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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Korrespondenz München, [8]
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Ausstellung in der Berliner Nationalgalerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0277

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Ausstellung in der Berliner Nationalgalerie.

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vor allem fcrlig gemalt sehen will, nicht in dem Sta-
dium, wo sie kiinstlerisch am reizvollsten wirken. Fiir
Keller selbst sind es fertige Bilder, bei denen er gerade
in dem Momente aushörte, wo die Mache ihn noch
kiinstlerisch beschäftigte, ehe sie in das handwerksmäßige
Fertigmachen übergeht. Jm Einhalten dieses Punktes
ist Keller bekanntlich Meister, daher kommt es auch,
daß er unter Künstlern eines so außerordentlichen
Rufes sich erfreut, während er der großen Masse ziem-
lich unbekannt blieb. Zwang hat er sich bei der An-
fertigung dieser Skizzen nicht angethan, die er offenbar
zur Erholung nach der Vollendung seines letzten großen
religiösen Bildes malte. Er malte frisch von der Leber
weg, wie es ihm gerade in die Hand kam, bald goldig,
bald blaß grünlich, bald chic, bald ganz nebelhast, —
immer aber koloristisch entzückend und reizvoll. Das
Porträt seiner Gattin in Weiß auf hellrotem Grunde
läßt in der Zeichnung manches zu wünschen übrig,
wahrend ein Kinderporträt und ein elegantes Boudoir-
interieur mit einer Dame in pikanter Morgentoilette
in gutem Sinne an den belgischen Pariser Stevens
erinnern. Der Kopf einer Bacchantin mit goldener
Blätterkrone auf Goldgrund ist ebenfalls ein gut ge-
löstes Farbenproblem, wie auch das Bild einer Nymphe,
die sich unter grünen Bäumen am Rande eines Mar-
morbassins im Wasser spiegelt, eine wahrhaft magische
Beleuchtung aufweist. Jn noch viel höherem Sinne
gilt das freilich von dem letzten Bilde, welches er
„Nixenspiel" betitelt. Ein Mann ist am Ufer einge-
schlafcn, und als er erwacht, ist alles mit Nebel be-
deckt. Er sieht wohl etwas, aber was ist's? Sind's
Bäume? Sind's Vögel? Sind's Weiber? Das slutet so
hin und her, das schwankt und wankt bald hierhin,
bald dorthin; bald ist's ein Baumstumpf, bald eine der
Seejungfrauen, bald ist's wieder ganz verschwunden.
So tanzen die Nixen und ziehen den Schläfer ins
Meer; er weiß nicht, ist's Traum, ist's Wachen, ist's
Teufelsspuk; dabei klingt und klirrt es leise im Röhricht,
der Mondschein tanzt über Busch und Wasser — man
glaubt, man träumt einen wüsten und doch schönen
Traum.

Sonst zeichnete sich unter den Genrebildern noch
ein großes, mit viel Farbenfrische gemaltes Bild von
I. Vesin aus, das eine Schlittenfahrt zu einer
Bauernhochzeit in Obcrungarn darstellt, während unter
den Landschaften Keller-Reutlingen's „Sommer"
durch eine wunderbare Feinfühligkeit im Ton ausfiel.

Was endlich das neue Panorama der „Schlacht
von Gravelotte" aus der Theresienhöhe anlangt, Las
nach dem Entwurfe des Prof. Th. von Eckenbrecher
in Düsseldorf von Max Roßmann und Max Pitzner
in München gemalt wurde, so genügt an dieser Stelle
Wohl eine kurze Erwähnung, dn es iu keiner Beziehung

über das Niveau der herkömmlichen Schlachtcndar-
stellungen emporragt.

Ausstellung in der Berliner Nationalgalerie.

Zum fünfundzwanzigsten Male ist das oberste
Geschoß der Nationälgalerie für eine jener Ausstellungen
geöffnet worden, welche die Direktion im löblichen Be-
mühen, alles irgendwie Erreichbare zu einem übersicht-
lichen Gesamtbilde zu vereinigen, dem Ehrengedächtnis
verstorbener Künstler widmet. Es sind diesmal ihrer
vier: die Maler Meyer von Bremen (1813—1886),
Rudolf Schick (1840—1887), Friedrich Karl Haus-
mann (1825 —1886) und August Behrendsen
(1819—1886). 3n bezug auf Schick und Hansmann
ist es der Direktion gelungen, ein sehr umfassendes,
den Entwickelungsgang der Künstler eingehend illustri-
rendes Material von Bildern, Skizzen, Studien und
Zeichnungen zusammenzubringen. Bei Meyer von
Breinen war dies nicht möglich, weil der größte Teil
seiner Bilder — er hat gegen elfhnndert gemalt —
ins Ausland gegangen ist. Jnsbesondere machten die
nordamerikanischen Millionäre einander seine Bilder
streitig, und es ist vorgekommeu, daß diese anspruchs-
losen, in einer nach heutiger Anschauung naiven Technik
ausgesührten Genrescenen aus dem Familienleben mit
25000 Mk. bezahlt worden sind. Meyers Leben muß
ganz in seiner kllustlerischen Thätigkeit, ganz in unab-
lässigem Produziren aufgegangen sein. Fast jedem Bilde
ließ er eine bereits ziemlich sorgfältig durchgeführte
Ölskizze vorausgehen, von welcher er bei der desinitiven
Gestaltung des Gemäldes meist wenig oder gar nicht
abwich. Etwa hundert solcher Skizzen geben uns nebst
fünfundzwanzig ausgeführten Gemälden einen Überblick
über seine am meislen volkstümlich gewordenen Werke.
Um den Bienensleiß des Künstlers richtig zu würdigen,
muß man noch in Betracht ziehen, daß er erst um das
Jahr 1840 das Stoffgebiet betrat, in welchem seine
Krast feste Wurzeln fassen sollte. Der Schüler von
Schadow und Sohn hatte die Zeit von 1835—1840
auf Zeichnungen und Gemälde aus der biblischen Ge-
schichte verwendet. Von ersteren bietet uns die Aus-
stellung vier Proben in Feder, Blei und Tusche, Kom-
positionen aus der Geschichte von Abraham, Moses
und Christns, welche an die empfindsame, etwas ver-
schwommene Manier der gleichzeitigen Gemälde Bende-
manns erinnern. Erst mit dem Jahre 1839 heben
seine Studien aus dem hessischen, rheinischen und west-
fälischen Bauernleben an, welche bis zum Jahre 1865
reichen. Es sind Köpse, ganze Figuren, Volkstrachten
und Jnterieurs, nicht sehr zahlreich, aber mit einer
Feinheit und Schärfe ausgeführt, welche an ähnlichc
Studien F. E. Meyerheims erinuern, mit welchem
 
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