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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Die "Allotria" in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0259

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22. Iahrgang.

Nr. 22.

Aunstchronik

1886/87. s t 19. Mai.

IVochenschrift für Aunst und Aunstgewerbe.

Ankündigungsblatt des verbandes der deutschen Aunstgewerbevereine

^erausgeber:

Larl v. kützow und Arthur j)abst

wien Berlin, VV.

Lxpedition:

Leipzig: L. A. Seemann, Gartenstr. zs. Berlin: w. H. Kühl, Iägerstr. 7Z.

Die Aunstchronik erscheint von Vktober bis Lnde Iuni wöchentlich, im guli, August und September nur uller 14 Cage und kostet in verbindung
mit dem Runstgewerbeblatt halbjährlich 6 Mark, ohne dasselbe ganzjährlich 8 Mark. — gnserate, L 30 ssf. für die dreispaltige ssetitzeile,
nehmen außer der verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein L vogler in Leipzig, wien, Berlin, München u. s. w. entgegen.

^nhalt: Die „Allotria" in München. — Die Ausstellung von Bildern älterer Meister zu Düsseldorf. (Schluß.) — ). Schönbrunner, Die ver-
schiedenen Malarten; /b'r. ^llnari, 'l'erra ^ppenälce; Denkschrift zur Lrinnerung an die Wiederaufrichtung des Iustitiabrunnens in
Frankfurt a. M.; Dresdener Galeriewerk. — Das Altarwerk von Ambierle. — j)reisausschreiben für Lntwürfe einer Flasche bez. eines
Aruges; L. L. Leitschuh. — Archäologische Gesellschaft in Berlin; Die kunstgeschichtliche Gesellschaft in Berlin.—Rembrandt-Ausstellung
in Boston. — Ld. Aaiser; Die Lnthüllung der Florentiner Domfassade. — wiener Aunstauktion; Londoner Aunstauktion; j)ariser Runst-
auktion. — Neue Bücher und Zeitschriften. — gnserate.

Die „Allotria" in München.

Ntbr. Ein crinnerungsreicher nnd malerischer Teil
des alten Münchcn ist soeben wieder dem Moderni-
sirungsbediirfriis der Neuzeit zum Opfer gefallen. Es
>st noch nicht sv lange her, da zogen sich nm die fried-
llche Stadt noch wehrhaste Mauern, die sich vom SenL-
lingerthor zum Angerthor, vom Zsarthor zum Karls-
thor nnd zur Herzog-Maxbnrg erstrcckten. Zwar wnrden
keinc streitbarcn Landskncchte mehr bei den Schießscharten
und Anslngfenstern gesehen; nur Seiler und Lohgcrber
trieben hier ihr ehrsames Handwerk. Jahr um Jahr
schwand jedvch das alte Gemäuer mehr ziisaminen, nnd
cndlich war nur noch der kleine Rcst zwischen dem
Karlsthor und der Herzog-Maxburg ttbrig. Damals,
Zur Zeit als das Jnteresse am dentschen Kunstgewcrbe,
an „Unserer Väter Werken" wieder erwachte, hatte sich
gerade eine Gesellschaft jttngerer Künstler, die „Allotria",
in München gebildct. Lorenz Gedon, einer der Grün-
der derselben, war cs, der sich eines Tages in jenes
Winkelwerk von Stuben, Kammern und Gängen an
ber Stadtmauer verirrte imd den Plan saßte, hier aus
dem Nichts herans eine Heimstätte für die Gesellschaft
zu schaffen, der er mit Leib und Seele angehvrte. Vor
der Mauer am Jsarthor wurde sofort ein trauliches
Gärtchen angelegt, und auch in den kahlen Jnnen-
väumen ging bald eine märchenhafte Veränderung vor
sich. Die kleinen Gelasse und unheimlichen Gänge ver-
schwanden und verwandelten sich in eine gewvlbte ro-
uianische Halle; die ärmlichen Gucklöcher wurden durch
kurze Sänlen in stilvolle Nundbogenfenster nmgestaltet.
Ilber dem Eingangsthor baute sich eine Einpore auf,

deren Brüstung vier prächtige Narrenfiguren, Abgüffe
der bckanntcn mittelalterlichen Holzbildwerke im alten
Nathanssaale als Schmuck crhielt, währcnd am ent-
gegengesctzten Saalende cin behaglicher holländischer
Kamin errichtet wurde. Durch ein steinernes, d. h.
aus Gips hergestelltcs altes Thor, das verwittcrt die
naive rvmanische Sknlptnr srühcster Zeit imitirte, ge-
langte man in die Nebenzimmer. Nachdem auch diese
zweckentsprechend nmgestaltet waren, ergrisfcn 1883 die
Mitgliedcr der Allvtria von ihrcm neuen Heim Besitz,
indcm jeder zur weiteren Einrichtung des Künstler-
schlosscs das Seinige beitrug. Bald prangten die Wände
im Schmucke von Gemäldcn alter nnd neuer Mcister;
an der Seitenwand erblickte man das Porträt Lorenz
Gedons, so lebenswahr, wie cs nur der Pinsel eines
Lenbach schaffen konnte. Ein originelles Lüsterwcibchcn
erhellte das mit gotischen Tischen nnd Stühlen auS-
gcstattete Kncipzimmer. Gar inanierliches Gcräte aus
der späten Mittelalterszeit, wo gernäß dem deutschen
Durst das deutsche Knnstgewerbe sich entwickelt hatte,
stand in btankem Zinn anf alten Kästen und Gestellen,
daruntcr der gewaltige Humpen, ans welchem dem
Fürsten Bismarck bei dessen letztcm Hiersein ein Trunk
kredenzt wurde. Jn den ehrwürdigen Schränken spei-
cherten sich witzige Kneipzeitungen auf, mit Meister-
werken der Karikatur von F. A. Kaulbach, H. Lossow
u. a. geziert. Wertvolle Teppiche und riesige aus
Brasilien geschickte Palmzweige bedeckten immer reich-
licher die Wände und verliehen der Halle allmählich
jene stilvolle Eleganz, die sie zu einem echten, gemllt-
lichen Künstlerheim niachte. Gar viel der Kunst und
dem allgemeinen Besten Fvrderliches wnrde in ernster
 
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