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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Die Fenster des Magdeburger Domes
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6239#0102

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185

Kunstlitteratur und Kunsthandel.

186

^tadt am 10. Mai 1631 der Glut der Fcuersbrunst
^ücklich widerstaudeu, da er durch die Svldateu Tilly's,
^lchex dms prachtvvlle altberühmte Gebäude für deu
^lholischen Kultus retten uud erhalteu wolltc, ge-
lchützt wurde. Die ungeheuerc Glut der in dichtester
lllähe brenuenden großcn Stadt mag wohl die der-
l^lben zugekehrtcn Fenstcr gesprcngt und die Glas-
"^lercien beschndigt haben. Ganz zerstört aber wurden
'b Fenstcr, als die Kaiserlichen im folgcndcn Jahre
l'a« Magdeburg abziehcn mnßten, welches sür sie un-
haltbar geworden war. Um den Prvtestantcn dcn
uicht zu lassen, zcrschlug man alle Fcnstcr und
^chüren desselben und häuste Breunniaterial unter
mächtigen Dache an, welches beim Abzichen an-
^züiidet wurde, durch Zufall aber nicht zum Brcn-
^n kam.

So wnrde der Dom, welcher ein so intcrcssantes
^lld gjcbt vou dcr Entwickcluug des Spitzbvgeustiles
^ns dem Rundbogen, welcher die Bervollkommnnng
Md cndlich auch die Ausartuiig der gotischeu Bau-
^ise iu selten bclehrendcr Wcisc zeigt, zwar erhaltcn,
"l>er verstümmelt nnd ausgeraubt nnd lange Jahre
hindurch hielten Schnee nnd 9iegcn uugestört ihrcu
^lnzug durch dic zersplittcrten Fenstcr, dic erst all-
^ühlich dnrch klcine rundc Scheibcn in schmuckloser
^eise wieder verdichtet wurden. Nur im nvrdlichcn
^»enzgiebel hattcn sich mchrcre gcmaltc Domhcrrn-
ü'appeu aus dcm 14. Jahrhuudert crhalten und son-
ll'ge Fragmente von lcuchteuder Farbenschöuhcit, welche
°l>er zu einem ciuheitlichcn Ganzen uicht mehr zu-
inniniengestcllt werden konutcn. Erst unter dcr Re-
üierungszeit Fricdrich Wilhclms lll. und in den Jahreu
^47 und 1849 trat man dcr Ansschmücknng des
^nnies in diescm Sinnc näher, wozu in crster Linie
^in Bcsuch des Königs mit Kaiser Nikolans I. von
^ußlaud und dem.llönig Ernst Augnst von Haunovcr
^ranlassung gab. Jeder von dcn hohen Herren

üistete ein Fenster, denen sechs anderc — von der
^außischeu Köuigsfamilic gewidmet — folgten, dann
das schöne und harmonische Fcnster über dcm
'dauptportale, welches sein flimmerndes buutes Licht
Mf der Stelle zittern läßt, wo Tilly die demütige
^usprache der in den Dom geflüchtetcn, halb ver-
ichniachteten Magdeburgcr, welche deni grauenhaften
^enietzel entronnen waren, entgegennahm und Brot
^uter sie verteilen ließ.

Sämtliche Fenster zeigen in teils figürlicher, teils
"Uisivischer Umgebung geschichtliche Persönlichkeiten,
Verdienste um das Erzstift erworben
^abeu, sorgfältig gezeichnet, aber zum Teil sehr nüch-
^u und mit geringem Farbenschmelz, gotisch stilisirt,
"'as wan eben damals unter „gotisch" verstand. Man
'Uerkt jhuen an, wie ernst der Künstler sich geplngt

hat, die Schwierigkeiten der vergessenen Technik der
Glasmalerei zu überwinden, und an dem Vorherrschen
kaltcr Töne sieht man, wie anscheincnd unwiederbring-
lich die tiefen warmen Farben der mittelalterlichen
Kunst verloren gegangen waren.

Jndes wirken sie doch trotz aller Härten nicht
nnharmonisch und vcrletzen das Auge nicht in vor-
dringlicher Wcisc.

Noch manches Fenster wird mit Malerei gesüllt
werden mössen, bis der schöne innere Raum, geschützt
vor dem grcll cinfallcnden Tageslichte, im Farbcn-
schinimer glänzen, bis das altersgraue Gotteshaus
vollständig von der Außenwelt abgeschlossen sein wird.
— Hoffen wir, daß der hochherzige Sinn des 26. Re-
giments bald Nacheiferung finde!

Aunstlitteratur und Auusthandel.

X. — Dic lübliotliegue (lo l'eimoliriienivnt <1eü
Lvanx-^rt« ist um cinen ueuen Band über die griechische
Architektur bereichert worden. welcher von Victor Laloux
herrührt. Das Buch verwertet die neuesten Forschungen und
Entdeckungen aus dem Gebiete der Archäologie und wird
vielen Lesern Neues über die helleuische Baukünst bringen
Es enthält eine kurzgefaßte Ursprungsgeschichle der griechi-
schen Architektur, eine Analpse der Hauptmerkmale der klassi-
schen Denkmäler und eine vergleichende Studie über die wich-
tigsten Ruinen. Die Darstellung ist durch zahlreiche sehr
güte Abbildungcu unterstützt.

x. — Die Gcmälde der Schwabe'schen Sainmlung in
Hamburg unterzieht I. Theodor Schulp in einer kleinen
Broschüre von 78 Seiten einer eingehenden Besprechung.
Wie billig, berücksichtigt er die bisher auf dem Kontinent nur
ganz vereinzelt vorkommenden modernen englischen Meister
vorzngsweise und charakterisirt ihre Eigentümlichkeiten und
die Sonderstellung, die sie einnehmen, in klarer ausreichender
Weise. Das Buch wird zur rechten Würdigung der bisher
wenig bekannten englischeu Kunst für viele Besucher unent-
behrlich sein.

2 Amcrling-Biographie. Ludwig Angust Frankl, eincr
der ältesten Freunde des berühmten Wicner Porträtmalers,
hat nach dessen hinterlassenen Papiereu eine ausführliche
Lebensbeschreibung Amerlings versaßt, welche zu Ostern 1889
erscheinen soll. Das Buch wird mit einer Nachbildung von
Amerlings Selbstbildnis in der Wiener Akademie und einer
Ansicht seines malerisch gestalteten Hauses illustrirt und
bringt u. a. ein vollständiges Verzeichnis von Amerlings
Werken, sowie eine Charakteri'stik seincr Bedeutung als Künstler
von C. v. Lüpow.

« Von Ludwig Pfau's ästhetischen Schristen, welche unter
dem Gesamttitel „Kunst und Kritik" seit einigen Jahren er.
schcinen (Stuttgart, Leipzig, Berlin, Deutsche Verlagsanstalt)
liegen uns zwei neue Bände, der vierte und der sechste, vor.
Für die Leser dieses Blattes ist besonders der erstere von
Jnteresse. Er enthält Pfau's vielgelesene „Freie Studien",
mit welchen der Antor 1865 zuerst in Deutschland Aufsehen
erregte. Jn dieser dritten Auflage der immer noch sehr
lesenswerten Aussätze ist alles von denselben abgetrennt, was
nicht streng zur artistischen Kritik gehört und der Jnhalt
nur auf den von Pfau mit geistvoller Eindringlichkeit behan-
delten Gegenstand: „Die Kunst im Staat" beschränkt. Die
früher damit vereinigt gewesenen litterarischen und histori-
schen Aufsätze bilden jept zusammen mit eiuigen neueren
Arbeiten Pfau's den Jnhalt des sechsten Bandes. Von diescm
wird namentlich die scharse Charakteristik Zola's', in welche
übrigens der neueste, fünfzehnte Roman des Führers der
sranzösischen Naturalisten: „I-s revs", noch nicht aufgenom-
men werden konnte, gewiß weite Leserkreise fesseln.
 
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