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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 23.1888

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Distel, Theodor: Das Modell des Tempels Salomonis und ein angebliches Werk Michelangelo's in Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.6193#0180

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Das Modell des Tempels Salomonis und ein angebliches Werk Michelangelo's in Dresden.

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Das Modell des Tempels Salomonis und ein
angebliches werk Michelangelo's in Dresdcn.

Vierzehn Tage vor dem Tode des kunstsinnigen
Kurfnrsten Friedrich Angnst I. zu Sachsen (st 1. Febr.
1733) kam das Modell des Tempels Salomonis
nach Dresden. Es war den Erben des Ratsherrn
Gerhard Schott (st 1702) in Hamburg, eines in der
Theatergeschichte dieser Stadt herborragenden Mannes,
von dem genannten Knrfürsten um 8000 Thaler Z ab-
gekauft worden. Der Bote, Heinrich Meiners^),
brachte die Schätze bon Londonch, wo der Tempel
ausgestellt gewesen war, nach der sächsischen Residenz.
Der Baumeister Erasmns hatte das Tempelmodell
nnd das der Stiftshütte im Auftrage Schotts nach
der Bibel nnd den Angabcn der spanischen Priester
Villalpandi und Ramirez di Pradv zu Anfang
des 18. Jahrhunderts hergestellt. 50000 Thaler soll
Schott daranf verwendet haben Z.

Am Schlusse (S. 100 ff.) des 1755 erschienenen
„Kurzen Entwurfs der königl. Naturalienkammer zu
Dresden"5) befindet sich eine Beschreibnng des Tempels,
welche ich, da das Bnch ziemlich selten geworden ist,
hier mitteile. Sie lautet also:

1) So die Akten. llrsprünglich wollte der Kurfnrst nnr
6000 Thaler dafür zahlen. Lindau, Geschichte Dresdens —
2. Aufl. — S. 534 giebt den Kaufpreis, für das Modell allein,
mit 22 0Ü0 Gulden an; auch 15 000 Thaler werden einmal
genannt (Vorrede zu B. Feinds Ged. S. 111 u. 4841.

2) Sein Name ist bisher noch nicht genannt worden.
Aus den Akten entnehme ich über den Transport Folgendes:
Ende März, bezw. im Monat April und Mai 1733 schreibt
Meiners an den Kursürsten Friedrich August II. zu Sachsen,
daß er vor sechs Monaten in knrfürstlichen Dienst getretsn
fei, um das Tempelmodell in London zu übernehmen, ein-
zupacken und nach Dresden zu bringen. Auf der Fahrt Vvn
London nach Hamburg sei großer Sturm gewesen, das Schiff
habe den Mastbaum verloren und beinahe habe man Schiff-
bruch erlitten, drei Meilen hintcr Hamburg sei das Schiff
eingefroren. Von Hamburg nach Dresden sei der Wagen
mit ihm nmgeschlagen und ihm eine schwere Kiste aus die
Brust gefallen. Auch rühmt Meiners seine Entschlosssnheit,
mit der er es gewagt habe „noch mit dem allerletztcn Schiffe
nach Hamburg" zu reisen, wodurch er Manches erspart habe.
Er sieht einer Gratifikation, bezw. der Anstellung als Vor-
zeiger des Tempels in Dresden entgegen. (Königl. Sächs.
Hauptstaatsarchiv: I-oo. 379 dwerse Berzeichnisse rc. 1700 ff.
Bl. 15, 17, 19, vergl. auch Bl. 10—14; Iwo. 914 Verträge w.
1733 Bl. 21). Weitere Nachrichten über dcn Tempel finden
sich in den Akten: I-oe. 380 Sachen Kunstakademie rc. 1743 fs.
Bl. 10«, 34.

3) Dort erschien auch 1725: Tllo ksmxls ok Lolomon,
rvirb all ils xorokss, rvalls, gatss, Iralls, obambsis sto.
(Königl. vffentl. Bibl. zu Dresden: Lntign. Incl. 171).

4) Lindau a. a. O. S. 534.

5) Ein französisch-dentscheS Exemplar des Buches ist in
pieinem Besitze. Der Herausgebcr — Eilcnburger —
nennt sich nicht.

Dasselbe ist von „Peter dem Großen, bey seinem
Aufentholte in Homburg, so sehr bewundert, und von
ihm eigenhcindig ausgemesseu, auch nachhero, in London,
von vielen huudert Meuschen besichtiget worden.
Alles, was man daran siehet, ist nach deu Schriften
der besten Rabbinen und dem ganzen Talmud, ab-
sonderlich aber uach der biblischen Beschreibung, auf
das allergeuaueste eingerichtet uud mit den, in der Bau-
kunst und jüdischen Alterthiimern, geübtesten Mcinnern
sehr reiflich iiberleget wordcn. Daher darf sich nie-
mand wundern, daß dieses Modell erst nach zwölf
Jahren völlig zu Stande gekommeu, ungeachtet man
mit allem Eifer daran gearbeitet hat.

Es fiuden sich hieriunen allein 6736 Säulen mit
sauber geschnitzten Capitälen uud Gruudgestellen, auch
bey nahe so viele, mit geflochtenem Drate versehene,
Fenster, des andern vielen Schnitzwerckes, an Palm-
bciumen, Cherubim und dergleicheu, zu geschweigen, das
dieses Kunststück auszieret.

Eiu Flügel vou diesem herrlicheu Tempel, an
welchem die Wohnuugen der Priester wahrzunehmen
sind, nebst dem Heiligen und Allerheiligsten, ist noch
besonders vorhanden, uud so, wie das vollständige
Modell, dergestalt zusammengesetzet, daß man alles
von einander nehmen, und die künstliche Bauart, so-
wohl im Durchschnitte, als auch die ganz sonderbare
Zusammenfügung und Einteilung dieses Gebäudes deut-
lich bemerken kann.

Die, iu den Ecken angebrachten, Wendeltreppen
siud mit großer Richtigkeit verfertiget, daß man jede
Stufe unbesehen zählen kann, wenn man oben ein
Kügelchen hinein laufen lässet. Jm übrigen ist fast alles
von denjenigeu Holzarteu gemachet, die wirklich in dem
Salomouischen Tempel anzutreffen gewesen, und die
innerliche Pracht des Heiligen so wohl, als des Aller-
heiligsten, an einem anderweitigen, kleineren Modelle,
zu sehen, welches innwendig, durch und durch, mit
vergoldetem Silber überzogen, und mit den erforder-
lichen Edelgesteinen ansgezieret worden. Die Lade
des Bundes uud Cherubim, ingleicheu der Rauchaltar,
die Schaubrodtische, die siebenarmigten Leuchter, kurz,
was im Heiligen uud Allerheiligsten befindlich gewesen,
ist gleichergestalt von Silber und vergoldet, wovon
auch die zwo Säulen, Jachin und Boas, das so ge-
nannte eherne Meer und das, mit zwölf ächten Edel-
gesteinen besetzte, Brustschildlein des Hohenpriesters
verfertiget worden."

Von dem Modelle der Stistshütte heißt es a. a. O.
weiter: „daß an und bey derselben alles erforderliche
Geräthe, bis auf die geringsten Schaufeln und Töpfe,
befindlich ist: auch so gar alle Arten der Priester nnd
Leviten, welche aus Olivenholz geschnitzet worden, und
eines jedweden verschiedene Amtshandlung, sowohl im
 
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