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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Schmidt, Wilhelm: Wenzeslaus de Olomucz
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195

Wenzeslaus de Olomucz.

196

verweilt, xrsssntl^, diese Erzeugnisse und zwar „zur
Handübung".

Auf den Schultern dieser Ansicht ruht auch Fritz
Harck: „Das Original von Dürers Postreiter", in den
Mitteilnngen des Jnstituts für österreichische Geschichts-
forschung, 1880, I, 579. Er modifizirte sie aber da-
hin, daß Wolgemut nun nicht mehr bloß nach Studien-
blättern seine Kupfer stach, sondern daß Dürer ihm
förmliche, fertig gezeichnete Darstellungen vorlegte, die
dann Wolgemut nachfuhr. War bei Colvin dem Wol-
geniut immerhin noch eine gewisse Selbständigkeit ver-
blieben, indem er doch die Studien noch verarbeitet
hatte, so war bei Harck der 60 bis 70jährige ehrsame
Malermeister zu einem thatsächlichen Kopisten seines
Schülers herabgesunken. Allerdings war, wenn man
an Wolgemut überhaupt festhielt, die Harcksche An-
nahme die natürlichere; denn nimmermehr hätte Michael
in seinen sechziger Jahren, auch mit Benutzung fremder
Studien, solche in sich abgeschlossene und fertige Kunst-
werke hervorgebracht, die eine neue Epoche der deut-
schen Kunst zu eröffnen bestimmt waren. Wer war
denn eigentlich Wolgemut? Wolgemut, 1434 geboren,
war in den Niederlanden oder doch mindestens in Köln
gewesen und hatte von dort die flandrische Malweise
mitgebracht. Allein er bleibt in allem hinter den
Niederländern zurück. Seine Typen sind schematischer,
seine Zeichnung ist lebloser und weniger plastisch, sein
Ausdruck hölzerner, und es genügt etwa zur Ver-
gleichung, auf Meister wie van der Weyden und Messys
zu verweisen, um zu zeigen, daß der Nürnberger auch in
der Schilderung von Trauer und Extase hinter den
Flandrern zurückbleibt. (Beiläufig bemerkt, halte ich die
große aus Bamberg stammende Kreuzigung in der Mün-
chener Pinakothek sür einen zuverlässigen Wolgemut;
leider ist nur der Firnis stark vergilbt und schmutzig
geworden, was andererseits freilich zur Folge gehabt
hat, daß dem guten Nürnberger bereits „Tizianische
Krast und Goldglut in der Farbe" zugesprochen wor-
den ist).

Harck hatte übrigens nicht mehr, wie noch Colvin,
geradezu auf Wolgemut selbst bestanden, sondern zog
auch dessen Atelierzu Hilfe: „Hinter dem Monogrammi-
sten IV steckt Wolgemut oder doch wenigstens dessenWerk-
statt". R. Vischer, Studien zur Kunstgeschichte, 1886,
S. 332, griff das auf und hielt eine Suche unter den
verschiedenen Nürnberger Künstlern jener Tage, kani
jedoch zu keinem ganz bestimmten Resultat, wer der
W sei, wenn er auch (S. 337) an Hans Krug den
älteren erinnert: „Entfernt erinnern an Ludwig Krugs
Stiche diejenigen des Monogrammisten W, so daß
man in denselben Hans Krug den älteren vermuteu
könnte". Dieses „Erinnern" kann ich jedoch nicht zu-
gebeu. Auf S. 340 sagt Bischer: „.drängt sich

vor allcm der Gedanke auf, Diirer selbst habe die nill
W signirten Stücke wenigstens stückweise gefertigt, nichi
nur die Zeichnungen hierzu. Könnten ihm nicht wenig-
stens Lie Vorritzungen niit der Nadel zugerechnet wer^

den?" Auf 341: „.so ist bei der Annahnie,

daß das W das Zeichen der Firma Wolgemuts ists
wohl zu erkennen, daß es sich hier nicht um diesen
selber handeln kann, sondern um einen fiir ihn (Wo^
gemut) thätigen Kupferstecher, welcher wohl Schon-
gauers Schüler gewesen war, dann aber durch d>e
Kunst A. Dürers und italienischer Quattrocentiste»
einige Anregung erfuhr, so daß er demgemäß seine
Technik umzubilden versuchte. Möglich, daß Dürer
niit ihm befreundet war und gemeinsam arbeitete, fe
daß er sich solchermaßen um so eher entschließen konnte,
seine Waren noch einmal unter der Flagge Mich^
Wolgemuts zu versenden, da doch sein Freund da^
Steuer führte. Man könnte etwa an Hans Glim denkeN.
Es hält uns aber nichts ab, daß dieser Uubekannte en>
von Wolgemut unabhängiger, besserer Künstler war,
desien Name gleichfalls niit W beginnt. Wolf Trant
von Speier? Peter Wagner? oder irgend ein andercr,
von dem sich keine Kunde erhalten hat? Jn diese»'
Falle können wir uns etwa vorstellen, daß Dürer, voN
der Wanderschaft heimgekehrt, um sich zunächst als
Stecher auszubilden, zu diesem in die Lehre trat,
dessen ausgiebiger Beihilfe seine Zeichnungen in Kupf^
stach und unter dem Monogramm, Firmazeichen des^
selben veröffentlichte." Aber die Wstiche sind doch voN
den notorischen Dürerblättern in der Technik so ver^
schieden, daß man nicht annehmen kann, daß Dürer,
wenn auch mit ausgiebiger Beihilse eines anderen, auch
die Wstiche gestochen habe. Diese Wblätter zeigeN
nämlich nur Eine Hand.

Man sieht, wie allmählich ein förmlicher RatteN"
könig von Hypothesen crwuchs und zwar ganz noU
wendiger Weise, sobald man überhaupt an Bartsch^
Ausstellung zweifelte. Man kann es allerdings deU
betreffenden Forschern nicht so übel nehmen, wenn st^
doch einmal an der Prämisse selbst festhalten zu müssc"
glaubten, nur ist Wolgemut dabei allmählich fast ganZ
verflüchligt worden: im Anfange war es Wolgeninl
ganz, dann benutzte er Studien eines Schülers, daN»
gnb dieser die vollständige Vorlage dazu, ferner brauchl^
es nur die Werkstatt Wolgemuts zu sein, und zu gutet
letzt konnte es auch ein von Michel ganz unabhängigek
Künstler sein, wenn sein Name nur mit W ansing'
Das Letztere ist allerdings auch unsere Meinung, wi^
man weiter unten sehen wird.

Die Rangerhöhung hatte aber für den arnie"
Monogrammisten auch cine schlimme Folge: die Kunst^
geschichte als Medea zerschnitt ihn nämlich nach Be^
lieben in verschiedene Stücke und warf sie in dc>>
 
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