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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 23.1888

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Heilbut, Emil: Der Salon von 1888, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6193#0316

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619

Der Salon von 1888

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dcinn kann man, was der Salon bietet und nicht
bietet, mit einiger Aussicht anf Vernunft des Urteils
betrachten.

Jn dem Salon von 1888, vielleicht niehr als in
einem der letzt-
vergangenen —
sagt die Pariser
Kritik — kommt
die Jugend zu
Wort. Ach, was
hier Jngend

heißt!

Jugend heißt
inFrankreich die-
jenige Kraft,
welcheElastizitüt
genug hat, um
derMode zu fol-
gen. Nud welche
ist die gegeuwär-
tige Mode? Die
helle Malerei.

Sie hat, als helle
Malerei genom-
men, einen inne-
ren Wert wie
die Farbe von
Tapeteiu wer-
den von der
Mode grane Ta-
peten gewünscht
— weh dem, der
blaue bringt in
Paris; er ist alt,
er ist dumm, er
ist langsam, er
hat nie Talent
gehabt. Nach-
traglich und rück-
bezüglich noch
sieht man es ein.

Vor fünfzehn
Jahrenwarendie
blauen Tapeten niodern gewesen; das war damals, als
der Angegriffene sich der blauen Richtnng znwandte:
damals hieß unser Angegriffener nicht etwa, wie es
ihm zugekommen wäre, elastisch,nett und fügsam, sondern
man nannte ihn sympathisch nnd ausgezeichnet begabt.
Heute heißt derselbe Maler talentlos, die jetzt aber jnng
sind, nennt nian wiederum nicht elastisch nnd füg-
sam, sondern spricht ihnen „originelle" Begabnng
zu, — originell vom nichtoriginell sein; man sagt
nicht etwa, daß sie den neuen Zug in der Tapeten-

branche richtig erfaßt haben, weil sie, wie ihre Meister,
reingraue Papiere hervorbringen, sondern man fabelt
etwas von Frische bei dem, was doch nur trsz pu-
risisn ist; das schönste Lob aber, und das ist der

höchste Ausdrnck
der Gefühle des
Boulevardkriti-
kers, ist in der
Phrase gesagt:
der und der
malt „in einer
sehr persönlichen
Note", — man
kann allemal
überzeugt sein,
daß dieser Be-
lobte sich aller
Persönlichkeit
entkleidete und
nnr mit vollen-
detem Anpas-
sungsvermögen
mit der nenen
Richtung
schwamm. Wo-
gegen nun nicht
gar viel einzn-
wenden wäre;
denn ich bin
überzeugt, die
Schüler Peru-
gino's folgten bei
mittlerer Bega-
bnng dem Mei-
ster im holdseli-
gen Ausdruck
und die Schüler
Rembrandts dem
Meister im Hell-
dunkel; warum
sollte also die
Nachfolge Ma-
nets nicht das
Recht haben, alles ini xlsin nir, alles für das
xlsin nir zu sehen, und weshalb könnte man den
Jnngern Pnvis' de Chavannes verargen — das
System: „Chavannismus" ist schon gebildet worden
— sich Mühe zu geben, bleich wie ihr Meister zu
sehen? Die Maler von mittlerer Begabung können
sich, so lange sie Elastizität haben, leicht in alles fin-
den, nur soll man sich hüten, sie dann originell zu
heißen, ihnen Jngend, Frische, Modernität als solche
und allein, und als ob sie gepachtet werden könnte,

E. Feyen: 1-6 Is-voir äs 1g. Louls.
 
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