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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 21.1886

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Haendke, Berthold: Defregger als Historienmaler
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https://doi.org/10.11588/diglit.5792#0255

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21- Iahrgang.

Nr. 30.

s885/86.

Aunstchronik

6. Mai.

Wochenschrift für Aunst und Aunstgewerbe.

Ankündigungsblatt des verbandes der deutschen Runstgewerbevereine.

b)erausgeber:

Larl v. Lützow und Arthur j)abst

wien Berlin, W.

Cheresianumgasse 25. Aurfürstenstraße 3.

Lxpedition:

Leixzig: L. A. Seemann, Gartenstr. z5. Berlin: w. ks. Kühl, Jägerstr. 7Z.

Die Aunstchronik erscheint von Vktober bis Lnde Iuni wöchentlich, im Iuli, August und September nur aller ^ Tage und kostet in verbindung
mit dem Aunftgewerbeblatt halbjährlich 6 Mark. — gnserate, L 30 j)f. für die dreispaltige j)etitzeile, nehmen außer der verlagshandlung
die Annoncenexpeditionen von ^aasenstein L vogler in teipzig, wien, Berlin, München u. s. w. entgegen.

gnhalt: Defregger als^istorienmaler. — BuskenHuet, Rembrandts Heimat; Albrecht Adam. — EugeneIsabey °f. — Die Freilegung der Lphinx. —
Archäologische Gesellschaft in Berlin; Aarlsruhe: Generalversammlung des Badischen Aunstgewerbevereins; Das Aunstgewerbemuseum
in hrag. — Dresden: Ausstellungen; Berlin: die ls5. Sonderausstellung im königl. Aunstgewerbemuseum. — Aus ^amburg; Gdinburg:
Internationale Ausstellung; Die Aunstausstellung in Salzburg; venedig: Nationale Aunstausstellung für j887. — Gemäldeoersteigerung
bei R. Bangel in Frankfurt a/M.; Aölner Aunstauktion; Dresdener Aunftauktion. — Zeitschriften. — Inserate.

Defregger als tzistorieinnaler.

Defreggers Bedeutung für die Genremalerei, die
man sich gar nicht mehr ohne seinen Namen denlen
kann, ist wohl der Grund, weshalb ihm bisher der
Lorbeer des Historienmalers verweigert worden ist.
Trotz alledem aber hat der Künstler auch auf diesem
Gebiete Hervorragendes geleistet. — Die beiden Bilder,
die ihm den Rang eines Historienmalers geben, sind:
„Hofers Abschied" und „Der Schmied von Kochel".

Das erstgenannte Gemälde ist allerdings von der
Tageskritik ziemlich stark angegriffen worden. —
Dennoch ist es eine der bedeutendsten Schöpfungen,
die des Künstlers Pinsel je hervorgebracht hat; vor
allem an geistigem Gehalt. — Festen Schrittes und
ungebeugten Hauptes tritt der Tirolerheld aus dem
dunklen Kerker; ihm folgt der Geistliche und eine An-
zahl Svldaten. Rechts steht halb im Dunkel und ein
wenig tiefer die Exekutionstruppe. Ernst blickt Hoser
nach links auf seine Mitgefangenen, seine alten Kampf-
genossen. Vom furchtbaren Schmerze des Abschiedes
übermannt drängeu sie sich heran, um ihm zum letzten
Mal ins tapfere, treue Auge zu schauen, um zum letzten
Male seine Hände und Füße zu umklammern, um ihm
zum letzten Male zu danken, daß er sie um der Freiheit
des Vaterlandes willen zu einem Bunde vereinigt
und ihren Namen sür alle Zeiten in die ehernen
Tafeln der Weltgeschichte eingegraben hatte. — Wer
mag hier wohl von einem historischen Genrebild im
Ernst sprechen? Das historische Genre ist dasjenige,
das historische Persönlichkeiten im privaten Leben, im
Lichte der Alltäglichkeit darstellt. Jch srage weiter:

wer möchte im Angesichte dieses Gemäldes von „All-
täglichkeit" reden? Jn den tiefen Tönen des leiden-
schaftlichen, tragischen Pathos singt hier der Dichter in
Farben von dem edelsten Gute der Völker: der Freiheit,
die in Andreas Hofer auf den Plan hinausgeführt wird.

— Jn Mantua zum Tode

Führt ihn der Feinde Schar;

Es blutete der Brüder Herz,

Ganz Deutfchland, ach! in Schmach und Schmerz,

Mit ihm das Land Tirol.

Man verlangt von einem Historienbilde, daß der
Mensch iu demselben als der Träger einer historischen
Jdee aufgefaßt werde. Nun, kann man sich wohl je-
mals einen Menschen mit größerem Rechte als den
„Träger einer historischen Jdee" denken als Hofer?
Jst es nicht die verkörperte Jdee, die von Berg zu
Berg, von Thal zu Thal, in jede Hütte die zündende
Jdee der Vaterlandsbefreiung, der Vaterlandsliebe
trug? Wem steigt nicht der historische Lebensabschnitt
des Volkshelden beim Anblick des Defreggerschen Bil-
des auf? Wer sieht ihn nicht als beredten Sprecher,
als tapferen Anführer, der den Tod „so manchesmal
vom Jselberg" in die Reihen seiner Feinde trug? Jst
der Hintergrund, von dem sich dies alles abhebt, nicht
groß genug? Giebt es Erschütteruderes in der Welt-
geschichte als der Kampf eines Volkes um seine
Freiheit?

Jn der Nationalgalerie in Berlin befindet sich
ein Bild Lessings, das den Opfertod des Huß zum
Gegenstande hat. Kein Mensch hat je daran ge-
zweifelt, daß dies Bild ein Historienbild sei, trotzdcm
der Künstler mehr als einen genrehaften Zug hineinver-
 
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