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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 23.1888

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Die Maria-Theresia-Ausstellung in Wien
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6193#0252

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489

Kunstlitteratur und Kunsthandel.

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sendeten Meßkleider tragen nahe dem unteren Rande
das Monogramm der Kaiserin nnd eine Jahreszahl,
zuverlässig von Maria Theresia selbst eingestickt. Es
sind Geschenke der Herrscherin an Klöster nnd Pfarren.
Unsichere Traditionen lassen sie meist ganz von der
Kaiserin gestickt sein, ähnlich wie die ungezählten
Bildnisse der Kaiserin, die von den Wänden anf den
Besucher herabblicken, meist nach dem Leben gemalt
sein wollen. Bei wenigen ist das wirklich der Fall.
Als hervorragende Ausnahme erwähne ich hier das
große Originalgemälde von Meytens, das aus dem
kaiserl. Lustschlosse Schönbrunn zur Ausstellung ge-
kommen ist. Ein gutes Kaiserinbildnis, wohl auch
von Meytens gemalt, hat die Stadt Wien beigestellt.

Von bezaubernder Wirkung ist das Porträt der
Pompadour, die sich eben vor dem Spiegel schminkt
und mit ihren verfnhrerischen dnnklen Angen gerade
ans dcm Bilde schaut. Kein Geringerer als Fr.
Boucher dürfte der Meister dieses Bildes sein, das
Herrn Baron Albert Rothschild gehört.

Dem großen Porträt der Kaiserin Maria-Theresia
aus Schönbrnnn gegenüber fällt jedem Besucher eine
riesige Leinwand auf, die uns eine feierliche, glänzende
Schlittenfahrt der Kaiserin mit zahlreichem Gefolge -
zeigt (Nr. 1169). Der Maler des Bildes ist, wen»
ich nicht irre, bisher noch nicht genannt worden. Das
Bild bietet viel Jnteressantes für Sittengeschichte nnd
Kostnm des vorigen Jahrhunderts, so daß man gern
den Namen dessen erfahren wird, der uns die kolossale
Schilderei hinterlassen hat. Nuf der Rückseite des
Bildes liest man: „Frantz Michael Augustin von
Purgau lsoit ^no 1766". Dem Kunstwert nach
höher stehen mehrere Bilder, die aus der Wiener
Kunstakademie zur Ausstellung geschickt worden sind,
z. B. das Selbstbildnis van Schuppens und das
Porträt von Schmutzer. Hübsch sind auch die Gobe-
lins mit den Bildnissen der Kaiserin nach Du Creux
von Cozettc (Nr. 1100, kaiscrlicher Besitz) nnd der
Königin MarieAntoinette nach Dnplessis (Nr. 1094,
fürstl. Arenbergscher Besitz).

Die Militärakademie zn Wiener Nenstadt hat
u. a. ein gutes, etwas akademisches Porträt von Lacy
ausgestellt, sowie ein recht unterhaltendes und für
Sportfreunde wohl anch wichtiges Gonachebildchen,
das uns das Schlittschuhlanfen der Akademiezöglinge
im Burggraben zu Neustadt vorsührt.

Unter den Miniaturen fällt eine kleine Samm-
lung von Fü gerschen Arbeiten auf, die Baron Bour-
going ansgestetlt hat, sowie die Votivbildchen aus dem
Besitz des Elisabethinenklosters in Klagenfurt rind
des Grasen Arthur Enzenberg. Ähnliche Bilder von
Wert gehören der Albertina und einigen Wiener Privat-
sammlungen.

Es ist sicher, daß ich in diesem kurzen Berichte
! an vielem Schönen und Wichtigen schweigend voriiber
gehe. Kaum aber entspräche es den Zwecken der
Zeitschrift, von den vielen Autographen der Kaiserin,
von den Reliquien derselben, von all den ausgestellten
Adelsbriefen, von den Schulbüchern und Ähnlichem
eingehend zu handeln. Wir machen nur im allge-
meinen auf den großen Reichtum an Gegenständen
der großen Kunst und der kleinen Künste aufmerksam,
der hier in außergewöhnlich geschmackvoller Weise zur
Aufstellung gelangt ist. Möchte der wohlthätige Zweck,
welchem das Ganze dient, in vollem Maße erreicht
nnd dadurch die opferwillige Mühe der Veranstalter
gelohnt werden!

Aunstlitteratur und Aunsthandel.

Isasse,L., Wiederherstellung antiker Bildwerke.
Zweites Heft. 21 S. nnd 7 lithographische Tafeln.
gr. 4°. Jena 1888, Gustav Fischer.

Die Reste der antiken Kunst werden bekanntlich
weitaus meistens in arg verstümmeltem Zustande ge-
funden: es gehört zu den Wundern, wenn sie so gut
erhalten sind, wie etwa der Praxitelische Hermes oder
gar die kapitolinische Venus, der nnr einige Finger
fehlen. Da ist es dankenswerte Hilfe, wenn Künstler
sich in Praxis wie Theorie den Archäologen zuge-
sellen, die ost schwierigen nicht selten fast unlösbaren
Fragen nach den Ergänzungen beantworten und da-
dnrch die Erkenntnis sowie den Gennß der Kunst-
werke wesentlich fordern. Einen glänzenden Beweis
liefern dafür die Ägineten, welche, in zahllosen kleineren
und größeren Bruchstücken uns überkommen, uns nnn
nur durch Thorwaldsens musterhafte Ergänzung von
ihrem Stil, ihrer Komposition, ihrer Kunststelle einen
sicheren Bcgriff geben. Nicht minder wertvoll ist die
Hilfe der Anatomen, die seit kurzem den einen oder
den anderen Marmorrest des Altertums gleichsam zn
seciren anfangen und den Bewegungen der fehlenden
Glieder auf Grund der vorhandenen Ansätze nach-
spüren. Jch erwähne vor allem Henke's Vortrag über
Michelangelo's Menschen im Vergleich mit der Antike,
(Rostock 1871), den kein Kunstfreund, geschweige ein
Archäologe ungelesen lassen sollte; vergleiche ferner
Merkel zur Laokoongruppe (Zeitschr. f. b. K. XI, 353);
Henke zur Aphrodite von Milo (ebenda XXI, 194).

Der Dritte im Bnnde der Kunstanatomen ist
Hasse, der 1882 über die Ergänzung der Milo ge-
schrieben (Jena, Gnstav Fischer) *) nnd hente als
zweites Heft im gleichem Verlag Untersnchungen und
Ergänzungen des sog. Jlioneus sowie des Torso vom

1) Bgl. dazu Grenzboten 1882, IV S. 172 ff.; Milch-
höser, Lit. Centralbl. 1883, Nr. 12. S. 522; u. a. m.
 
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