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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 21.1886

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Brun, Carl: Aus dem Nachlaß Friedrich Webers
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Voss, Georg: Die deutsche Kunst auf der Weltausstellung zu Antwerpen, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5792#0036

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59

Die deutsche Kunst auf der Weltausstellung zu Antwerpen.

6V

hebt. Die Madonna schlingt den einen Arm um den
Leib des Knaben, während sie mit der Hand des anderen
seinen Fuß hält; sie hat die Augen niedergeschlagen
und das Haupt mit einem Tuche bedeckt; das Haar
fällt in Schlaugenlinien auf ihre Schultern herab.

Weber brachte, als er an den Stich der so-
eben beschriebenen Komposition herantrat, eine viel-
jährige Erfahrung mit. Das Wesen der alten ita-
lienischen Meister war ihm geistesverwandt, bereits
hatte er sein tiefes Verständnis für dieselben durch die
Wiedergabe von Werken Raffaels, Tizinns und Bor-
done's doknmentirt. Auch Luini war ihm ein guter
Bekannter; sein Stich nach dem Luganer Madonnen-
bilde von 1530 — es ist an diesem Orte schon darauf
gewiesen worden (vergl. Jahrg. 17, Nr. 33, 1. Juni
1882, S. 526—527) — halte ich für seine reifste
Arbeit. Was nun auf uuserem Blntte, welches die
Aufschrift „Vereinsblatt des schweizerischen Kunstvereins"
trägt und dessen Druck Fr. Felfing in München be-
sorgte, noch von feiner Hand herrührt, das wollen
wir und könnten wir auch nicht untersuchen. Wir
haben die Platte beini Hinscheiden des Meisters nicht
geseheu und müssen sie sertig als gemeinschaftliches
Werk Webers und Wagenmanns betrachten. Jm
großen und ganzen, darf man aber wohl sagen, ist der
Stich, abgesehen von einigen Rauheiten und Härten
— das Einzelne ließe sich nur vor dem Originale er-
örtern — eine wohlgelungene Leistung. Es kamen
1650 Exemplare zur Verteilung, von denen 500 aus
Basel, 350 auf Zürich und 240 auf Aarau fielen; im
übrigen waren Bern und St. Gallen mit je 100,
Genf, Glarus und Schaffhausen mit je 80, Luzern
und Winterthur mit je 50 Exemplaren beteiligt, Solo-
thurn hatte nur 20 Abdrücke bestellt. Jn die Rechte
Webers, der sich die ersten 400 zu beliebiger Ver-
fügung vorbehalten, ist der Baseler Kunstverein ge-
treten, so daß also auch solche, die dem Unternehmen
fern stehen, mit Leichtigkeit in den Besitz des wertvollen
Blattes gelangen kvnnen.

Zu aufrichtigem Danke sind wir Wagenmann
verpflichtet, daß er es unternommen, die begonnene
Arbeit unseres Baseler Kupserstechers zu beendigen.
Mit Liebe und vieler Sorgfalt hat er sich einer Auf-
gabe entledigt, welche, jeder wird es zugeben, ihre großen
Schwierigkeiten hatte. Das Bewußtsein jedoch, einmal
mit Friedrich Weber zusammcn gewirkt zu haben,
dürfte den Künstler für seine Mühe und Aufopferung
reichlich entschädigen und ihm in seiner ferneren Lauf-
bahn von bleibendem Nutzen sein.

Karl Brun.

Die deutsche Aunst auf der Weltausstellung zu
Antwerpen.

(Schluß.)

Mit dem realistischen Zuge unserer Zeit ist auch
die von Jahr zu Jahr fühlbarer werdende Abwendung
der deutschen Kunst von den mythologischen und allego-
rischen Stoffen unzertrennlich verbunden. Sckon dieser
llmstand allein bezeichnet treffend den durchgreifenden
Wechsel der Anschauungen, welcher in Deutschland die
Gemälde und Statuen der letzten Jahrzehnte von der
Kunst der ersten Hälfte des Jahrhunderts trennt. Jn
Frankreich ist dies anders. Die hervorragende Begabung,
welche die französischen Künstler in der Darstellung des un-
bekleideten Körpers besitzen, treibt dieselben immer wieder in
die der griechischen und römischen Antike abgelauschten Lieb-
lingsgebiete der Kunst zurück. Selbst die Realisten.
Bei uns in Deutschland scheuen dieselben noch Lavor
zurück. Der Grund ist doppelter Art. Zuuächst trägt
man Bedenken, diejenigen Sagenkreise, welche Dichter und
Künstler aller Zeiten uns in Jdealfiguren vorgeführt
haben, nun Plötzlich mit den Gestalten des uns um-
gebenden täglichen Lebens darzustellen. Allerdings fehlt
es auch iu den vergangencn Jahrhunderten nicht an
dem Beispiel vereinzelter Kunstrichtungen, die sich
nicht davor scheuten, die Gestalten der griechischen
Dichter von den Höhen des Olymps auf die Gaffe
herab zu zerren. Doch diese Beispiele sind entweder
zu wenig bekannt, als daß eiue in demselben Sinne
schaffende Malerei beim großen Publikum sofort auf
ein entgegenkommendes Verständnis rechnen könnte —,
oder diese Beispiele schrecken gerade zurück. Der Haupt-
grund aber, weshalb sich unsere Realisten vou diesen
Stoffen abwenden, liegt darin, Laß ihre Kunst noch
lange uicht diejenige Sicherheit in der Wiedergabe des
menschlichen Körpers gewonnen hat, welche selbst die
Pariser Jmpressionisteu immer wieder dazu treibt, auch
auf dem eigenllichen Stoffgebiete des Jdealismus ihre
Kräfte zu erprvben. Die Leutsche Abteilung in Ant-
werpen bringt unter ihreu 238 Gemälden nur sechs,
welche sich in dem Jdeenkreise der Antike bewegen.
Nur zwei unter diesen können als hervorragende
Leistungen bezeichnet werden, und diese beiden zeigen
eine durchaus realistische Zeichnung des menschlichen
Körpers. Es sind Ernst Zimmermanns „Musik-
unterricht" und Nikolaus Geigers „Akkord"; beide
Werke sind schon bei Gelegenheit der letzten Berliner
Ausstellung in diesen Blättern besprochen. Beide Werke
können auch als durchaus glückliche Proben, welche der
modernste Realismus auf diesem Gebiete gezeitigt hat,
betrachtet werden. Sowohl Zimmermanns Art, als
echter Sohn der heutigen Müncheuer Schule seinen
Stoff in der Weise eines vlämischen Meisters des
 
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