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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause, [3]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0269

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533

Korrespondenz.

534

^ie sich hLufcnden Klagen der Kttnstlerschaft nicht zu
dauerndem Mißmnt und völliger Mutlosigkeit ansarten
svllen. I..

Aorrespondenz.

Dresdon, Anfang Mai 1887.

8. 8 Nachdem sowohl im Kunstverein zu

Mttnchen als auch in der Nationalgalerie zu Berlin der
dlachlaß des unlängst vcrstorbenen Mttnchener Malers
Karl Spitzweg ausgestellt worden war, gelangte der-
selbe auch zur Ausstellung im sächsischen Kunstverein
»u Dresden, wo er um so größeres Jnteresse erregen
Uiußte, als die Werke dieses vortrefflichen Kttnstlers,
die während seines Lebens nur den näheren Freunden
Und Verehrern zugänglich zu sein pflegten, hier noch
ganz unbekannt waren. Da sowohl die Zeitschrift
(Jahrgang XXI, S. 77—82) als auch die Kunstchronik
(1886/1887, Nr. 8) eingehend die Eigenart Spitzwegs
gewllrdigt haben, ist es nicht nötig, noch einnial dieselbe
genauer darzulegen. Nur möchten wir uns die Be-
uierkung crlauben, daß nach den in Dresden zur An-
schauung gebrachten Bildern Spitzweg vor allem als
"n hochbedeutender Landschaftsmaler erscheint, der sich
eben so gut wie der ihm eng besreundete Eduard
Schleich senior auf die Stinimungsmalerei verstand. Ein-
Zelne Nummern, wie der „Kirchgang bei Dachau", der
«Wanderer auf der Heide", namentlich aber der Ein-
gang in ein stilles Waldthal (Nr. 59 „Landschaft")
stnd geradezu meisterhaft in der Feinheit des Kolorits
und in der Wiedergabe der Stimmurig.

Gleichzeitig mit dem Nachlasse Spitzwegs gelangte
eine grvßere Landschaft des hiesigen Akademieprofessors
Friedrich Preller zur Ausstclluiig. Preller bietet uns
auf dcrselben einen Blick aus die Wartburg von einer
dcr umliegendcn HLhen, welche sich eben erst mit dem
srischen Scbmuck des Lenzes bedcckt haben. Das ver-
schiedene junge Grttn des Laubwaldes ist mit viel
Glück wiedergegcben, so daß der Beschauer den ganzen
Zauber des deutschen Frtthlings vor seinen Augen aus-
gebreitct sieht. Es licgt immcr ein Zug von Grvße
in der Naturauffassung Prellers, während Eduard
Leonhardi, der in dieseni Frtihjahr cine große Frncht-
barkeit entwickelt, fortfährt, sein Talent an niedliche
Kleinigkciten zu verschwenden. Das gilt ebensowohl
bon seinen „Schmugglern in einer Waldschlucht" d. h.
>n einem der engen Felsengrttnde der sächsischen Schweiz,
als ganz besonders von seineni neuesten Bilde: „Am
Waldessaum in der Maienzeit", wv wiederum jeder
Baum und Strauch, jedes Farrenkraut und jeder Gras-
halm mit peinlichster Sorgfalt ausgeführt ist und trotz-
dcin der Gesamteindruck höchst ungünstig sich gestaltet,
>veil cine Menge schöner Einzelnheiten noch lange kein

Kunstwerk ausmacht. Jn den entgegengesetzten Fehler
verfiel Karl Rettich aus München in seinem umfang-
reichen „Morgen am Waldsee aus Holstein". Der-
selbe ist offenbar die Arbeit cines routinirten Künstlers,
der zu malen versteht; aber an die Stelle liebevoller
Versenkung in die Herrlichkeiten der Natur ist hier eine
theatralische Effekthascherei getreten, die dem wahren
Kttnstler ebenso fern liegt, als die llbertriebene Be-
tonung des Details. Rettichs Waldsee, der von mäch-
tigcn Bnchen im frischesten Laubesschmuck umstanden
und von Seerosen und anderen Wafferpflanzen be-
deckt ist, hat daher nur einen dekorativen Wert und
verliert bei längerer Betrachtung wesentlich seine An-
ziehungskraft, die ihm beim ersten Anblick nicht abzu-
sprechen ist.

Neben der Landschaft war das Porträt gut, ja
zum Teil ganz vorzüglich vertreten. Leon Pohle hatte
nämlich wiederum eines seiner Bildnisse ausgestellt.
Diesmal einen älteren Herrn in derselben sitzenden
Stellung, wie sie sein ausgezeichnetes Bildnis des
Malers Peschel in der königl. Galerie zeigt. Auch in
allen übrigen Stiicken ruft das neue Bild die Er-
innerung an das genannte wach: hier wie dort eine
geradezu erstaunliche Ähnlichkeit, eine seltene Feinheit
der Zeichnnng und eine gedicgene koloristische Aus-
ftthrung, Eigenschaften, die Pohle seinen hohen Rang
unter den gegenwärtigen deutschen Bildnismalern ver-
liehen haben. Besonders wirksam ist auf unsereni
Bilde die Abstufnng der Farbeu: der schlichte schwarze
Rock hebt sich aufs vorteilhafteste von dem herabge-
glittenen braunen Pelz ab, der wiederum mit dem
warmen gelben Ton des Hintergrnndes prächtig zu-
sammenstimmt. Pohle überragt als Kolorist sämtliche
seiner Dresdener Kollegen um mchr als Haupteslänge,
selbst dcn meistens recht tüchtigen Paul Kießling
nicht ausgenommen, der soeben eine umsangreiche Bildnis-
gruppe einer vornehmen sächsischen Adelssamilie voll-
endet hat, jedoch mit ihr nicht über das bloße Re-
präsentationsbild hinausgekommen ist. Jndessen bleibt
Kießling in diesem Werke nicht nur in bezug aus das
Kolorit weit hinter Pohle zurllck, sondern auch in be-
zug auf die Natürlichkeit und Ungezwungenheit dcr
Anordnung der dargestellten Personen. Vergleicht man
nämlich Pohle's vor einigen Jahren gemalte Bildnis-
gruppe der Kinder Sr. königl. Hoheit des Prinzen
Georg mit derjenigen Kießlings, so sällt der Vergleich
anch in dieser Hinsicht sehr zu Ungunsten des letzteren
aus. Am erfreulichsten erscheint noch die Haltung der
Kinder, die sich an die an einem Tisch sitzende junge
Mutter anlehnen oder auf dem Tisch sitzen und sich
über ihn hinweg bengen, während der Vater in Kammer-
herrnuniform in seiner steifen Paradestellung gar nicht
befriedigt. Dazu kommt nock, daß der Maler viel zu
 
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