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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 21.1886

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Piloty
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Verschiedenes / Inserate
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683

Kunstlitteratur.

684

Seit dem 16. Juli stellten sich so bedenkliche Magen-
blutungen ein, daß man seinen Tod schon damals be-
fürchtete. Am 20. Juli war das Bewußtsein entflohen
und am 21. Abends 7^2 Uhr verschied er. Sein
Leichenbegängnis, das am 24. Juli Abends 5 Uhr
stattfand, bewies, welch hohe Achtung er in München
und unter der übrigen dentschen Künstlerschaft ge-
nossen hatte. Bildhauer Widnmann widmete ihm als
ältester Professor der Akademie, Eugen Stieler als
Vorstand der Münchener Kunstgenossenschaft einen be-
geisterten Nachruf. Von Karlsruhe war Keller, von
Stuttgart Fabre du Faur und Schraudolph, von
Wien Sigmund l'Allemand, von Düsseldorf Ed. v.
Gebhardt zugegen, und fast alle Künstlergesellschaften
und Kunstgewerbeschulen Deutschlands ließen Kränze
am Grabe niederlegen. Jn der That hat die Mlln-
chener Akademie durch den Tod des Meisters einen
großen Verlust erlitten, und es ist noch nicht abzu-
sehen, wie sich nunmehr die Verhältniffe gestalten
werden. Denn während früher ziemlich allgemein
Lindenschmidt als der Nachfolger Piloty's bezeichnet
wurde, hat es neuerdings den Anschein, als ob die
Direktorstelle überhaupt nicht wieder besetzt werden und
fortan auch in München eine Künstlerrepublik bestehen
werde. Nttir.

Aunstlitteratur.

II VNIN220 Vitsllssolli irr Qornsto ü?g,r<znir>iu

rilsvnto s äesoritto än IiniAi Lotki nrollitotto.

Nilano 1886, 17. Ilosxli. Gr. Fol.

Wer den interessanten Ausflug von Rom nach
Corneto, jetzt so leicht durch die Eisenbahn zu er-
reichen, unternimmt, den locken vor allem die Wunder
einer der großartigsten Nekropolen der Welt, des alten
Tarquinii. Aber man bekommt dabei einige sehr
merkwürdige mittelalterliche Denkmäler in den Kauf,
und unter diesen ist in erster Linie der mächtige
Palazzo Vitelleschi zu erwähnen, vom Volksmund ins-
gemein als „Palazzaccio" bezeichnet, in der kunstge-
schichtlichen Forschung bis jetzt kaum bekannt. Selbst
der so fleißige Mothes nennt dies merkwürdige
Monument des Mittelalters nicht; nur der unermüd-
liche Gsell-Fels weist in seinem trefflichen Reisebuch
„Rom und Mittelitalien" darauf hin. Als erfreu-
liches Zeichen von dem in Jtalien erwachten Sinn
für die Monumente des Mittelalters, den wir wohl
nicht ohne den Einfluß der geistreichen Arbeiten Boito's
zu denken haben, erhalten wir in vorliegendem Werk
eine Darstellung jenes Palastes, die ebenso grllndlich
in der architektonischen Aufnahme wie eingehend in
der erschvpfenden Mitteilung dieses bedeutenden Monu-

mentes bis in die kleinsten Einzelheitcn uns mit dem-
selben vertraut macht. Wie das kürzlich besprochene
Steinbrechtsche Werk über Thorn dem Boissonnct-
Stipendium an der Berliner Technischen Hochschule
seine Entstehung verdankt, so Wurde dieses durch die
Oggioni-Stiftung an der Mailänder Akademie hervor-
gerufen. Der Verfaffer hat seinen Gegenstand aufs
sorgfältigste erschöpft und in 29 Tafeln des koloffalen
Maßstabes von 72 zu 52 ern zur Darstellung ge-
bracht.

Der Palazzo Vitelleschi wurde um 1435 durch
jenes mächtige Mitglied der seit dem 12. Jahrhundert
in Corneto ansässigen Familie errichtet, welches in
der damaligen Geschichte Roms eine hervorragende
Rolle spielt. Giovanni Vitelleschi wurde schon 1422
durch Martin V. zum apostolischen Protonotar ernannt,
dnrch Eugen IV. zum Bischof von Recanati und
Statthalter der Mark erhoben. Seit 1435 Erzbischof
von Florenz, bald darauf Patriarch von Aleffandria,
hielt er in dem unruhigen Rom von 1434—1440 die
päpstliche Gewalt mit starkem Arm aufrecht, warf die
widersetzlichen Vasallen nieder und verfuhr bei diesem
Werke im Sinne jener Zeit mehr als gewaltthätiger
Kriegsmann denn als Manu kirchlicher oder christlicher
Gesinnung. Aber da er des geheimen Einverständnisses
mit Herzog Maria Visconti von Mailand verdächtigt
wurde, nahm ihn 1440 das Gefängnis der Engels-
burg auf, wo er im Bersuch gewaltsamer Befreiung
ums Leben kam.

Ganz diesem Bilde eines mittelalterlichen Kriegs-
mannes entsprechend, zeigt sich uns der von ihm er-
baute Palast. Obwohl Vitelleschi damals in Florenz
den Beginn jener großen Bewegung erlebte, welche zu
einer völligen Erneuerung der Kunst im Geiste des
klassischen Altertums führen sollte, verriet sein Werk
im ganzen noch den ungebrochenen Geist des Mittel-
alters, und wenn die Tradilion recht haben sollte,
die ihn hundert florentinische Werkleute zur Auffüh-
rung seines Palastes kommen läßt, so waren dies
sämtlich Arbeiter, welche sich in die Traditionen des
Mittelalters steckten. Dennoch fehlt es dem Bau nicht
an einem kleinen Schmuckstücke der Frührenaiffance:
das Hauptportal mit seinem antikisirenden, Giebel und
seiner feinen Einfassung erinnert an die ersten
Schöpfungen des neuen Stiles, wie sie Florenz damals
darbot. Allein es ist bezeichnend, daß die Tradition dies
Portal von dem zerstörten Palästrina hierher trans-
Portirt sein läßt. Verschwiegen darf indes nicht
werden, daß in gewissen Teilen des Palastes einzelne
Anklänge an den neuen Stil sich ebenfalls bemerklich
machen. Denn wie in so vielen italienischen Bau-
werken jener Zeit läßt sich in den Formen deutlich
jene Gärung der Anschauungen erkennen, welche zu
 
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