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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 21.1886

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Das neue Münchener Panorama
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Danneckers künstlerischer Nachlaß
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https://doi.org/10.11588/diglit.5792#0316

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Das neue Münchener Panorama. " Danneckers künstlerischer Nachlaß.

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entsiammen. — Allbekannt unter seinen Schöpfungen
aus dieser Zeit ist das urgesunde kleine Bild: „Bor dem
Bade", cin reizendes Kind, nackt auf einem Brett über
dem Wasser sitzend und daneben in klassischer Ruhe
eiu Jagdhund. — Da trat an Len Künstler die Auf-
gabe heran, ein Panorama zu schaffen, das den Vor-
gang auf Golgatha behandelt. Er reiste mit seinen
beiden Kollegen, den obengenannten Knnstlern Frosch
und Krieger, nack Jerusalem, machte mit ihnen an
Ort und Stelle die nötigen Studien und heute steht
das Resultat davon vor nns, eine künstlerische
Schvpfung, vor der man vhne Zaudcrn sagen kann:
Hut ab! — und die trotz aller Freiheit dennoch streng
an die wissenschaftliche Forschnng sich gehalten hat.

Es würde zu weit führen, hier auf alle Details
des großen Werkes einzugehen.

Vor allem sei bemerkt, daß die figürliche Kompo-
sition in durchaus mäßiger Größe gehalten ist und
nicht dnrch räumliche Dimension sich dem Auge auf-
drängt. Der Standpunkt des Beschauers ist ein Hügel,
welcher, von der Stadt ebenso wie von der Stätte
Golgatha durch Bodensenkungcn geschieden, einen
weiten Ausblick in die Landschaft und über die Stadt
Jerusalem gewührt. Die Hauptaktion Vvllzieht sich
somit durchaus nicht in nächster Nähe des Beschauers.
Ebcnso ist bei dem Volkc, welches dem Akte beiwohnt,
nur die Massenwirkung ins Ange gefaßt, von der sich
einzelne, charakteristisch gehaltene Figuren, z. B. jene
des Annas und Kaiphas, loslösen.

Die Kreuzigungsgruppe bildet, an und für sich
dnrch die topographische Bcschaffenheit dcs Ortes schon
hierzu gemacht, den Kulminationspunkt des Ganzen.
Dort stehen die Jünger, die Frauen und Freunde des
Sterbenden, Gruppen, die ebenso ticf empfunden wie
gut gezeichnet sind. Zur Linken, in einem kleinen
Felsenthale, von dem aus der Richtplatz Uberschaut
werden kann, wogt und drängt der brüllende und
lästernde Mob, seinen Herren nnd gcistlichen Gebietern
zu gefallen, fortwährend Zuzug erhaltend durch die
Karawanen, die auf der Straße von Jaffa her des
Osterfestes wegen nach Jerusalcm wandern und sv
direkt in das Schauspiel hineingeraten, welches sich cbcn
abwickelt. Rechts von der Schädelstätte senkt sich das
Terrain ebenfalls zu einem breitcn Thale nieder, das
längs den gewaltigen Mauern vvn Jerusalem sich hin-
zieht. Dort hat sich das bunte Leben cines orienta-
lischen Marktes entwickelt, Stätten nnd Zelte sind auf-
geschlagen, die Kamcle an Pflöcken zusammengekoppelt
— es ist ein Bild, das mit dem großartigen Drama
in keiner näheren Verbindung steht; aber es tritt
diesem auch in keinem Punkte, trotz der Reichhaltigkeit
seiner Komposition, störend in den Weg. Die Ver-
bindung des plastischen Vordergrundes mit der Malerei

ist durchweg vortrefflich zu nennen. Und die Land-
schaft! Diese großen breiten Massen, die ruhigen weiten
Linien, die Sterilität des Bodens, kurzum das ganze
Erfassen der Characteristica einer Landschaft, es ist in
dem tiefen ernsten Tone, der durch das Ganze zieht,
folgerichtig durchgefllhrt. Nicht eine einzige Partie
fällt heraus, es ist durchweg eine getragene Melodie
im großen Symphoniestile. Der Himmel ist flimmerig,
graublau — den Worten der Schrift entsprechend:
Und es war um die sechste Stunde, und es ward eine
Finsternis über das ganze Land, bis an die neunte
Stunde, und die Sonne verlor ihren Schein und der
Vorhang des Tempels zerriß mitten cntzwei!

Die Wirkung des entrollten Bildes ist eine ge-
waltige, erschüttternde, das Ganze ein künstlerisch so
reifes Werk, daß man mit Freuden sagen kann: noch
hat der öde Jmpressionismus nicht alles Terrain er-
obert, noch sind sie nicht alle Naturabschreiber geworden,
wobei allerdings die Kopie oft verdammt viel lücken-
haster und geringer ist als die Originalhandschrift
selbst. v. U.

Danneckers künstlerischer Nachlaß.

Vor kurzem sind die königl. württembergischen
Kunstsammlungen teils durch Bermächtnis, teils durch
Ankauf in den Besitz von Danneckers künstlerischem
Nachlaß gelangt. Wenn man erwägt, daß Stuttgart
die alleinige Stätte der Wirksamkeit des Meisters war
und daß die königl. plastische Sammlung die fast voll-
ständige Neihe seiner ausgeführten Werke teils im
Originale, teils im Abguß besitzt, so wird man es nur
freudig begrüßen können, daß nun auch sein Nachlaß
hier ein fllr ihn einzig passendes, für Lehre und Stu-
dium dic mciste Frucht versprechendes Asyl gefunden
hat. Es besteht derselbe aus einem halbcn hundert
Skizzen und Modcllen in Thon und Terrakotta für
ausgeführte oder projcktirte Arbeiten des Künstlers, so-
wie Abgüssen in Gips nach vollendeten Wcrken und
in etwa zweihundert Blättern Entwürfen und Zcich-
nungen, wozu noch zwei Skizzen- nnd Notizbücher
kommen. Wenn auch die Bedeutung Danneckers, der
Art und dem Grad seiner Begabung entsprechend, mehr
als bei manchem anderen Kunstgenossen erst in seinen
Vvllendeten Werken ganz zur Geltung kommt, so bietcn
doch diese vorbereitenden Arbeiten einen überaus
interessanten Einblick in die geistige Werkstätte des
Meisters, indem sie uns gleichsam Lie Keime seiner
Schöpfungen enthüllen und uns oft gestatten, ihrer
Entfaltung Schritt für Schritt bis znm vvlligen Reifen
der Frucht zu folgen. Der Wert des Nachlasses wird
aber noch durch den Umstand erhöht, daß für sämt-
 
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