
sucht; das ist das tote Bild. Das Bild empfängt aber
Leben durch die Menschen. Den Vormittag über mag
die Ausstellung von ernsten Besuchern durchschritten
werden, in den Nachmittagsstunden ist sie aber das
Stelldichein für die lebenslustigen Bewohner dcr Haupt-
stadt. Nahe der Stadt, in kaum zehn Minuten er-
reichbar — zahlreiche luftige, offene Gesellschastswagen
oder auf der glatten Holzbahn der Andrüsiystraße rasch
dahinrollende Ein- und Zweispänner vermitteln den
Verkehr, — strömt am Nachmittag eine bunte Menge
in die Ausstellung. Um 6 Uhr herrscht ein reges Leben
aus dem großen Rondell vor dem Jndustriepalaste.
Musik spielt an allen Ecken und Enden: hier eine gut
geschulte Militärmusikkapelle, dort eine nationale
Zigeunerbande. Auf der Jnsel versammelt sich die
Cröme der Gesellschast, dort kann man alle markanten
politischen Persönlichkeiten, welche die Hauptstadt im
Augenblicke beherbergt, dort die schönen Damen der
ungarischen Aristokratie sinden. Am Abend werden die,
nebenbei gesagt, tadellos funktionirenden elektrischen
Lampen angezündet, die den Raum vor dem Jndustrie-
palaste taghell beleuchten, und nun entwickelt sich ein
biö zum späten Abend andauernder italienischer Korso,
der allein schon den Besuch der Ausstellung verdient.
Eine heitere Menge flutet auf den wohlgepflegten Wegen
auf und ab, auf den Sesieln, welche die Wege ein-
fasien, sitzen glutäugige, elegante, nur vielleicht in et-
was zu helle und auffallende Farben gekleidete Frauen,
um alle Restaurants herrscht das regstc Leben, die
Töne des spezifisch ungarischen Jnstruments, des Cim-
balom — ein hölzerner Kasten mit Stahlsaiten über-
zogen, die durch einen Hammer zum Tönen gebracht
werden, — schwirren durch die Luft, die Militärmusik
spielt italienische Opernarien, ab und zu auch Wag-
 
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