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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Lützow, Carl von: Justi's Velazquez
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https://doi.org/10.11588/diglit.6239#0035

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Kunstlitteratur und Kunsthandel.

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die Dons mit den Aolillus und die Damen in den
vsrtnguäinss sind an den Ufern des Manzanares
nicht mehr zu finden; aber die Rasse und die Scholle
ist noch wenig verändert." „Land und Leute", sagt
Justi an einer anderen Stelle, „im Süden typischer
und stetiger als bei uns, schreiben den Kommentar
zn den Bildern. Denn das Leben allein nimmt den
Staub und die Starre weg, welche die Zeit über die
Kunstwerke verhängt. Auch die Zeit und Umgebung
ihrer Entstehung läßt sich mit voller Anschaulich-
keit, in Personalien, Zuständen und Äußerlichkeiten
jeder Art, aus archivalischen, chronikalischen und dich-
terischen Quellen wieder hervorrufen. Wie oft be-
gegnet man in Büchern, Depeschen und Versen jener
Zeit Schilderungen, die auf Gemälde des Velazquez
gemünzt scheinen; wie oft in den weiten, einsamen,
entwaldeten Thälern castilischer Berge erkennt man
jene Landschaften wieder, mit ihrem klaren, satten,
cyanblauen Luftton, in die er seine schimmernden
Reiterbilder versetzt, oder in den engen Gassen seiner
Städte einen Bauer, einen Bettler, der aus einem
Rahmen des Velazquez herausgeschritten scheint."

Als vor nunmehr zweiundzwanzig Jahren das
erste große Werk Justi's, der Winckelmann, erschien,
ging ein Rauschen durch die ehrwürdigen Baumkronen
der Altertumswissenschaft. Es war uns, als lebte die
in Winterschlaf versunkene Welt der Jdeale, als deren
begeisterter Seher Winckelmann dasteht, wieder zu
neuem Frühlingstreiben auf. Und mit Winckelmann er-
schien das gestaltenreiche achtzehnte Jahrhundert,dieZeit
des sächsischen August, die Epoche des Kardinals Al-
bani und seiner Gesinnungsgeuossen. Die Statue des
Gefeierten erhob sich auf hohem, mehrfach abgestuftem
Postament, auf dessen Absätzen lebensvolle Gruppen
seiner Vorlänfer und Mitstrebenden, seiner Förderer
nnd Jünger sich von malerisch komponirten Hinter-
gründen absetzen. Die Summe des Wissens über
Winckelmann und seine Zeit war hier gezogen, der
Altertumswisseuschaft und ihrer Mission für die Er-
ziehung der modernen Menschheit war hier ein nie-
mals überbotenes Denkmal geschaffen.

Was Justi's Winckelmann für die Welt des pla-
stischen Jdeals geworden ist, das wird, wenn uns
nicht alles täuscht, sein Velazquez für die moderne,
von malerischen Anschaunngen beherrschte, nach Wahr-
heit und Natur verlangende Zeit und für die Wissen-
schaft der modernen Kunstgeschichte werden. Der Stil
des Velazquez ist der Gegenpol des antiken Jdeals,
es ist der „Stil der Natur", wie Mengs treffend
sagte. Unter dem Gesichtspunkte der höchsten Leben-
digkeit, der größten Treue, der freiesten und breitesten
Behandlungsweise betrachtet, ist Velazquez, wie Waagen
sagte, der „größte Maler, welcher je gelebt hat".

Beuls nannte ihn den größten Koloristen, W. Burger
endlich ,,1s pointro 1s xlns psinkrs qni tul janiais."
— Denkt man sich eine Linie gezogen durch die beiden
Justi'schen Meisterwerke, so berührt diese die Spitzen
zweier künstlerischer Weltalter, uud bezeichnet zugleich
die Höhenpunkte zweier Epochen unserer knnstgeschicht-
lichen Forschung und Litteratur.

Justi's Velazquez ist fein und gewählt illustrirt,
aber kein Prachtwerk im landläufigen Sinne. „Das
Buch" — sagt der Autor — „ist die Arbeit eines
Schriftstellers, der sich Leser wünscht, kein Text zu
einem Bilderbuch, wo der Verfasser wie ein Jahr-
marktsbarde die Historien mit dem Stocke zeigt. Ein
Buchtext soll auf eigenen Füßen stehen; und wenn
die Kunst zuweilen Gedanken in Gestalten umgesetzt
hat, warum sollte es nicht erstrebenswert sein, wenn
auch in unendlicher Annäherung, das Anschauliche in
die andere Welt der Worte zu übersetzen."

Sind wir gut unterrichtet, so hat dem Autor die
Zurüstung und Ausarbeitung des Werkes ein kleines
Bermögen gekostet. Auch der Verleger ist nicht karg
gewesen: er gab dem Buch eine Ausstattung, welche
seine Hülle würdig macht eines erlesenen Geistes und
wert, von den Litteraturfreunden aller Reiche als eine
Kostbarkeit gehegt zu werden.

C. v. Lüßow.

Aunstlitteratur und Aunsthandel.

IVIusss l^atioiial äu l,ouvrs, Oessins, oartons,
pasksls sk inlniaknrss äss ckivsrsss esolss, sxposss
ckspuis 1879 äans Iss Lallss ckn 1 m ska^s,
cksnxibins nokioe snpplswenkairs, par 1s Vts II o k Ii
äs Vanria. 8. Varis 1888.

Kein Wunder, daß die reichhaltige Sammlung
des Louvre heutzutage noch zn dem Erscheiuen eines
neuen beträchtlichen Bandes von 200 Seiten, als Er-
gänzung der Kataloge, welche die Abteilung der Hand-
zeichnungen betrifft, Anlaß gegeben hat! Die Kata-
loge bestehen also bereits aus fünf Bänden, deren
zwei erste vom früheren Konservator, Herrn Neiset
herstammen, die drei letzteren von unserem verehrten
Freunde Vte. de Tauzia, dessen Todeskunde uns un-
längst schmerzlich getroffen hat. — Eine in den letzten
Jahren veranstaltete Ausstellung von Zeichnungen,
welche srüher nicht zur öffentlichen Schan gebracht
worden waren, hat das Material für den letzten Band
geliefert. Die italienische, ebenso wie die spanische,
die deutsche, die niederländische und französische Schule
sind darin vertreten, wobei das historisch Wichtigste
jedenfalls der ersteren zugestanden werden muß. Denkt
man an die zwei kostbaren Sammelbände, die dazu
gehören: das bekannte Buch aus dem Besitze Vallardi
nnd das an 82 Studienseiten reiche Buch von der
 
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