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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 23.1888

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Vom Hochschloss in Marienburg
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6193#0060

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1st7

Korrespondenz,

108

Mitteln die altcn Baumeister dem mächtigen Gebäude
den Eindruck des Monotonen zu benehmen wußten
und zugleich eine angenehm berührende, aristokratisch
ernste Farbenwirkung erzielten. Die rautenförmigen
Felder schließen sich den hohen Spitzbogenfenstern
tadellos symmetrisch an. Denkt man sich mit der
Front das hohe, ebenfalls mit bunten Ziegeln (thon-
rot, hellgelb und schwarz) gedeckte Dach in Überein-
stimmnng, so ist der Eindrnck eines vornehmen ernsten
Fürstensitzes fertig. Erhöht wird die Schönheit der
ebenfalls von zwei Türmen flankirten Südfront durch
einen massiven Giebelanfbau in der Mitte der ganzen
Front. Dieser Anfbau war nach dem Brande des
Schlosses im Jahre 1641, bezw. bei der von dem
polnischen Könige August II. im Jahre 1704 vor-
genommenen Bedachung abgebrochen worden, wodnrch
der Front die bekannte Einförmigkeit gegeben wurde.
Dieser Giebelaufbau ersteht jetzt nach den anf un-
sere Zeit gekommenen alten Ansichten in neuer Pracht
und wird jedenfalls in kürzester Zeit unter Dach ge-
bracht sein. Welch mühsame Arbeit es ist, die durch-
weg veränderte Außenseite in ihrer ursprünglichen
Form wieder herznstellen, davon könnte der Leiter
des Baues erzählen. Er mußte mit peinlicher Sorg-
falt alle Anhaltspunkte, und mögen sie noch so verwischt
sein, aufsnchen und festhalten. Mit der noch >n die-
sem Jahre zn erwartenden Herstellung der Südfront
ist dem Äußeren des Gebändes der edle Charakter
seiner inneren Ausgestaltung anfgedrückt.

Trotz der umfassenden Maurerarbeiten an den
Fenstern und an den Fronten schreiten auch die Ar-
beiten im Jnnern rüstig vorwärts. Zwar wird der
Kapitelsaal in diesem Jahre nicht mehr eingedeckt
werden, weil die Kapitäle zn den drei das Gewölbe
tragenden Gracütsäulen von Berlin noch nicht einge-
troffen sind; dagegen tritt der südliche Krenzgang
nach Abbruch des häßlichen Anbanes immer deutlicher
zu Tage; er wird etwas höher zn liegen kommen,
als der nördliche znr Marienkirche führende, bereits
architektonisch vollendete Kreuzgang, und so dem Be-
schauer voni Schloßhofe aus eine allen mittelalter-
lichen Bauten eigentüniliche Abstufnng der Geschosse
bieten, deren Unregelmäßigkeit durchaus nicht unan-
genehm wirkt. Wie der nördliche Kreuzgang zum
Kapitelsaal nnd zur Kirche führt, so führt der süd-
liche zu einem großen Saale, dessen weitgesprengte
Fenster das nötige Licht spendcn werden. Die Kon-
turen des Saales sind ziemlich deutlich erkennbar,
obwohl auch hier die Umwandlung in Getreideschütt-
boden gar arg gehaust hat. Wie überall im Schlosse,
werden auch hier kostbare Funde von SteinornaMen-
ten, Bogenanfängen u. s. w. gemacht und sorgfältig
gesammelt, nm nach ihnen die neue Ausstattung ganz

im Sinne der alten Erbauer zu bewerkstelligen. Jn-
teressant ist auch ein Blick in die bereits überdachten,
sonst aber bis zum Giebel öden Räumlichkeiten der
Westseite. Befreit von dem Ballast der Zwischenbauten
treten die genialen Bogenspannungen, insbesondere
die an den Fensterbögen vor Augen. Das künstlerische
Verständnis für imposante Bauwirkung ist auch hier
wie überall im Schlosse deutlich ansgeprägt, und es
wird eine schwere, aber auch ehrende Aufgabe für die
Baumeister sein, aus den hente stehenden nackten vier
Wänden dem genialen Geiste der Ordensritter ent-
sprechende Ränme und Hallen hervorzuzaubern.— Dies
ist in Kurzem der hentige Stand der Bauarbeiten,
die wohl mit deni Eintritt des Winters zum großen
Teile eingestellt werden, um im nächsten Jahre mit
neuer Kraft und mit neuen, durch die Geldlotterie
zufließenden Mitteln fortgesetzt zu werden. Ganz
ruhen wird die Arbeit im Jnnern auch im Winter
nicht, aber den Riesenschritten, mit welchen der Bau
in diesem Jahre fortschritt, wird der eiserne Zwang
des Winters eine Mäßigung anferlegen. Der Verein
für Ausschmückung der Biarienburg ist nnterdessen
eifrigst bestrebt, auch seinerseits die vorhandenen rei-
chen Mittel zur Erwerbung von Kunstwerken aus
der Ordenszeit zn verwenden. So wurde (wie schon
kürzlich im „Pos. Tagebl." mitgeteilt) vor einiger Zeit
ein alter Altar, kunstreich in Holz geschnitzt, käuflich
erworben. Auf der Rückseite des Altars ist die
Jahreszahl 1504 zu lesen. Den Bemühungen des
Regierungsbaumeisters Steinbrecht ist es gelungen,
die kostbare Antiquität von dem Altertumsforscher-
Verein „Prussia" in Königsberg zn erhalten. Der
Altar wird in der St. Annenkapelle, der uralten Be-
gräbnisstätte der Hochmeister, eine passende Aufstellung
finden. Anch von anderen Erwerbungen, die aber
noch nicht abgeschlossen sind, geht die Rede. Jmmer-
hin führt dieser Verein dem Plane näher, das Hoch-
schljiß nach seiner Vollendung zn einem Mnsenm für
solche Gegenstände zu gestalten, welche aus der Or-
densritterzeit stammen. (Graud. Gesell.)

Aorrespondenz.

Dresden. November >887.

Il.^..ll. Wer sich etwa der Hoffnnng hingegeben
hätte, daß die so glänzend ausgefallene Aqnarell-
ausstellung sofort belebend auf die Gestaltung der
Dresdener Kuiistverhältnisse einwirken würde, den haben
die inzwischen verflossenen Monate darüber belehren
können, daß ein Aufschwnng in dieser Richtung hin
nicht so schnell erfolgt. Ja, wer die regelmäßigen Aus-
stellungen des im September wiedereröffiieten Kunst-
vereins in der angedeuteten Erwartung besuchte, der
hat sicher dieselbe nicht nur nicht erfüllt, sondern so-
 
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