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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Toman, H.: Über die Gemälde von Geertgen van Sint Jans, des Meisters vom Tode Mariä und des Hugo van der Goes in der Galerie des Rudolfinums in Prag, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0317

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629

Kunstlitteratur. — Nekrologe.

630

lich ist das Madonnengesicht ein modisches blondes
Jdeal von großer Schönheit, wie es den alten Nieder-
ländern nur selten gelingt.

Geertgen erlebte (nach van Mauder) nur 28 Jahre,
wodurch die Seltenheit seiner Gemälde erklärlich wird.
Um so mehr kann ich die Besichtigung dieses seines
vorzüglichen Werkes den Kunstfreunden nur lebhaft
empfehlen.

Ein zweites nicht minder interessantes Werk ist
ein Altar mit zweiFlügeln (durchgehends l' Is^" hoch,
die Flllgel 11 das Mittelbild 2' 1 ^ " breit).

Diescs lctztere stellt abermals die Anbetung des
Jesukindes durch die drei Weisen in einer Ruine von
klassischen Formen dar; den Hintergrund bildet eiue
offene Landschaft. Auf deni linken Flügel kniet der Stifter
in schwarzem Kleid mit seinen drei Söhnen; hinter
ihm der heil. Hieronymus; aus dem rechten die Stifterin,
eine vornehme Dame auf einem Kisien kniend in schwar-
zem, mit Pelzwerk besetztem Kleid und weißer Haube,
mit ihren drei Töchtern, teilweise in lichtblauen Kleidern
mit schwarzen Samtlätzen; hinter der Dame steht
die heil. Luzia mit dem Schwerte im Halse. Die
Hintergründe bildet hier wie dort Landschaft.

Dieser Altar wird im älteren Katalog vom Jahre
1838 dem „van Meelen", im neueren vom Jahre
1872 und bis heute „Hnns van Melem" gegeben').

Es ist dies ein ebenso charakteristisches Werk des
Meisters vom Tode Mariä, wie jenes in Wien,
Nr. 1001 des neuen Kntalogs. Wie das Mittelbild
dieses Altars — die thronende Madonna in einer
Architektur — bereits italienischen Einfluß aufweist,
so macht auch die Madonna in Prag, spezieü die Pose
und namentlich das Köpschen des Kindes einen ähn-
lichen Eindruck. Die Carnation der Figuren des
Mittelbildes sällt etwas ins Rötliche, was ich dcr
etwas zcrstörten Lasur an diesem Mittelbilde zuschreibe.
Erstaunlich fein charakterisirt sind die sechs naiven
Kinderköpfchcn, allerliebst in den Abstufungen der ge-
meinsamen Familienähnlichkeit wiedergegeben.

Bis auf die Madonna und dasKind haben alle
Köpfe individuelle Typen. Es ist zu verwundern, daß
ein so leicht erkennbarcr Künstler, wie der Meister vom
Tode Mariä Veranlassung zu der bekannten harten
Kontroverse geben konnte. Die Weichhcit des Vor-
trages bei einer großen Feinheit dcr Ausführung, die
Durchsichtigkeit der Farben, das warme und so cha-
rakteristisch freundliche Kolorit ist nicht zu verkennen.

Ein besonderes Merkmal dieses Meisters sinde ich

I) Es möge hier bemerkt werden, daß Henry Thode
ein kleines Damenporträt desselben Meisters in der Samm-
lung des Barons Minutoli in Friedersdorf (Zeitschrift für
bildende Kunst XXI, S. 322) ebenfalls Hans van Melsm
zuschreibt.

in der Zeichnung des häusig geöffneten Mundes bei
Dreiviertelprostlköpfen, wo die Oberlippe auf einer
Seite etwas hinaufgezogen nnd der Schatten der
Mundhöhlung an derselben Seite stark betont erscheint.

Denselben Charakter im allgemeinen und be-
sonderen zeigt auch das Bild Nr. 556 in der Samm-
lnng der Wiener Akademie, welches schon von Waagen
(Kunstdenkmäler in Wien I, S. 245) der Frühzeit
dieses Meisters zugeschrieben wurde: eine Madonna
mit dem auf einer Brüstung stehenden Kinde (Remi-
niszenz an die Venezianer?) Jm Fenster (von außen)
steht Josef, ein glattrasirtes, fettes, porträtartiges Ge-
sicht mit Hut und Brille, in einem Buche lesend. Das
Bild wird nur zum Teil durch einen schmutzigen
gelben Firnis in der Farbe etwas beeinträchtigt, wes-
wegen es von einigen der Schule des Meisters zuge-
schrieben wird.

(Fortsetzung folgt.)

Aunstlitteratur.

/. Von R. Steche's Bearbeitung -er Bnu- und Kunst-
-enkinäler des Königreichs Sachsen ist das achle Heft erfchie-
nen. Es behandelt die Amtshauptmannschaft Schwarzenberg.
Lukas Cranachs des älteren großes Altarwerk in der St.
Wolfgangskirche zu Schneeberg (1539 aufgestellt) nimmt von
den erörtsrten Kunstwerken das vornehmste Jnteresse in An-
spruch: ss gehört der allgemeinen Kunstgeschichte an. Aber
auch sonst mangelt es jenem Bezirke nicht an bemerkens-
werten Denkmalen. Von besonderem Werte ist der Schwarzen-
berger Teppich mit der Darstellung der Tristansage, datirt
l 539, mithin die jüngsteTristan-Darstellung, welche wir kennen.
Dieser Teppich, welcher wahrscheinlich Elsässer Provenienz ist,
bestndet sich jetzt im Dresdener Kunstgewerbemuseum. —
Steche's Bearbeitung erweist sich auch in dem vorliegenden
Heft als von mustergiltiger Klar- und Knappheit. Auch von
der Art, wie er bei der Besprechung eines hervorragenderen
Werkes die Stellung desselben im Vergleich zu fremden, die
außerhalb seines nüchsten Forschungsgebietes liegen, bestimmt,
wie beispielswsise bei dsm Schwarzenberger Tristanteppich,
kann man nur wünschen, däß sie bei ähnlichen Unter-
nehmüngen öster zur Anwendung kommen möchte. Die Jllu-
stration ist reichlich und zwecksntsprechend.

Nekrologe.

— Der Architekt Victor-Marie-Charlcs Nuprich-Nobert
ist am8. Mai in Paris gestorben. Er war seit 1878 einer der
Insxsotsuis Aensrnux äss mouumsnts üistoriguss. Er
wurde am 18. Februar 18 0 in Paris geboren, war Schüler
von Constant Dufeux und trug in der Lools äss Lsuux-
L.rts verschiedene Preise davon. 1849 wurde er Architekt für
die Departements Orne und Calvados, 1853 aber Professor der
Ornamentik an der Lools sxsoinls äs äessin st ä'aroüitsotuis.
Für die Ooininission äes inonuinsnts üistoriguss, der er
bis zu seinem Tode angehörte. führts er verschiedene, auch
seinerzeit im Salon ausgestellte Zeichnungen aus, u. a. die
Templerkirche in Montsaunis, Dspartement Haute-Garonne,
dis Kirchen St. Nicolas und St. Luc zu Caen (1847), das
Portal der Wsstfassade der Kathedrale zu Seez (1849), die
Kirche St. Sauveur in Dinant, Restauration der Kirche de
la Trinits oder der alten Abtei aux Dames in Caen (1855).
Für diese und die drei vorhergehenden erhielt er auf der
Universal-Ausstellung des Jahres 1855 eine Medaille zweiter
Klasse. Seine letzte Arbeit war die Restauration der Kathe-
drale zu Rheims. Seit 1861 war er Offizier der Ehrenlegion.
 
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