Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 21.1886

DOI Artikel:
Rosenberg, Adolf: Die Konkurrenz um das Lutherdenkmal für Berlin
DOI Artikel:
Levin, Th.: Die Porträtgalerie in Herrenhausen, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5792#0062

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
111

Die Porträtgalerie in Herrenhausen.

112

der Jury nicht ausreichend vertreten gewesen, nnd
wirklich haben drei Mitglieder der Jury, die Herren
Hofprediger Frommel, Geheimcr Oberregicrungsrat
Di'. Schvne nnd Geheimer Regiernngsrat Professor
Grimm an der Beratung und Prämiirung nicht teil-
genommen. Vielleicht wäre dann das Urteil anders
ausgesallen. Man denke sich in die Sitnation hinein:
nach seinen litterarischen Antecedentien und seiner ganzen
vst genng dokumentirten Geschmacksrichtung ist Geh.
Oberregierungsrat Dr. Jordan das einzige kunstwissen-
schaftlich gebildete Mitglied der Jury, ein Anhänger
jener ideal-klassischen Kunst, welche in Carstens, Ge-
nclli, Cornelius, Schnorr u. s. w. ihren Höhepunkt
gesunden hat. Er muß den Schmerz erleben, daß
fnr die Hauptstadt des neuen deutschen Reichs, in
welcher Cornelius, Schinkel nnd Nauch gelebt und
gewirkt haben, ein Lutherdenkmal mit dem ersten
Preise gekrönt und zur Ausfiihrung bestimnit wird,
welches im Schwulst der Formengebung und wildesten
NaturaliSmus seinesgleichen sucht. Geh. Rat Schöne
und Prof. Grimm gehvren in ihren persvnlichen An-
schanungen derselben ideal-klassischen Richtung an, und
soweit wir Herrn Hofprediger Frommel kennen, ist
auch er ein warmer Freund derselben. Jst es unter
diesen Umständen nicht zu beklagen, daß diese drei
Männer von den Sitzungen ferngeblieben sind? Wäre
im anderen Falle nicht doch vielleicht ein anderes und
besseres Nesultat erzielt worden?

Worin bestehen denn nun eigentlich die Vorzüge
dcs Ottoschen Entwurfs? diicht in der Luthergestalt,
nicht im Gesamtaufbau, also doch wohl in den Sockel-
figuren? Auch darin nicht. Die Gruppen von je zwei
Figuren, welche sich auf jeder Seite des Sockels in
echt malerischer Zufälligkeit zusammengefunden haben,
Spalatin mit Agricola, Jonas mit Kreuziger, erinnern
an die Gelegenheitsfiguren, die man auf Stusen und
Postamenten italienischer Denkmäler gelagert findet.
Einen wirklich genialen Wurf, eine monumentale
Haltnng zeigen nnr die beiden Gestalten von Hutten
und Sickingen, welche auf den Treppenwangen sitzen,
zwischen denen man zu der Plattform des Denkmals
emporsteigt. Um Huttens und Sickingens willen müsien
wir also ein in atlen übrigen Teilen verfehltes Luther-
denkmal in den Kaus nehmen, und man weiß nach
der Darstellung Ranke's hinlänglich, in welch losem
Zusammenhang Sickingen und Hutten mit Luthers Re-
formationswerk gestanden haben.

Da der Entwurf Otto's zur Ausführung be-
stimmt worden ist, hat es kein Jnteresse mehr, auf die
beiden anderen mit Preisen gckrönten Entwürfe einzu-
gehen. Nur nm das Schwankende und Zwiespältige
in den UrteilSgründen der Jury noch näher zu charak-
terisiren, wollen wir citiren, was über jene Entwürse

zu Papier gebracht worden ist. Über den Entwurf
von Hilgers (11. Preis) heißt es: „Nr. 19 crwarb
sich dank der Großartigkeit der architektonischen Anlage
nnd vermvge der krastvollen Charakteristik des Figür-
lichen ungeteilten Beifall, wenn anch ebenso cntschieden
die Zulässigkeit der die halbrunden Rampen Vvrn ab-
schließenden, an sich trefflichen Gestalten des Moses und
Paulus in diesem Zusammenhang angefochten wnrde."
An dem Römerschen Entwurf (III. Preis) „erfreute be-
sonders die Wahl und Darstellnng der in den drei
Gruppen am Postament zum Ausdrnck gebrachten
Wirkungen dcr Reformation, wie sie einerseits im
Glaubensleben und in der Geistesbesreiung dcs Volkes
(Abendmahl unter beiderlei Gestalt, Forschung in der
Schrift), andererseits in der Weihe des deutschcn
Psarrhauses durch Aufhebung dcs Cölibats hervor-
treten. Dagegen fand die Luthergestalt nur bedingten
Beifall; die Architcktur wurde einstimmig sür versehtt
erklärt".

DasResultat der Berliner Lutherdeiikmalkonknrrcnz
ist also nach dem Urteil der Jury folgendes:

I. Preis: Luther und Gesamtaufbau zn drastisch
und bedenklich.

II. Preis: Nebenfiguren unzulässig.

III. Preis: Luther nur bedingungsweise gesallend;

Architektur versehlt.

Jmmerhin kann sich Berlin zu diesem Resultate
Glllck wünschen; es erhält einen Luther, wie ihn keine
andere Stadt besitzt, einen „drastischen" Luther!

ALolf Rosenberg.

Die porträtgalerie in Herrenhausen.

(Schluß.)

Wilhelm IV. im Krönungsmantel und Admirals-
uniform, ganze Figur, von W. Beechey 1831 ge-
malt, erscheint als ein lediglich auf große dekorative
Wirknng zielendes Virtnosenstück ohne innere Ver-
tiefung, aber in diesen Grenzen als ein Trinmph der
englischen, auf die Bahnen der großen Niederländer
des 17. Jahrhunderts zu freiester Selbständigkcit vor-
gedrungenen Technik.

Aber alle genannten Werke wird der rafsi-
nirte Liebhaber der Salonkunst des Ottocento unbe-
achtet lassen, wenn er vor Lem weiblichen Porträt von
Gainsbvrough steht. Auf den ersten Blick könnte
man nach der in vielen Teilen nachlässigen Behandlung
versucht sein, das Bildnis der Gemahlin Georgs III.,
Sophie Charlotte, für eine Kopie zu halten. Bei
schärferem Hinsehen erkennt man indes sofort, daß
diese kapriziöse Technik überhaupt nicht kopirt werden
kann. Für den Akademiker sicher nichts als nngenieß-
, barer Manierismus! Die Manier gebe ich zu; aber
 
Annotationen