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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 23.1888

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Vom Christmarkt
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139

Vom Chnstmarkt.

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Eisenbahnwagen alle gewichtigen Gedanken aus dem
Hirnkasten schüttelt. Wir lesen die mimtere Geschichte
von der Gräfin Patatzky und bemerken zu unserem
nicht geringen Erstaunen, daß diese verschmitzte Daiue
nicht nur den Herrn Engen Stollberg zweimal, son-
dern ihren Autor sogar während der ganzen Er-
zählung düpirt: sie ist ja gar keine Gräfin, obwohl
es Hacklünder zu wiederholten Malen versichert. Durch
die Freiheit, ja Kühnheit ihres Benehmens, welche
von dem echten Takte merklich verschieden ist, beweist
sie ihr abenteuerndes Wesen deutlich genug. So hat
sie auch Schlittgen dargestellt, ein Zeichner, der im
Pariser Leben wohl zu Hause ist und auf den Spuren
der Jllustratoren des llournal amrisunl wandelt. Jhm
steht H. Langhammer ziemlich nahe, dessen feine
Linienführung unserem
deutschen Wesen mehr
entspricht. Er führt,
wie die folgendenKünst-
ler, sorgfältiger ans,
doch mag die Wirkung
der Zinkographien den
Originalzeichnungen
nicht immerganz gemäß
sein, denn hie und da
ist die Schattirung zu
derb und macht einen
unreinlichen Eindruck.

Feiner ist hierin schon
R. Haug, der sreilich
in der Charakteristik
nicht immer so glücklich
ist wie Langhammer.

Ungemein sauber und
der Technik aufs Beste
entsprechend sind die

zarten Zeichnungen von Fritz Bergen zu
Erzählung: Die Spnren eines Romans; wohl

SluS Hackländers illustr. humor. Schriftcii. (Stuttgurt, Krabbe.)

der
die

erfreulichsten Leistungen der ganzen Jllustration so-
wohl in Ansehung der Charakteristik als der Kompo-
sition und Art der Behandlung. Zu dem phantasti-
schen Märchen: Vier Könige, eine Nachahmung der
Art E. T. A. Hoffmanns, hat E. Klein eine Neihe
von schmächtigen Figuren nnd unheimlichen Seenen
gezeichnet. Jm zweiten Bande tritt zu diesen Jllu-
stratoren zunächst noch F. Marold mit einer Reihe
von Abbildungen, die zwar nicht ohne Talent gemacht,
aber für deutschen Geschmack doch gar zu wüst ge-
zeichnet sind. Auch F. Lipps verfügt über eine große
Fertigkeit, seine Entwürfe sind aber in der Kompo-
sition nicht selten mangelhaft. Die neue Hackländersche
Ausgabe ist, alles in allem, trotz einiger Unvoll-
kommenheiten eine tüchtige Leistung; vor allem ist sie

ein wohlgelungener Versuch, unsere in langgewohnten
und ausgefahrenen Geleisen sich bewegende Jllustra-
tion in eine neue, leichtere Richtung zu bringen und
beim Publikum den Geschmack für direkte Wiedergabe
des gezeichneten Striches ohne Vermittlung des Holz-
schneiders zu bilden. Das Verdienst hat das Werk
jedenfalls, daß es das Publikum aus der engen Sphäre
des ewig wiederholten sentimentalen Tratsches, wie ihn
die Gartenlaube- und Daheimleser lieben, herauszu-
ziehen versucht.

Daß die Zinkographie buchhändlerisch durchaus
salonfähig ist, seit sie durch beständig wiederholte
Versuche einen feineren Schliff erlangt hat, zeigt uus
ein anderes Werk, ein großer Foliant: Unser Volk
iu Waffen von Bernh. Poten, illustrirt von Chr.

Spey er. Z Der Text
schildert das deutsche
Heer in seinem ganzen
großartigen Organis-
mus und in seinen ein-
zelnen Teilen bis in
die kleinsten Einzel-
heiten. Es ist sehr an-
regend und sichtlich mit
warmer Liebe für den
Gegenstand geschrieben.
Die Fllustration ist mit
wenigen Ausnahmen
durchweg in Zinko-
graphie ausgeführtzaber
in einer Weise, daß
man deutlich sieht,welche
Ausdrucksfähigkeit diese
Technik erreichen kann.
Freilich müssen die
Zeichner und die An-
stalt sehr leistungsfähig sein; ist dies der Fall, so braucht
die Zinkographie und Autotypie keine Aufgabe zu
scheuen. Den Jllustrationeu des Werkes nun ist eine
besondere Lebendigkeit im Ausdruck nachzurühmen:
der Künstler scheint jede Schwierigkeit der Dar-
stellnng bequem zu überwindeu nnd bleibt immer
lebendig und wahr. Seiu scharfer Blick und die
sorgfältig geschulte Hand verleihen den Skizzen in
sehr vielen Fällen etwas Typisches, und wenn er
einen sächsischen Jäger, einen hessischen Dragoner,
einen bayerischen Gardisten darstellt, so liegt die Ver-
schiedenheit nicht nur in den Uniformen, sondern in
den markirten Gesichtszügen, ja selbst aus der Haltung
der Figuren kann man schier den Unterschied der
Erdscholle, von der die Krieger stammen, herauslesen.

I) Stuttgait, W. Spemann
 
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