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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 23.1888

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Distel, Theodor: Das Modell des Tempels Salomonis und ein angebliches Werk Michelangelo's in Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.6193#0181

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Kunstlitteratur.

350

349

Rorhofe, bey Abschlcichtmig des Opferviehes, als auch

inneren Theile der Stiftshütte, bey andern Cere-
uwnicn, vorstellig gemachet wird."

Der sächsische Gesandte in London, Graf Watz-
dorff, wnrde mit der übernahme des Tempels in London
beauftragt, der Kaufvcrtrag selbst war zwischen I. G.
Gumprecht in Hamburg namens der Schottschen
Erben und dem kurfürstl. sächs. Hof- nnd Ceremonien-
vat Johann Ulrich König ü abgcschlossen nnd der Kanf-
uiann Vacke in Hamburg als Mittelsperson bestimmt
worden.

Für den Kanfpreis von 8000 Thalern wnrde
auch dic Übergabe des mit dem Drachen kämpfenden
Erzengels Michael mit verlangt. Endlich wurde von
den Verkänfcrn auch diesenl Wunsche Kursachsens
Rechnung getragen, obgleich für diese Gruppe, welche
Meiners in seinem Schreiben als ein Werk Michel-
angelo's (?) bezeichnet, schon mehrmals 500, ja
600 Dukaten geboten, aber fest 1000 Speziesdukaten
dafür gefordert worden seien. Als der antignariu8
bei Fertigung des Modells wird der noch 1781 zu
Hambnrg lebende Tischler Berend erwähnt. Außer
Tempel und Statne wurde auch anfangs „Die Arche
Noahs", welche aber bereits „zerschlagen" 2) war, be-
gehrt. Hierauf kam nur die geistreiche Antwort, daß
sie gar nicht znm Tempelmodell gehöre. Das Vor-
handensein des Modells der Stiftshütte und der me-
tallischen Tempelgefäße — meistens aus Silber —
des ans eineni Stücke gewebten Tempelvorhangs und
des Brustschildchens des Hohenpriesters ans echten
Steinen wird ansdrücklich bei der Erwerbung mit
vorausgesetzt.

Nachdem das Modell des Salomonistempels ein
Jahrhnndert lang zu Drcsden^) gezeigt und von Vielen
bewundert worden war, wurde es — leider ist es
wahr — 1846 um ein Spottgeld verkanft. Man hatte
eben keine Ahnung von der Geschichte und dem Werte
des Kunstwerks. Es gelangte später an die Kreuz-
kirche zu Dresden und kam das Allerheiligste damals
in die Bibliothek derselben, das Übrige in das Bct-
stübchen Nr. 12. Auch der königl. sächsische Alter-
tumsverein mußte die Erwerbnng des berühmten

1) Ein gedrucktes Gedicht von ihm uuf den 17Z3 ge-
borencn Prinzen Karl Christian Joses, den späteren Herzog
von Kurland, befindet sich Lei den Aklen des königl. sächs.
Oberhofmarschallamts d>.. 20, Bl. 47.

2) An einer anderen Stelle der Akten heißt es, die Arche
sei im Opernhause zu Hamburg zu Maschinsn und Scenen
gebraucht worden.

3) Nach Lindau (a. a. O.) erhielt es seiucn ersten Platz
iu einem Gemache beim Kirchsaal des Schlosses uud kam
schließlich in den Pavillon über der Walltreppe des Zwingers.
Vergl. auch das oben Amn. S augezogene Buch: Grundriß 2
und die bezüglichen Hoskalender.

Modells 1875 ablehnen, da cs kein sächsisches Kunst-
erzeugnis sei. Eine denkwürdige Thatsache in Sachsens
Kunstgeschichte bleibt aber die, daß für das Tempel-
modell 1846 18, schreibe achtzehn, Thaler, sür das
Allerheiligste 1847 aber 25, schreibe fünfnndzwanzig,
Thaler gezahlt wurden^). Als ein Glücksiimstand ist es
zu bezeichnen, daß der Tempel gegenwärtig doch im
Museum des königl. sächsischen Altertnmsvereins auf-
bewahrt wird und ihm vielleicht bald cine würdige
Aufstellnng — Ergänznngen nnd Reparatnren daran
werden dann gewiß auch nicht ausbleiben — zn teil
werden wird.

Die aus Lindenholz gefertigte Gruppe des niit
dem Drachen kcimpsenden Erzengels Michael, welche
ihrer Vortrefflichkeit wegen mit Michelangelo's 2)
Wirken in direkten Zusammenhang gebracht wordcn
ist, hat mit dem Postamente eine Höhe von 61,5 am,
ohne das Postament eine solche von 46 cnn, und
ihre größte Breite beträgt 28 ein. Sie ist ein Hanpt-
gegenstand des Wappenzimmers im königl. Grünen
Gewölbe zu Dresden (vergl. Julius und Albert Erb-
stein, Das königl. Grüne Gewölbe zu Dresden —
1884 — S. 167, Nr. 14).

Daß diese Michaelgrnppe ein Werk des großcn
Jtalieners sei, ist bisher noch niemals behauptet wor-
den, das Anführen eines Meiners aber dürfte allein
nicht znreichend sein, um die Arbeit dem Michel-
angelo zuzuschreiben, in dessen Handzeichnniigen keine
Spnr desselben anzutreffen ist.

Dresdeu. Theodor Distcl.

Aunstlitteratur und Aunsthandel.
Lachner, Karl, Geschichte der Holzbaukunst in
Deutschland. Mit 4 farbigen Tafeln, einer Radi-
rung nnd 343 Textillnstrationen. Leipzig 1887,
E. A. Seemann.

bb 8. Der Verfasser dieses Werkes nennt es
einen Versuch. Er ist zu bescheiden; denn es ist weit
mehr als dies, es ist eine wohlgelungene Monographie
des Holzbaues in Deutschland. Das Thema ist kunst-
und kulturhistorisch derart interessant, daß es sich

1) Nach den Akten des Kirchenvorstaudes der Kreuz-
parochie zu Dresden: Lit. K. Nr. 6, Bl. 63b, 65, 65b, 66, 68.
Die Reparaturkosten (47 Thalcr), eingeschlossen, kostete der
Kreuzkirche das ganze Kunstwerk 96 Thaler.

2) Beiläufig crwähne ich hier, daß eine Nachricht iiber deu
Tod des Künstlers sich iu den Akten des königl. sächsischen
Hauptstaatsarchivs befindet: siehe sub Buonaroti XI. Abth.
(Die betr. Zeitung aus Venedig vom 25. Febrnar 1564 giebt
irrtümlich an, Michelangelo sei kiirzlich, 97 Jahre alt, ge-
storben, uud bemerkt — als Kurivsum siihre ich dies an —
der Künstler sei seit zweihundert Jahren der hervorragendste
Bildhauer upd Maler gewesen).
 
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